Lea von Bidder ist die berühmteste Gründerin der Schweiz, Anna Alex die bekannteste in Deutschland. Sie trafen sich zum offenen Gespräch.
Kann man gleichzeitig ein Startup und Kinder haben?
Alex: Ja, kann man. Wenn jetzt die dahinterstehende Frage ist, ob mein Ausstieg aus dem operativen Outfittery-Management etwas damit zu tun hat, dass ich ein Kind habe: Nein, das hatte nichts miteinander zu tun. Ich habe mir sogar überlegt, ob ich extra noch länger bleiben soll. Nur damit es nicht so aussieht.
Von Bidder: Danke, dass du dir das überlegt hast, im Namen aller Gründerinnen (lacht).
Was war denn der Grund für Ihren Ausstieg?
Alex: Für mich war es ein guter Zeitpunkt, mich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen, zudem bleibe ich ja weiterhin im Board und behalte meine Anteile. Wir haben in den letzten Jahren ein sehr starkes Management-Team aufgebaut. Heute haben wir super gute Leute, die viel Erfahrung mitbringen und ihre Sache besser draufhaben als ich. Meine Fähigkeiten sind im Pragmatischen, im Aufbauen, im Gestalten. Heute ist die Firma natürlich viel grösser strukturiert als zu Beginn, als Julia Bösch und ich auch mal selber Pakete schnürten. Deswegen habe ich gemeinsam mit Julia beschlossen, dass es für mich der richtige Schritt ist, das operative Kapitel zu beenden.
«Ich bin ein Fan von Quoten.»
Lea von Bidder
Mal ganz platt gefragt: Haben Frauen mehr "fear of failure"? Die Angst, dass man es total vermasseln könnte?
Alex: Vielleicht.
Von Bidder: Ich glaube nicht.
Hatten Sie persönlich je Angst, dass alles schiefgehen könnte und Sie Ihre Jungfirma an die Wand fahren könnten?
Alex: Nein.
Von Bidder: Ich auch nicht. Wir hatten beide nie Angst.
In der Welt der Grossfirmen glauben einige, dass Frauenquoten etwas bewirken könnten. In der Startup-Welt ist das wohl ein wenig taugliches Mittel, oder?
Von Bidder: Wie man weiss, bin ich ein Fan von Quoten. Das ändert zwar vorerst nichts an der Frage des Selbstbewusstseins, aber man bringt doch wenigstens ein Thema von oben in die ganze Firma runter. Und ich glaube auch, dass solche Quoten Startups helfen könnten.
Wie denn?
Von Bidder: In der Grundidee der Quoten geht es für mich weniger darum, dass man 20 oder 30 Prozent Frauen in Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungen bringt. Sondern es geht darum, dass sich das Thema durch die ganze Organisation zieht. Das hat einen wichtigen Effekt auf die Startup-Welt: Es wird mehr weibliche Vorbilder in Führungspositionen geben.
Alex: Das sehe ich genauso. Ich unterstütze die Quote, weil es Aufmerksamkeit bringt, nicht weil es Frauen nötig haben. Wobei: Ich kenne viele Frauen, die sagen, sie möchten keine Quotenfrau sein. Von solchem Denken muss man sich verabschieden.
Wären Sie selber gerne eine Quotenfrau?
Von Bidder: Ich hätte nur etwas gern: Wenn das Wort Quotenfrau aus unserem Wortschatz verschwinden könnte. Leider kenne ich das Thema persönlich sehr gut. Und ich möchte es jetzt auch einmal öffentlich ansprechen: Schon so viele Male wurde mir, vor allem auch von Medien, vorgeworfen, dass mein Engagement bei Ava nur zustande gekommen sei, weil ich eine Frau sei. Es gibt unzählige Leute, die mir das immer wieder anhängen wollen. Ich reagiere nicht besonders gut darauf, wenn jemand das versucht.
Alex: Das ist echt eine Unverschämtheit.
Kann man davon ausgehen, dass mehr Frauen an Firmenspitzen automatisch mehr Frauen nachziehen werden?
Alex: Nicht unbedingt. Meine einzige Erfahrung in einer Grossfirma hatte ich während eines dreimonatigen Praktikums in der Steuerabteilung einer grossen Wirtschaftsprüferin in Frankfurt. Ich hätte es keinen Tag länger ausgehalten. Unter anderem deshalb, weil ich sah, wie es in dieser Welt oft Frauen gibt, die andere Frauen zurückhalten. Sie sagen, die andere sei hübscher, jünger, was auch immer. Statt einander zu helfen, kommt es vor, dass sich Frauen gegenseitig runterziehen. Das muss sich ändern. Wenn jede Frau einmal pro Tag einer Kollegin hilft, etwas zu erreichen, dann ist schon viel getan. Dies als Aufruf an Frauen, die in einer grösseren Firma arbeiten.
Hatten Sie beim Unternehmens-Pitch auch schon Frauen auf Investorenseite gegenüber? Oder war das immer eine reine Boys-Zone?
Von Bidder: Wenn ich pitchen gehe, geben sich die Männer auf der Investorenseite Mühe, irgendeine Frau dabei zu haben. Sie nehmen Sekretärinnen oder Töchter mit, irgendeine Frau, die sie in irgendeinem Corner finden. Die sitzt dann einfach auch noch da. Mir wurde auch schon gesagt, es sei toll, was wir machen. Aber eigentlich müsste eine Frau in uns investieren. Dann wurden mir Frauen empfohlen, die gar nichts mit unserem Geschäft zu tun haben.
Was Ihnen gemeinsam ist: Beide haben Sie ein Startup zusammen mit einer Freundin gegründet. Das Projekt von Lea von Bidders Schokoladenfirma ist gescheitert, Outfittery läuft noch. Ist es empfehlenswert, mit einer Freundin zu gründen?
Von Bidder: Tatsächlich ging mein erstes Startup zu Ende, und das ist aus heutiger Sicht auch gut so. Bloss deswegen würde ich aber nicht ausschliessen, wieder mit einer Freundin zusammen zu gründen. Bei meinem jetzigen Startup-Team ist es aber anders. Wir haben uns wegen der Idee kennengelernt - und es funktioniert wunderbar. Dabei ist aber, was oft vergessen geht, auch die menschliche Seite sehr wichtig. Der Fakt, dass ich mich jetzt noch so gut mit meinen Mitgründern verstehe, ist super erfolgskritisch bei einem Startup.
Alex: Eine Mitgründerin oder ein Mitgründer ist wie ein Ehepartner. Auch da muss man lernen, für sich zu sorgen und alles auszusprechen, selbst wenn es wehtut.
Gab es bei Ihnen und Ihrer Mitgründerin oft Ehekrach?
Alex: Nicht sehr oft. Aber es gab durchaus Diskussionen, denn wir haben uns in den letzten Jahren mehr gesehen, als ich meinen Mann gesehen habe, und das inklusive Schlafzeit. Als Freunde zu gründen, ist nicht immer ein einfacher Weg. Man muss sehr offen und ehrlich zueinander sein, beispielsweise beim Thema Erwartungen aneinander. Und man muss lernen, Konflikte auszutragen.