Nur jeder zweite Schweizer kocht an einem Werktag am Abend zuhause. Das zeigt die erste Erhebung des Bundes zum Ernährungsverhalten der Schweizer. Anbieter von Kochboxen wie die Zalando-Schwester HelloFresh wollen das ändern. Sie liefern ihren Kunden in der Schweiz seit über einem Jahr Zutaten für drei Mahlzeiten pro Woche ins Haus - vom Poulet-Satay-Spiessli über die Lauch-Rahm-Flammkuchen bis hin zu den Spaghetti mit Räucherlachs. Gekocht wird selbst.
Auch lokale Anbieter spriessen aus dem Boden. Etwa Juts: Das Startup aus Frauenfeld lieferte erste Foodboxen im August 2016 aus. Sowohl HelloFresh als auch Juts funktionieren nach demselben Prinzip: Der Kunde bestellt sich online seine Box, wahlweise vegetarisch oder mit Fleisch. Anschliessend erhält er die Zutaten für die Gerichte nach Hause geliefert. «Das ist für mich wie ein Kochkurs», schildert ein HelloFresh-Kunde seine Erfahrung auf der Website des Anbieters. Doch ist das Angebot tatsächlich Kochkurs oder eher Bevormundung am Herd? Wir haben den Service des Berliner und des Schweizer Startups getestet. Das Fazit:
Bestellung
Der Bestellvorgang läuft sowohl bei HelloFresh wie auch bei Juts reibungslos. HelloFresh hat vier Boxen im Angebot: die Express-, Explore-, die Family- und die Veggie-Box. Ich wähle die Express-Box. Bei Juts gibt es nur die saisonale und die Vegi-Box. Ich frage mich, ob die vegetarischen Zutaten nicht auch saisonal sein können. Dort wähle ich die saisonale, also mit Fleisch.
Beide Anbieter zeigen auf ihrer Website, welche Gerichte in der folgenden Woche geplant sind. Die Präsentation bestehen allerdings deutliche Unterschiede: Die Fotos bei Juts sind amateurhaft. Das Bild des Forellenfilets vor einem Herzchen-Hintergrund sieht aus, als wäre es in der schlechtbeleuchteten Küche meiner Grossmutter geschossen worden. HelloFresh gelingt derweil schon eher der Look eines professionellen Foodblogs.
Lieferung
Die Boxen von HelloFresh und Juts stehen beide zum vorher bestimmten Zeitpunkt im Hauseingang. Mein erster Eindruck: HelloFresh hat die auffälligere Box. Sie gibt sogar Kochtipps: «Zwiebeltränen?», steht gross auf der einen Seite. «Zwiebeln brennen Dir beim Schneiden in den Augen? Ein Schluck Wasser im Mund hilft! #hellofreshtipp». Bei Juts sieht es da puristischer aus.
Für beide Boxen gilt: Sie sind vollgestopft mit Verpackung. Sehr viel Verpackung. Was passiert damit? Eine Brochüre bei HelloFresh klärt auf: Kühlelemente, Isolierung gefüllt mit Schafswolle und Kartonverpackungen können mit jeder vierten Box mit der beiliegenden Etiquette zurückgeschickt werden. Auch Juts sagt auf Nachfrage, man führe alle vier bis fünf Wochen eine Recycling-Aktion durch, bei der der Lieferdienst Schafswolle und Kühlelemente bei den Kunden abholt. Wie das mit der Abgabe genau funktioniert, ist nicht angegeben. Ich schmeisse die Kisten zunächst in meinen Keller - wo sie dann bis Redaktionsschluss auch immer noch liegen.
Auspacken
Die Boxen unterscheiden sich stark bei der Präsentation der Zutaten. Diese sind bei HelloFresh von den jeweiligen Marken abgepackt, was teilweise absurde Züge annimmt. Etwa, wenn zwei kleine Würfelchen Parmesan einzeln in Plastik verpackt beigelegt sind, oder die Sojasosse in separaten kleinen Dosen kommt. Juts wiederum packt seine Lebensmittel in braune und durchsichtige Tüten um, die mit «Fleisch Schweiz» oder «Gemüse für Saltimbocca» beschriftet sind.
Bei der Lieferung sind die Waren grundsätzlich in gutem Zustand, der Brokkoli bei HelloFresh ist allerdings angeschimmelt. Wünschenswert wäre eine Angabe, in welcher Reihenfolge die Rezepte gekocht werden sollen - eine halbe Woche hält der Brokkoli auf jeden Fall nicht mehr durch. Ich fange also mit dem Stir-Fry an, für den dieser eingeplant ist.
Zubereitung
Die Rezepte sind einleuchtend, jede Rezeptkarte zeigt mit Bildern an, welche Zutaten benötigt werden. Dennoch haben sich Fehler eingeschlichen: Ist beim bunten Gemüsekuchen von HelloFresh eindeutig keine Paprika bei den Zutaten aufgelistet, fängt das bebilderte Rezept mit dem Rüsten einer roten Paprika an. Im Laufe des Rezepts wird diese zu einer gelben.
