Wenn Cameron Diaz über Amy Pascal spricht, kommt der Star aus dem Kinofilm «Drei Engel für Charlie» ins Schwärmen. «Sie ist eine von uns. Eine gute Freundin, bei der ich mich sicher fühle.» Schauspielkollegin Jodie Foster könnte sich vorstellen, «mit Amy weit weg zu fahren. In den Urlaub zum Beispiel.» Denn anders als die meisten Männer in Hollywood habe sie nicht so ein aufdringliches Macho-Gehabe. Und Jennifer Lopez preist Amy Pascal als eine «Frau mit grossem Herzen». Bei ihr, so der Latino-Star, fühle sich jeder sofort zu Hause.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die so Gelobte gehört zur neuen Generation von Power-Frauen in Hollywood. Amy Pascal, die Chefin von Sony Pictures Entertainment, rangiert laut dem Fachmagazin «Hollywood Reporter» als zweitmächtigste Managerin der amerikanischen Entertainment-Industrie nur hinter Anne Sweeney, der Präsidentin von Disneys Fernsehtochter ABC. Tatsächlich hat Pascal dem japanischen Unterhaltungsgiganten und seinem Studio Columbia Pictures nach einer langen Durststrecke endlich auf die Sprünge geholfen. Mit Streifen wie «Spider-Man», «Bad Boys 2», «Drei Engel für Charlie» oder «Stuart Little» gelang es Columbia, die Konkurrenz abzuhängen. Eine Glückssträhne, die die 46-Jährige so schnell nicht reissen lassen will: Filme wie «Das geheime Fenster» mit Johnny Depp, «Bewitched» mit Nicole Kidman, «Hautnah» mit Julia Roberts oder «Spider-Man 2» mit Tobey Maguire sollen für eine Fortsetzung der Erfolgsstory sorgen.

Keine Frage: Die Macht von Frauen im hart umkämpften amerikanischen Filmgeschäft ist heute grösser denn je. Das machte der «Hollywood Reporter» gerade wieder deutlich mit seiner Liste «2005: Women in Entertainment Power 100». Hinter Pascal rangieren mit Stacey Snider von Universal Pictures (Platz 5), Sherry Lansing von der Paramount Motion Pictures Group (Platz 7) und Nina Jacobson von der Buena Vista Motion Pictures Group (Platz 9) gleich drei weitere Studiochefinnen unter den Top Ten. Wie sehr Frauen in Hollywood in den letzten Jahren an Einfluss und Anerkennung gewonnen haben, wird auch daran sichtbar, dass heute drei grosse Berufsverbände der US-Unterhaltungsindustrie von Damen geleitet werden. So verzeichnet die Liste des «Hollywood Reporter» unter anderem die Präsidentin des Verbandes der Filmproduzenten (PGA), Kathleen Kennedy (Platz 37), die Präsidentin des Schauspielerverbandes (SAG), Melissa Gilbert (Platz 90), und jene des Verbandes der Drehbuchautoren (WGA), Victoria Riskin (97).

Doch der jüngste Vormarsch weiblicher Executives sei erst der Anfang, glaubt Mollie Gregory, die mit ihrem Buch «Women Who Run The Show: How A Brilliant and Creative New Generation of Women Stormed Hollywood» für Furore sorgte. «In den siebziger Jahren konnte man die weiblichen Manager in der Filmmetropole noch an einer Hand abzählen», erinnert sich Mollie Gregory. «In den Achtzigern setzten sich dann immer mehr Frauen durch. Im Jahr 2000 schliesslich hatten wir mit Sherry Lansing, Stacey Snider und Amy Pascal bereits drei Studiochefinnen.» Inzwischen seien weitere Frauen in Schlüsselpositionen aufgestiegen, so zum Beispiel Ann Daly als Chief Operating Officer bei DreamWorks Animation, Donna Smith als Präsidentin von Cinema Completions, Nikki Rocco als Vertriebschefin von Universal Pictures Distribution oder Meryl Poster als Produktionschefin von Miramax Films.

Angefangen hatte alles 1973 mit einem Artikel in der «Los Angeles Times», in dem zu lesen war, dass noch nicht einmal drei Prozent sämtlicher Fernseh-Drehbücher von Frauen geschrieben werden. Bei Gebäck und Tee trafen sich die ersten Frauen und gründeten den Interessenverband namens «Women in Film» (WIF). Die Journalistin Sue Cameron erinnert sich: «Viele wissen heute gar nicht mehr, wie einsam und vereinzelt Frauen damals waren. In den Siebzigern hatten wir nur 250 Mitglieder, Netzwerke waren unbekannt.» Tempi passati: WIF hat sich längst zur mächtigen Lobby für die Amerikanerinnen in der Filmindustrie gemausert, zur Lobby für bessere Arbeitsbedingungen, Führungspositionen, ein emanzipiertes Frauenbild – und weibliche Seilschaften beim Erklimmen der Karriere-Steilwand. Jedoch, so bremsen die Ladys von WIF, «wir sind noch nicht angekommen».

Wobei allerdings viele der neuen Power-Frauen in Hollywood der Geschlechterfrage im von Männern dominierten Filmgeschäft eher wenig abgewinnen können und selbst nur als Filmprofis wahrgenommen werden möchten. Universal-Chefin Stacey Snider verweigert etwa seit Jahren Interview-Anfragen zum Thema «Frauen in Hollywoods Chefetagen». Buena-Vista-Frau Nina Jacobson bemerkt nur lakonisch: «Ich bevorzuge keine Frauen, aber ich übergehe sie auch nicht.» Auch Paramount-Chefin Sherry Lansing gibt sich eher zurückhaltend: «In unserem Job haben wir natürlich alle unsere individuelle Handschrift, und das sieht man einem Film auch an. Das hat allerdings nicht zwangsläufig irgendetwas mit dem Geschlecht zu tun.»

Schon einmal in der Geschichte Hollywoods hatten Frauen mit Verve die Traumfabrik erobert, damals allerdings auf der Leinwand statt hinter den Kulissen. In den späten Dreissigern und frühen Vierzigern waren divenhafte Schauspielerinnen wie Rita Hayworth oder Jayne Mansfield meist glamouröser als ihre männlichen Kollegen und erhielten die lukrativsten Werbeverträge. Auch die Journalisten und Klatschreporter, die über Interna aus Hollywood berichteten – allen voran Kolumnistin Louella Parsons, die «Queen of Gossip» –, waren häufig Frauen und zählten selbst zur Filmprominenz.

Als Folge der «feminization» Hollywoods strömten junge Frauen – im Fachjargon «movie-struck girls» – zu Tausenden nach Hollywood, wo sie auf Leinwandkarrieren hofften, sich tatsächlich jedoch überwiegend – wenn es gut ging – mit weniger glamourösen Beschäftigungen durchschlagen mussten. Das provozierte die Kritik zahlreicher Moralwächter, welche die Aktricen angesichts ihrer Naivität «in sittlicher Hinsicht als höchst gefährdet» beschrieben. Tatsächlich blieb das Spannungsfeld zwischen Filmwelt und sexueller Freizügigkeit, ausschweifendem Lebensstil und Ausbeutung naiver Aspirantinnen auf der «Besetzungs-Couch» bis heute ein Dauerthema.

Auf derlei Aufstiegshilfen brauchte die selbstbewusste neue Managerinnengeneration in Hollywood nicht zurückzugreifen. Auch wenn das manche Kollegen zunächst nicht wahrhaben wollten. «Hey, mit wem hat sie schlafen müssen, um in dieses Büro zu kommen?», so formulierte der Schauspieler Michael Douglas seinen ersten Gedanken, als er Sherry Lansing bei der Studiokonferenz für den Film «Eine verhängnisvolle Affäre» kennen lernte. Doch die Produzentin ignorierte derlei sexistische Gerüchte um ihren Aufstieg stoisch. Was freilich nicht bedeutete, dass sie sich fortan wie ein Mann gebärden musste, um es an die Spitze zu schaffen. Die Produzentin Laura Ziskin hat eine eigene Erklärung für den Erfolg weiblicher Executives in der amerikanischen Filmmetropole. «Frauen verfolgen einen weniger aggressiven Stil, setzen eher auf Kooperation. Insbesondere im kreativen Bereich funktioniert das ganz hervorragend.» Studiochefin Amy Pascal glaubt, dass der Job in Hollywood grundsätzlich viel fürsorgliche Qualitäten verlange, und da seien Frauen naturgemäss stark. Amy Pascal: «Erfolg hängt von der Kompromissfähigkeit ab und nicht davon, das eigene Ego ständig in den Mittelpunkt zu stellen.»

Derlei «weiche», eher auf Kooperation ausgerichtete Strategien haben sich laut Mollie Gregory in Hollywood längst auch im handfesten Geschäft manifestiert. So habe Sherry Lansing auf eine Partnerschaft mit 20th Century Fox gesetzt, als es um die Finanzierung und Produktion des Katastrophenepos «Titanic» ging – mit Erfolg, wie sich später herausstellte: Der Film spielte mehr als 1,21 Milliarden Dollar im Ausland und 488 Millionen Dollar in den Vereinigten Staaten ein. Später kooperierte Paramount auch mit DreamWorks, um «Deep Impact» (deutscher Untertitel: «Wenn der Himmel auf die Erde stürzt») und «Der Soldat James Ryan» zu produzieren sowie mit Warner Bros. «Zahltag», mit Disney «Zivilprozess», mit Miramax «Der talentierte Mr. Ripley» und mit Polygram/Universal «Angela’s Ashes». Unter der Ägide von Stacey Snider drehte Universal Pictures gemeinsam mit Miramax den Erfolgsfilm «Shakespeare in Love». Amy Pascal und Sony schmiedeten internationale Partnerschaften in Grossbritannien, Hongkong und Deutschland.

Hat sich unter weiblichen Studiobossen auch die inhaltliche Ausrichtung der Hollywoodstreifen geändert? Statt Arnold und Terminator nun feminines Gefühlskino? Nicht wirklich. Auch bei den von Frauen geführten Studios findet sich der übliche Mix an Action-Thrillern und Knallchargen-Komödien à la Ace Ventura. Immerhin: Die wenigen wirklich «frauenlastigen» Streifen kommen zumeist aus denjenigen Studios, die von Managerinnen geleitet werden. So produzierte Sony etwa «Charlie’s Angels», «Die Hochzeit meines besten Freundes» und «As Good as it Gets»; Paramount wartete mit «Runaway Bride», «Lara Croft» und «Was Frauen wollen» auf. Und der Kreativabteilung von Universal entstammen Filme wie «Notting Hill», «Erin Brockovich – eine wahre Geschichte» und «Mulholland Drive – Strasse der Finsternis».

Sony-Pictures-Chefin Amy Pascal steht denn auch im Ruf, lieber mit Frauen zusammenzuarbeiten. Als Indiz gilt, dass bei den Sony-Filmen mittlerweile 40 Prozent der Drehbücher von Frauen geschrieben werden. Eine Zahl, die besonders vor dem Hintergrund beeindruckt, dass Hollywood zumindest laut Statistik weiterhin von Männern beherrscht wird. Lediglich sechs Prozent der Regisseure und zehn Prozent der Drehbuchschreiber sind hier Frauen. Barbra Streisand und Jodie Foster sind zwei Ausnahmen, die sich auf Grund ihrer schauspielerischen Leistungen die Unabhängigkeit erworben haben, auch als Regisseurinnen arbeiten zu können. Doch die resolute Amy Pascal weist sämtliche Spekulationen über die Bevorzugung von weiblichen Mitarbeitern ab: «Ich habe nie mit Frauen gearbeitet, nur weil sie Frauen sind. Sondern weil sie die beste Besetzung für den Job waren.»

Lange Zeit hatte Sherry Lansing die Liste der mächtigen weiblichen Executives in Hollywood angeführt. Wie mächtig die Paramount-Chefin ist, versuchte der «Hollywood Reporter» anhand verschiedener Kategorien messbar zu machen: Dazu gehören ihre Position innerhalb der Firma, die Zahl der ihr unterstellten Mitarbeiter, ihre Befugnisse in der Absegnung von Projekten und die Menge der Dollars, die sie kosten dürfen. Als die Amerikanerin vor mehr als zwanzig Jahren Vorsitzende des grossen Studios 20th Century Fox wurde, schrieb sie Filmgeschichte: Sie war die erste Frau, die in Hollywood eine solche Führungsposition erreichte. Im Jahr 1992 wechselte Sherry Lansing als Präsidentin zu Paramount. Mit «Forrest Gump» und «Titanic» produzierte das Unternehmen absolute Kassenschlager, die zudem insgesamt 17 Oscars gewannen.

Heute sind immerhin ein Viertel aller Produzentenjobs in Hollywood mit Frauen besetzt. Die Bereiche Regie, Drehbuch und Kamera vertrauen die grossen Filmstudios allerdings nach wie vor fast ausschliesslich Männern an. Sherry Lansing hält jedoch auch nichts davon, lediglich aus Solidarität Frauen für die Jobs in ihren Produktionen zu engagieren. Schliesslich legt sie selbst Wert darauf, allein durch Qualifikation erfolgreich geworden zu sein. Dass sie mitunter auch aggressiv vorgeht, um ihre Ziele zu erreichen, gibt Sherry Lansing unumwunden zu. Aber: «Ein aggressiver Mensch ist für mich einfach jemand, der alles tut, um das zu erreichen, was er sich vorgenommen hat.»

Was die Zukunft von Frauen in Führungspositionen betrifft, gibt sich Sherry Lansing optimistisch: «Ich bin davon überzeugt, dass noch zu meinen Lebzeiten eine Frau Präsidentin der Vereinigten Staaten wird.» Denkt sie dabei womöglich an sich selbst? Sherry Lansing hat nach zwei eher durchwachsenen Geschäftsjahren bei Paramount für Ende 2005 ihren Rückzug angekündigt. Mit ihrer Sherry Lansing Foundation will sie sich in Zukunft vor allem für die Stammzellenforschung einsetzen. Als enge Vertraute des einstigen US-Präsidenten Jimmy Carter («ein Idol von mir») rückte sie bereits in den Stiftungsrat des Carter Center ein. Eine spätere politische Karriere der Hollywood-Ikone scheint also nicht ausgeschlossen – in Kalifornien ohnehin kein Novum.

Allerdings wäre Lansing nicht Lansing, wenn sie vor ihrem Abgang nicht das Feld bestellt hätte. Mit «The Weather Man» mit Nicolas Cage und «War of the Worlds» mit Tom Cruise schickt Paramount in diesem Sommer wieder zwei potenzielle Blockbuster ins Rennen.