Die beiden Firmen sind fast gleich alt, beide sind Familienunternehmen, ihre Namen klingen ähnlich. Und doch sind sie unterschiedlich, nicht nur wegen ihres Standorts: Kambly im idyllischen Trubschachen im Emmental, Wernli in Trimbach bei Olten.
Gleich schräg gegenüber dem Wernli-Fabrikladen werben das Studio Moonlight und das Solarium Judith um Klientel. Und auch hinter der Firmenfassade geht es in diesem Herbst bei Wernli heiss zu und her. Nach nur gut eineinhalb Jahren als Wernli-CEO verliess Peter Bigler das Unternehmen bereits wieder. Und dies ausgerechnet im Jahr des 100. Geburtstags der Firma, nachdem noch im August sogar Wirtschaftsminister Joseph Deiss bei den Guetzlibäckern auf Besuch gewesen war. Der schwelende Konflikt zwischen Bigler und dem Verwaltungsratsvertreter Michael Sarp führte zum Bruch. Man könne nicht über Nacht Wunder erwarten, lässt Bigler verlauten. Die Kultur habe nicht gepasst, heisst es von Sarp. Drei bisherige Geschäftsleitungsmitglieder sollen nun die Arbeit von Bigler übernehmen, Sarp sieht sich selber als Troubleshooter, und als Delegierter des Verwaltungsrates möchte er sich in nächster Zeit gut einen Tag pro Woche Zeit nehmen für die Firma. Da Sarp ausserdem die von Nordeck International Holding in Oberuzwil SG führt, hat der Ex-IWC-Manager eine volle Agenda.
Ganz anders bei Kambly. Dort kümmern sich die beiden Eigentümer Oscar und Ursula Kambly zweimal Vollzeit um die Firma. Und mit Anton von Weissenfluh amtet der langjährige Produktionsleiter seit 2001 als operativer Chef.
Die kleinen, feinen Kambly-Biskuits erfordern besonders viel Technik. Am Ende der langen Backstrasse heben drahtige Roboterarme die Guetzli in die Verpackungen – alles vollautomatisch. Könnte Kambly theoretisch also auch im Ausland produzieren? Nein, keinesfalls, sagt von Weissenfluh. Schliesslich verkaufe Kambly sich als Schweizer Spezialitätenhersteller mit höchstem Qualitätsanspruch. Und doch mussten sich die Emmentaler diesen Sommer in ganzseitigen Zeitungsinseraten für die Bretzeli-Preis-Unterschiede zwischen Inland und Ausland rechtfertigen.
Nach jahrelangem Wachstum büssten die Trubschacher in den vergangenen zwei Jahren in der Schweiz zwei Millionen Franken Umsatz ein. Mit Gesamtverkäufen von gut 155 Millionen Franken ist Kambly klar die Nummer eins, und im längerfristigen Vergleich ist der Erfolg der Emmentaler mehr als respektabel (siehe Tabelle auf Seite 56). Innerhalb der vergangenen zehn Jahre konnte Kambly ihren Umsatz mehr als verdoppeln, unter anderem auch dank der Übernahme der Coop-Fabrik Arni in Lyss. Zusätzlich legte Kambly beim Export regelmässig zu.
Anders Wernli: Die Solothurner sind froh, wenn die Lust auf ihre Biskuits nicht noch weiter abnimmt. Vor gut zehn Jahren war Wernli ganz klar die Nummer eins in der Schweiz, der Umsatz lag bei «weit über 100 Millionen Franken». Davon ist man derzeit ein grosses Stück entfernt. Der alte Werbespruch «Me het de Wernli eifach gernli» wurde zuletzt abgelöst durch das schlichte «Biscuits? Wernli!». Doch trotz aufwändigster Fernsehwerbung kauften im Jubiläumsjahr kaum mehr Schweizer eine Packung Wernli-Gebäck als 2004. Michael Sarp hat deshalb schon mal präventiv der Agentur den Werbevertrag aufgekündigt.
«Der kleine Genuss nach dem Kaffee oder zwischendurch ist zu einer absoluten Massenware geworden», sagt Werner Hug vom gleichnamigen Guetzlibäcker in Malters LU. Zwischen 30 und 80 Prozent der Käufe sind laut Hug aktionsgetrieben. Anders als die beiden Grossen vermeldeten die Luzerner im vergangenen Jahr das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Im Gegensatz zu den Kartonverpackungen der Confiserie-Guetzli-Hersteller Wernli und Kambly konzentriert sich Hug auf das typische Familienbiskuit im Beutel: Die harten Willisauer Ringli oder die Nussstengel brauchen keine schützende Verpackung. Gleichzeitig gibt es mehr Guetzli fürs Geld. Wie bei der Migros.