Bei Juts ist die Bildsprache auf den Rezeptkarten so unattraktiv wie auf der Website. Etwas irritiert stelle ich fest, dass es bei Juts den Punkt «eigener Vorrat» gibt. Und da wird einiges verlangt: Weisswein, Butter, Olivenöl, Mehl, Paprikapulver. Bei HelloFresh sind diese Zutaten, die nicht mitgeliefert werden, in der Kategorie «Gut im Haus zu haben» angeführt. Dazu gehört beim Mediterranen «Panzanella» auch ein Ei - eines der prominenten Features des Brotsalats. Vermutlich wäre dieses eher «zwingend im Haus zu haben».
Die Zubereitung der Speisen läuft reibungslos. Nur: Mir rennt die Zeit davon. Ich versuche, keine Zeit beim Schnippeln zu verlieren. Dennoch brauche ich für das HelloFresh-Stir-Fry 36 anstatt der angegebenen 20 Minuten. Beim Saltimbocca von Juts ist es über eine Stunde anstatt der eingeplanten 35 Minuten.
Mahlzeit!
Der Kochaufwand lohnt sich: Die Gerichte schmecken allesamt gut. Highlights sind keine dabei. Die Rezepte sind breitband-verträglich und ohne übermässige Würze. Eher lahm ist das asiatische Stir-Fry mit Rindsstreifen von HelloFresh - obwohl die Qualität des Fleisches exzellent ist. Ähnliches gilt für den HelloFresh-Gemüsekuchen, was aber auch daran liegen könnte, dass ich kein Blätterteigfan bin.
Bei Juts schmeckt das Wochen-Highlight, das Saltimbocca, wie es soll. Auch hier ist die Qualität des Fleisches überzeugend. Mir scheint es allerdings ineffizient, eine Mini-Portion Risotto zu kochen – was genauso lange dauert, wie ein ganzer Topf, der für den nächsten Tag reichen würde.
Abwechslungsreich sind die Gerichte beider Anbieter. Juts gefällt mir allerdings in diesem Punkt besser: Im Vergleich zu HelloFresh gibt es hier an einem Tag Fisch, am nächsten Poulet und am dritten Schweinefleisch (Saltimbocca). Bei HelloFresh werde ich einen Tag mit einem Brotsalat mit Speck, einen mit einer Veggie-Fladen abgespiesen. Mengenmässig überzeugen beide Anbieter. Etwas auf der spärlichen Seite ist das Poulet mit Joghurt-Minz-Quark von Juts, welches sich wohl für den Low-Carb-Abend eignet.
Preis
Die HelloFresh Express Box kostet ab 16.65 Franken pro Mahlzeit und Person, also 99.90 Franken pro Woche für zwei Personen. Dafür, dass diese eine Veggie-Mahlzeit und eine mit Speck enthält, ist der Preis für meinen Geschmack zu hoch gesetzt. Bei Juts werden die Gerichte günstiger, wenn für mehrere Personen bestellt wird - ein gutes Konzept. Bei HelloFresh geht das nur bei der Veggie-Box - und auch dort nur wahlweise für zwei oder vier Personen. Bei Juts kostet das Gericht in der saisonalen Box 16.33 Franken für eine Person und Gericht. Bei vier Personen kostet das Einzelgericht bereits nur noch 10,75 Franken.
Fazit
Nach zwei durchgekochten Wochen merke ich: Kochboxen eignen sich gut für Leute mit einem planbarem, regelmässigen Leben, die froh um Inspiration in der Küche sind. Die Gerichte liefern Abwechslung zum alltäglichen Kantinenfrass oder den abendlichen Spaghetti mit Pesto. Für mich arten die Boxen aber in Stress aus. Vor die spontan angekündigte Geburtstagsfeier quetsche ich das Stir-Fry mit Rindsstreifen, am nächsten Mittag gehts im Stechschritt nach Hause. Das zweite der drei Gerichte muss gekocht werden, weil ich vergessen habe, die Box vor meinem verlängerten Wochenende rechtzeitig abzubestellen. Abends bin ich nach der üppigen Lunch-Mahlzeit weder in der Laune zu kochen noch hungrig.
Trotzdem muss das dritte Gericht weg, bevor ich abfahre. Die Boxen stapeln sich im Keller – diese mit meinen Arbeitszeiten zur Post zu bringen, ist schwierig. Und habe ich das Gefühl, etwas am Hype verpasst zu haben: Für bis zu 34 Franken, die eine Mahlzeit für zwei Personen kostet, kann man fast auswärts essen gehen – und ich habe beim Box-Essen die Arbeits-, Aufräum- und Recycling-Arbeit. Irgendetwas geht da nicht ganz auf.
Diese Essgewohnheiten haben die Schweizer: