Die Kritik an der Swiss mehrt sich. Immer häufiger hört man von unzufriedenen Kundinnen und Kunden, die ihrem Unmut Luft machen – über verspätete oder stornierte Flüge, Überbuchungen, alte Flieger und mangelnden Service. Abgesehen davon, dass man heute für alles einen Aufpreis bezahlen muss, das früher inklusive war: das Gepäck, den Sitzplatz, das Sandwich. Swiss hat den Anspruch, Premium-Qualität zu bieten. «Premium» sind jedoch vielfach nur die Preise. Denn diese wurden nach Corona massiv hochgeschraubt. 

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Das füllte die Kassen. Mit 718 Millionen fuhr die Swiss vergangenes Jahr einen Rekordgewinn ein. Und auch die ersten neun Monate in diesem Jahr ist sie mit einem Ergebnis von 505 Millionen nur knapp hinter diesem Rekord. Swiss ist mittlerweile die Cashcow im Lufthansa-Reich, zu dem zahlreiche andere Airlines gehören, die weitaus weniger profitabel sind. Das ist schön für die Lufthansa. Unschön für die Kundinnen und Kunden, die sich geprellt vorkommen. Denn wer viel bezahlt, kann auch viel erwarten. Doch daran mangelt es. 

Natürlich gibt es Faktoren, die Airlines nicht beeinflussen können. Wenn Wettergegebenheiten zu Verspätungen führen, Flugzeughersteller die Flieger nicht ausliefern, die Inflation die Kosten hochtreibt. Viele andere Ärgernisse hingegen sind «hausgemacht». Überbuchungen beispielsweise. Die Fluggesellschaft verkauft mehr Tickets als Sitzplätze, denn sie geht davon aus, dass nicht alle Passagiere erscheinen, und kann so die Flüge möglichst voll auslasten. Ungehaltene Passagiere, die nicht mitreisen, obwohl sie schon Monate im Voraus gebucht haben, werden in Kauf genommen. Eine Entschädigung oder eine Umbuchung, wie man sie der Kundschaft anbietet, lindert deren Wut häufig wenig. Wenn man sich als Premium-Carrier positioniert, sollte man Überbuchungen meiden. Die Swiss muss sich entscheiden: Entweder Gewinnmaximierung mittels Überbuchung (so mutiert sie zum Billigflieger à la Easy-Jet oder Wizz Air) oder Kundenzufriedenheit. 

Weiteres Ärgernis: Hundertfünfzig verschiedene Tarife, die es mittlerweile für einen Flug gibt. Mit ihrem Yield-Management versucht die Swiss aufgrund von Angebot und Nachfrage auf jedem Sitz den grösstmöglichen Gewinn herauszuholen. Der Buchungsprozess sei noch nie so kompliziert gewesen wie heute, klagt eine Touristikerin. 

«Wir sind noch nicht in der Lage, die Premium-Qualität zu liefern, die die Gäste von uns verlangen», gestand der oberste Lufthansa-Chef Carsten Spohr unlängst ein. Um im Anschluss eine lange Liste von Gründen aufzuzählen, die dafür verantwortlich sind. Nur Fehlentscheide seinerseits, die zählt er nicht dazu. Etwa die beispiellose Entlassungswelle während der Corona-Zeit. 30’000 Mitarbeitende der gesamten Gruppe wurden damals entlassen. Das ist rund ein Drittel der gesamten Belegschaft von 100’000 Mitarbeitenden. Tausend waren es allein bei der Swiss. 

Heute, da die Nachfrage im Luftverkehr derart hoch ist, fehlen diese. Die Airline muss in grossem Umfang neue Stellen schaffen, was kostspielig ist und zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt. Gerade die Suche nach Piloten und Pilotinnen ist schwierig und teuer. Aber auch Bodenpersonal kann nicht so schnell eingeschult und eingearbeitet werden, wie man das möchte. Kein Wunder, ist die Qualität nicht mehr das, was sie einmal war. Natürlich kann man einwenden, dass niemand wusste, wie schnell Corona vorbeigehen würde. 

Andere Branchen und Betriebe waren auch schwer von Corona betroffen. Doch niemand hat so wenig mit Augenmass gehandelt wie der Lufthansa-Chef. Ein wenig mehr Selbstkritik würde guttun.