Mit seinen diversen Eigenmarken dominiert das orange M mittlerweile fast die Hälfte des ganzen Schweizer Biskuitmarktes. Konkurrent Coop fällt auf unter 27 Prozent Umsatzanteil zurück – vor einem Jahr waren es laut dem Marktforschungsunternehmen AC Nielsen noch fast 32 Prozent. Damit wird der Platz für die Schweizer Spezialitätenhersteller eng. Gleichzeitig forcieren die Basler sowohl Eigenmarken wie auch Prix Garantie und schränken so die Zahl der Preisaktionen für Fremdlieferanten ein. Vor fünf Jahren gab es beispielsweise bei Coop für Wernli 25 so genannte Hit-Aktionen, 2005 waren bloss noch 11 grossflächige Auftritte reserviert. Trotz Kosten von gut 150 000 Franken pro Aktion rentieren die Angebote auch für die Guetzliproduzenten.
Die Schweizer Konsumenten reagieren zwar auf Aktionen, doch gleichzeitig sind sie äusserst treu. Das Urprodukt Bretzeli etwa ist immer noch mit Vorsprung das meistverkaufte Biskuit der Traditionsmarke Kambly. Dies trotz den jährlich zwei oder drei Innovationen, die in Trubschachen aus Teig, Schokolade, Mandeln usw. gebacken werden. Der Geschmack der Biskuitliebhaber ändert sich nur in Nuancen. Keine einzige der neuen Kreationen schaffte es in der Schweiz in die Top Ten der verkauften Sorten.
Mit Abstand am beliebtesten ist und bleibt im Guetzlibereich aber nicht etwa ein Produkt von Kambly oder Wernli, sondern die schlichte Schoggiwaffel Kägi-fretli. Seit mehr als 60 Jahren werden die Waffeln im Toggenburg hergestellt, seit 30 Jahren sind sie die Nummer eins. «Der Trend geht klar weg von der Familienpackung und hin zu ‹Snack-Size›, also Einzelverpackung», beschreibt Kägi-Chef Beat Siegfried die Entwicklung. Zugleich forciert die Valora-Tochter den Export. Unter dem Namen «Toggi» werden die Waffeln bis in den Mittleren Osten geliefert. Rund ein Viertel des Kägi-Umsatzes stammt aus dem Ausland. Die Schweizer Biskuithersteller haben gar keine andere Wahl, als «klein und fein» zu sein. Gleichzeitig sind sie gezwungen, ihr Heil noch stärker in Exporten zu suchen.
Hier hat Kambly einen riesigen Vorsprung. Mehr als die Hälfte aller Biskuitspezialitäten landen bei ausländischen Geniessern. Dabei sei beispielsweise Frankreich nach all den Jahren der Geschäftsbeziehungen für Kambly schon fast ein Heimmarkt, wie es CEO Anton von Weissenfluh formuliert. Allerdings kommt Kambly nicht nur unter der eigenen Marke auf die Kaffeegedecke im Ausland – ein beachtlicher Teil der Exporte wird als Spezialitäten für fremde Handelsmarken gebacken. «Es sind nie dieselben Rezepturen und nie die gleichen Verpackungen», erläutert Anton von Weissenfluh die Strategie der Private Labels. Bis vor kurzem stellte Kambly auch Produkte für Aldi-Süd her. Laut dem Kambly-CEO wurde das Geschäft inzwischen gestoppt. Auch Aldi Schweiz werde aus strategischen Gründen nicht beliefert. «Aldi ist ein sehr schnelllebiger Kanal und wechselt die Produkte jeweils rasch aus», erläutert von Weissenfluh. Wernli liefert seine Biskuits unter eigenem Namen und zu günstigen Preisen an Aldi Schweiz. Aber auf Wernli hat niemand gewartet.
Da helfen auch die neuen Verpackungen mit noch mehr Swissness wenig. «Tradition Suisse» steht nun weiss auf rot unter dem Namen Wernli. Das Logo wird demjenigen von Kambly immer ähnlicher. «Unsere Konkurrenz heisst Migros und nicht Wernli», sagt Kambly-Chef Anton von Weissenfluh.
So bleibt den Trubschacher Tüftlern nichts anderes übrig, als immer wieder neue Versuchungen für die verwöhnten Guetzligaumen zu entwickeln – und das Ganze in der Confiseriesprache Französisch anzupreisen. Ingenieur Weissenfluh schwärmt unter anderem von der Kreation «Suprême de Noisette»: «Hauchdünne Haselnüsse, kombiniert mit Gianduja-Crème, und die wie von Hand hingemalte Schoggidekoration – das können nur wir», sagt er selbstbewusst. Die traditionellen Bretzeli heissen im Ausland «Crêpes fines». Aber nicht nur die Biskuits haben in Trubschachen französische Namen: Auch die Firma selber nennt sich vornehm Kambly SA Spécialités de Biscuits Suisses. Da ist Wernli vergleichsweise währschaft.