Der Prozess gegen Pierin Vincenz und Beat Stocker steht 2021 an. Die Liste der Vorwürfe ist lang. Wofür die beiden Ex-Manager vor Gericht stehen.
Der Fall Investnet
Raiffeisen steigt vor zehn Jahren ins Beteiligungsgeschäft mit KMU-Nachfolgeregelungen ein. Dazu gründet die Bank KMU Capital. Die Tochter soll sich mit Eigenkapital an KMU beteiligen, die Unternehmen weiterentwickeln und gewinnbringend veräussern.
Doch die Umsetzung harzt. Der Bank fehlt das Know-how. Umgekehrt verhält es sich mit Investnet. Ihre Mitgründer Peter Wüst und Andreas Etter haben das KMU-Netzwerk und Finanzierungskompetenz, aber es mangelt ihnen an Kapital. Sie suchen deshalb den Kontakt zu Banken.
Da Wüst und Vincenz sich seit längerem kennen, bahnt sich im Verlaufe des Jahres 2011 in verschiedenen Gesprächen eine noch nicht definierte Zusammenarbeit zwischen Investnet und KMU Capital an. Fest steht nur: Die Banktochter soll einige Jahre vom Know-how von Investnet profitieren und deren Gründern danach einen Exit ermöglichen.
Externes Gutachten: Verträge unausgewogen und zu riskant
Doch auch im Fall Investnet sollen Vincenz und Stocker nicht in erster Linie die Interessen der Bank verfolgen, sondern vor allem ihre eigenen So soll Stocker auf eine stille Partnerschaft bei Investnet drängen, von der indirekt auch der Raiffeisen-Chef profitieren würde.
Entsprechend treibt dieser das Geschäft voran, wobei nun eine Kreuzbeteiligung zwischen KMU Capital und Investnet geplant ist. Dabei postuliert Vincenz das Aktientauschverhältnis und spricht sich für eine Put-Option aus. Jene Put-Option sieht vor, dass Etter und Wüst ihre Anteile gemäss einer vordefinierten Bewertungsformel nach einer Haltedauer der Raiffeisen andienen können.
Ein externes Gutachten kommt jedoch zum Schluss, die Verträge seien zulasten der Raiffeisen unausgewogen und riskant. Doch Vincenz drückt auf den Deal: Falls die Bewertung nicht funktioniere, könne man mit den Minderheitsaktionären ja wieder «zusammenhocken».
Jedenfalls winkt der Raiffeisen-VR im Frühjahr 2012 die Investnet-Beteiligung durch, wobei die Put-Option in der Präsentation gar nicht erwähnt wird. Praktisch zeitgleich lassen sich Stocker und Vincenz – auf Kosten der Raiffeisen – von einer Anwaltskanzlei beraten, und zwar im Hinblick auf ihre eigene verdeckte Beteiligung am Private-Equity-Vehikel.
Geheimer Treuhandvertrag
Schliesslich unterzeichnet Stocker einen geheimen Treuhandvertrag mit Wüst und Etter. Fortan hält er 13,3 Prozent an KMU Capital / Investnet. Bereits eineinhalb Jahre später generiert die Formel aus Sicht der Raiffeisen-Fachleute eine unsinnig hohe Bewertung.
Die Bank drängt zu Neuverhandlungen. Schliesslich einigt man sich mit Wüst und Etter, die «Phase 1» zu beenden. Der Exit ist lukrativ. Die Investnet-Gründer sollen für ihre Minderheitsanteile, über Zeit gestaffelt, bis zu 100 Millionen Franken erhalten.
Die erste Tranche von 20 Millionen Franken überweist die Raiffeisen 2015. Ein Drittel davon fliesst eilends weiter an Stocker beziehungsweise Vincenz. Insgesamt sollen es über 12 Millionen Franken gewesen sein.