Lea von Bidder ist die berühmteste Gründerin der Schweiz, Anna Alex die bekannteste in Deutschland. Sie trafen sich zum offenen Gespräch.
Welche Themen bestimmen Ihr Unternehmen in den nächsten drei bis vier Jahren?
Alex: Die Aufbauarbeit ist getan, jetzt geht es um weiteres Wachstum und weitere Märkte. Ein grosses Thema ist auch die ständige Optimierung unserer Daten.
Welches sind die wichtigsten Kennzahlen in Ihrem Business?
Alex: Mir persönlich am wichtigsten ist der sogenannte Net Promoter Score. Er zeigt auf, wie glücklich unsere Kunden mit dem Service sind, den wir bieten. Es ist wichtig, dass uns die Kunden weiterempfehlen. Da ist es natürlich ein Highlight, wenn Kunden unsere Pakete in ihr Büro zugestellt erhalten und dort eine Modenschau veranstalten. Es ist schön zu sehen, wenn ganze Büros von McKinsey Boxen bei uns bestellen.
Von Bidder: Bei uns gibt es eine ausschlaggebende Kennzahl: Anzahl Babys! Nach wie vor freuen wir uns über jede Kundin, wenn wir von einer neuen Schwangerschaft erfahren.
Wird Ava von einer Firma, die Babys ermöglicht, irgendwann auch zum Verhütungsmodell?
Von Bidder: Ja, dieselbe Kundin möchte je nach Lebensabschnitt oft beides.
Bei einem reifen Startup wie Outfittery ist die Profitabilität nicht der ausschlaggebende Faktor bezüglich Kennzahlen?
Alex: Ob da ein Monat schwarz oder rot ist, ist wichtig. Aber es ist nicht das Hauptaugenmerk.
«Trommeln kannst du nur, wenn du keine Angst hast, dass es schiefgeht.»
Lea von Bidder
Gemäss den letzten verfügbaren Zahlen ist Outfittery immer noch ein Money Burner. 2016 resultierte aus einem Nettoumsatz von 23 Millionen Euro nach Retouren, Rabatten und Wareneinsatz ein Verlust von 15 Millionen.
Von Bidder: Gebt ihr eure Zahlen raus?
Alex: Eigentlich nein. Doch im deutschen Bundesanzeiger müssen wir zwei Jahre rückwirkend den Jahresabschluss veröffentlichen. Wir hatten Ende 2017 unseren ersten profitablen Monat.
War der profitable Monat der Dezember?
Alex: Nein, der November.
Und Dezember war wieder rot?
Alex: Dazu kann ich leider nichts sagen.
Hat da also eine Trendwende eingesetzt?
Alex: Unsere operative Effizienz ist deutlich besser geworden. Wir konnten 2017 beweisen, dass wir profitabel sein können. 2018 konzentrieren wir uns auf beschleunigtes Wachstum und werden parallel weiterhin daran arbeiten, die operative Effizienz zu steigern.
Ist nach sieben Jahren Outfittery-Geschichte der Exit-Gedanke da?
Alex: Nein, das ist kein Thema. Wenn ich sehe, dass eine aktuelle Studie von McKinsey und Business of Fashion Personalisierung als Nummer-eins-Trend im Modemarkt bewertet, dann sagt mir das: Jetzt geht es erst richtig los.
Und Ihre Investoren sehen das auch so?
Alex: Unsere Investoren sind nicht nur auf schnellen Erfolg aus, sondern sie wollen zusammen mit uns eine ganze Industrie auf den Kopf stellen. Viele Offliner in der Modebranche wissen nicht, wohin mit sich. Wir sind da sehr gut positioniert.
«Grundlegend ändern sich solche Dinge über Generationen hinweg.»
Anna Alex
Offline-Vertrieb, eventuell mit eigenen Läden, ist definitiv kein Thema für Outfittery?
Alex: Punktuell mit unseren Showrooms in Berlin und Zürich oder auch mal mit einem Pop-up-Shop. Aber zurzeit nicht in grösserem Masse.
Trotzdem: Nach acht bis zehn Jahren einer erfolgreichen Startup-Story streben die Investoren in der Regel den Exit an.
Alex: Es wäre Quatsch, sich an irgendeinem Standardmodell orientieren zu wollen. Firmen und Märkte haben ihren eigenen Puls. Investoren, die das verstehen, bringen keinen unnatürlichen Druck rein.
Von Bidder: Ich sehe das ähnlich. Je nach Investor ist das unterschiedlich. Wobei: In San Francisco sind zehn Jahre echt das absolute Maximum. Man denkt dort schon ein wenig anders. Ein Exit nach 18 Monaten wird hier nicht so sehr gefeiert wie im Silicon Valley. Persönlich finde ich es schön, etwas aufzubauen; das schuldet man auch seinem Team. Wir fühlen uns, als wären wir noch ganz am Anfang, wir haben viel vor.
In welche Startups und welche Branchen würden Sie aktuell investieren?
Von Bidder: Ich habe gerade gestern eine Anfrage an einen Female-Femtech-Fonds geschickt. Ich schaue mir nur Firmen an, die ich verstehe. In unserer Industrie gibt es ein paar Firmen, die ich cool finde.
Können Sie das etwas konkreter sagen?
Von Bidder: Ich glaube, Sie wollen das lieber nicht abdrucken. Aber wenn Sie es schon genau wissen wollen: Alle Startups, die an Menstruationsblutdiagnostik arbeiten, finde ich sehr spannend. Ich habe die nötigen Investitions-Millionen zwar nicht, aber solche Unternehmen würde ich mir auf jeden Fall genauer anschauen.
Statt Sie mit einer vierten These zu quälen, möchten wir um einen kleinen Ausblick bitten: Wie geht es weiter in der noch kleinen Welt der Tech-Gründerinnen?
Alex: Während meiner Schwangerschaft überlegte ich, ob ich mir lieber ein Mädchen oder einen Jungen wünschen sollte. Am Anfang dachte ich Junge, schwenkte dann aber auf Mädchen um: Weil es eine tolle Zeit ist für uns Frauen heute. Ich bin positiv gestimmt, dass sich da was ändern wird. Es braucht Aufmerksamkeit, aber wir kriegen das hin.
Von Bidder: Leider teile ich deinen Enthusiasmus nicht. Die Dinge entwickeln sich super langsam. Vor zehn Jahren schrieb ich meine Maturaarbeit über Frauenquoten in Verwaltungsräten - und es hat sich nur sehr wenig geändert seither. Damals gab es keine weiblichen CEO in SMI, heute immer noch nicht. Meine Mutter teilte immer schon mein Interesse für Frauenthemen. Sie sagte stets, dass es für ihre Generation schwierig gewesen sei, aber wenn ich dann gross sei, werde es anders sein. Besser.
Jetzt sind Sie gross.
Von Bidder: Ja, aber geändert hat sich wenig. Wird es besser sein, wenn die Kinder meiner Freundinnen dereinst gross sind? Ja, vielleicht. Aber gross anders kaum.
Alex: Grundlegend ändern sich solche Dinge nur über Generationen hinweg.
Von Bidder: Ich glaube, deine Tochter wird auch mit dreissig noch über das Thema diskutieren. Vielleicht fliessen dann 7 Prozent aller Venture-Gelder in frauengeführte Firmen und nicht mehr nur 2. Aber viel ist das noch immer nicht. Das ganze Thema ärgert mich. Weil ich keine Lösung habe. Und weil es so komplex ist. Und weil sich so wenig bewegt. Sorry für den pessimistischen Abschluss.