Der E-Auto-Hersteller hat mit 400 Milliarden Dollar eine gigantische Börsenbewertung. Ist Gründer Elon Musk ein Messias oder ein Blender?
Was für Tesla spricht: Die Pro-Argumente
1.Tesla kann flexibler agieren als grosse Autokonzerne
Tesla ist noch ein relativ junges Unternehmen und nicht so ein grosser Tanker wie Toyota, Volkswagen, GM oder Daimler. Beim deutschen VW-Konzern – dem ambitioniertesten E-Auto- Konzern in Europa – sind beispielsweise die Familien Porsche und Piëch beteiligt, aber auch das Bundesland Niedersachsen verfügt über eine Sperrminorität beim Konzern aus Wolfsburg. Das erschwert viele Entscheidungen. Bei Tesla hingegen kann Gründer und Chef Elon Musk beinahe im Alleingang entschei- den, welche Richtung das Unternehmen aus Kalifornien ein- schlagen soll. Damit lassen sich neue Ideen schneller umsetzen. Musk probiert aus und schaut, wie der Kunde reagiert.
2.Tesla bietet das beste Marketing
Tesla beherrscht das Marketing rund um seine Produkte wie nur wenige andere Unternehmen. Auf Youtube, Social Media oder in den klassischen Medien gelingt es Tesla immer wieder, für Aufsehen zu sorgen – nicht zuletzt auch wegen des charismatischen Chefs Elon Musk. Er bringt Tesla ständig ins Gespräch – weltweit, sei es mit grossen Ankündigungen oder mit überraschenden Präsentationen, beispielsweise des Cybertrucks: Dort wird sogar eine eingeschlagene Scheibe zur Show. Die grossen Visionen lassen sich gut erzählen und sind ein gefundenes Fressen für die Medien. Immer und immer wieder. Zudem hat Tesla eine sehr eingeschworene Fangemeinde – wie etwa auch Apple. Das Unternehmen hat nicht nur Käufer, sondern Fans, welche die Marke nahezu verehren. Und das Bei- spiel von Apple zeigt, dass man auf dieser Basis höhere Preise verlangen kann, während die Kunden trotzdem eine grössere Fehlertoleranz gewähren.
3.Tesla baut nicht nur Autos, sondern schafft Welten
In Sachen Technologie, Reichweite und autonomes Fahren reicht zurzeit kein anderer Hersteller Tesla das Wasser. Der Elektroautobauer aus den USA unterscheidet sich in der Herstellung seiner Autos grundsätzlich von anderen Produzenten – vor allem bei der Software. Es wird nicht erst ein Auto gebaut und dann die Software integriert, sondern umgekehrt. Die Programme sind fast die wichtigsten Bestandteile der Gefährte. Die Software wird bei Tesla nicht wie bei anderen Herstellern von Externen gekauft, sondern das meiste wird selbst entwickelt. Damit kann Tesla die Komplexität und Fehleranfälligkeit tief halten. Hinzu kommt: Elon Musk will mit Tesla nicht nur ein Produkt herstellen – also ein Ding mit vier Rädern –, sondern schafft eine ganze Welt drum herum: Upgrades, Aufladestationen, Entertainment, Versicherungen. Dabei ist alles ständig mit- einander vernetzt und Tesla kann jederzeit «Over the Air»- Updates machen.
4. Anleger sehen Tesla als Tech-Firma
Einer der wichtigsten Gründe, weshalb der Tesla-Aktienkurs in den vergangenen Monaten so drastisch durch die Decke geschossen ist: Tesla ist aus Sicht vieler Investoren eine Tech- Bude und kein klassischer Autohersteller. Das Unternehmen baut Autos wie eine Software, nicht wie eine Hardware; es ent- wickelt ständig Updates, neue Features und Funktionen. Das iPhone auf Rädern sozusagen. Das ist ein neuer Ansatz, der von den Anlegern belohnt wird und sich wesentlich von der herkömmlichen Autoindustrie unterscheidet. Dort nämlich kauft man sich zu einem Zeitpunkt X ein Automodell, das während der ganzen Zeit der Benutzung mehr oder weniger gleich bleibt. Andere Autohersteller werden ebenfalls weiter Autos bauen – mit Elektromotor. Aber die wenigsten werden eine Soft- ware bieten können, die so gut ist wie bei Tesla. Deshalb hat Tesla den Drive der anderen Tech-Firmen, deren Aktienkurse ebenfalls in neue Höhen geschnellt sind, mitnehmen können.
