Die Staatsanwaltschaft Turin greift durch: Vergangenen Freitag konfiszierte die Behörde 74,8 Millionen Euro aus dem Milliardenvermögen des Agnelli-Clans. Präventiv, wie sie in einem Communiqué schreibt. Die Justiz führt eine Untersuchung gegen die Enkel von Gianni Agnelli, John, Lapo und Ginevra Elkann; es geht um Steuerbetrug im grossen Stil.
Die Behörde nimmt auch Urs von Grünigen ins Visier, einen Treuhänder aus Gstaad, der die prominenteste Familie Italiens über Jahrzehnte in Finanzfragen beraten hat und als Testamentsvollstrecker agiert. Im Berner Nobelort Gstaad, genauer im Weiler Lauenen, halten die Agnellis seit Jahrzehnten eine Villa, in der Gianni Agnellis Witwe Marella die letzten 25 Jahre ihres Lebens verbrachte.
Steuerstreit um den Wohnsitz
Wie lange und wie oft sie wirklich im Saanenland war, ist umstritten, aber entscheidend fürs Vererben des Familienbesitzes. Der soll ein Volumen von rund 10 Milliarden haben. War die mittlerweile verstorbene Agnelli-Witwe mehr als die Hälfte des Jahres in der Schweiz ansässig, werden sie und ihr Erbe nach Schweizer Recht veranlagt. Wenn nicht, greift das strengere italienische Recht.
Diverse Indizien und die Vorwürfe von Tochter Margherita Agnelli deuten darauf hin, dass der Wohnsitz Gstaad nicht der Lebensmittelpunkt der steinreichen Dame war, sondern Turin oder Marrakesch. Wäre dem so, würde beim Erbgang italienisches Recht greifen – mit weitreichenden Folgen für die Agnelli-Enkel.
Profiteure sind Steuerbehörden und Agnelli-Tochter Margherita
Die Turiner Strafbehörden, die jetzt forsch gegen John Elkann und den Treuhänder von Grünigen vorgehen, stützen sich auf eine Klage von Margherita, Mutter der Elkann-Geschwister, und auf die Ausbeute einer Hausdurchsuchung, welche die Justiz im Februar in Turin durchgeführt hatte. Dabei wurden Wohnungen, Büros und Villen der Familie sowie jene ihrer Anwälte und Berater durchsucht.
Vor Ort beschlagnahmten die Behörden Verträge, Kontoauszüge und Strategiepapiere, welche möglicherweise eine Verschleierung des wahren Wohnorts – Turin – belegen. Gelingt die Beweisführung der Staatsanwaltschaft, könnte der Erbvertrag von Marella Agnelli als nichtig erklärt werden, und die Vererbung von Milliarden an die Enkel könnte zur Debatte stehen.
Profiteure wären die Steuerbehörden und die Agnelli-Tochter Margherita. Möglich ist, dass die Familie nach dem Trommelfeuer der Behörden schliesslich zu einem Deal Hand bietet und sich mit ein paar hundert Millionen freikauft.
Anhörung in Turin
Der Agnelli-Treuhänder von Grünigen nimmt keine Stellung. Die Anwälte der Familie weisen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück: «Bei der in diesen Tagen durchgeführten Beschlagnahme handelt es sich um einen Verfahrensschritt, der keine Feststellung der Verantwortlichkeit der Angeklagten impliziert.» Die von der Staatsanwaltschaft konstruierten Sachverhalte seien inakzeptabel und würden bestritten.
Am 2. Dezember geht der Streit in die nächste Runde, für dieses Datum ist eine Anhörung in Turin angesetzt. Dann müssen John Elkann und Testamentsvollstrecker von Grünigen aus dem Saanenland Fragen der Justiz beantworten.