5. Tesla revolutioniert die Branche wie Henry Ford
Elon Musk geriert sich auch als Erschaffer neuer industrieller Prozesse. So wird er die Fahrzeugkarosserie künftig nur noch aus wenigen Teilen und aus Aluguss fertigen. Dafür liess Tesla eine Druckgussmaschine patentieren, die in den Gigafactorys zum Einsatz kommt. Die Anzahl der Karosserieteile für das Model Y reduziert sich damit von 70 auf 4 Teile. Mit diesem neuen Ansatz senkt es die Kosten seiner Produktion und kann die Einsparungen an die Kunden weitergeben oder die Rentabilität steigern. Einige Experten erachten diese neue Vorgehens- weise sogar als so revolutionär wie einst die Einführung des Fliessbands von Henry Ford bei der Autoproduktion. Wenn es Musk gelingt, diese Einsparungen auf den Preis eines Tesla zu übertragen, wird das Auto für viele erschwinglicher.
6. Der Kunde steht bei Tesla im Zentrum
Haben Sie je schon mal eine Anzeige in der Zeitung oder einen Fernsehspot von Tesla gesehen? Wohl kaum. Der Autohersteller aus Kalifornien vertraut bei der Werbung für seine Vehikel eher auf Algorithmen und Newsletter als auf kantige Sprüche und schöne Bilder von Küstenfahrten. Tesla kommuniziert vor allem über die Website und seine Shops – auch darin ähnlich wie Apple. Tesla vertraut auf mündige, digitalaffine Kunden, die sich beim Autokauf selber durch die Website navigieren können: Tesla ist ein Automobil, das man online kauft – so wie ein Smart- phone. Der Kunde fügt die Features hinzu, macht eine Anzahlung und holt das Auto ab. Fertig. Es gibt keine Zwischenhändler, keine Rabatte, kein Tamtam mit Garagisten. Es gibt nur das Produkt und den Käufer. Damit die Kunden mehr Features kaufen, erhalten sie in Newslettern regelmässig Angebote und können dort mit wenigen Klicks neue Pakete hinzufügen.
7. Ohne Verbrennungsmotor ist das Leben leichter
Ein Tesla läuft mit einer Batterie und nicht mit einem Verbrennungsmotor. Diese Antriebstechnik benötigt viel weniger Teile pro Elektrofahrzeug, als ein herkömmlicher Benziner hat. Diese Einfachheit reduziert die Kosten und steigert das Know- how von Tesla über Batterietechnologie. Tesla strebt an, die gesamte Produktionskette der Batterien zu kontrollieren und da- mit die Gesamtkosten möglichst tief zu halten. Andere Autohersteller müssen sich dieses Know-how erst noch aufbauen, weil sie später damit angefangen haben. Derweil arbeitet Tesla weiter an besonders günstigen Batterien. Musk fokussiert die Produktion von günstigen Batterien, um Elektroautos im Preis konkurrenzfähiger zu Benzinautos zu machen, dies dauert aber noch ein paar Jahre. Neue Akkus möchte Tesla zusammen mit dem chinesischen Batteriehersteller Catl entwickeln. Dort legen sie einen Fokus auf Batterien, die ohne teures Kobalt auskom- men. Sie sollen bis zu einer Million Meilen kommen und auch als Speicher dienen können. Wenn das gelingt, können Elektro- autos bald günstiger als Benziner werden. Vor allem wenn die Stückzahl steigt.
8.Tesla baut seine Fabriken in Rekordzeit
Tesla baut eine Fabrik fast noch schneller als die Chinesen ein Krankenhaus in der Corona-Pandemie. So betrug die Bau- zeit für die Gigafactory in Schanghai nicht mal ein Jahr. Bei den anderen Autobauern scheint das nicht so schnell zu klappen. Daimler benötigte für seine Factory 56 in Sindelfingen rund 30 Monate. Die BMW-Fabrik in Leipzig rund 36 Monate. Das liegt vor allem daran, dass Tesla rasch Entscheide fällt – natürlich pri- mär durch Elon Musk. Er übernimmt dann aber auch das Risiko, wenn etwas schiefläuft. Nur bei der Tesla-Factory in Grüneheide bei Berlin mitten in Deutschland scheint es nicht so schnell zu gehen. Umweltschützer machen Tesla das Leben schwer, der Bau könnte sich verzögern.