Der E-Auto-Hersteller hat mit 400 Milliarden Dollar eine gigantische Börsenbewertung. Ist Gründer Elon Musk ein Messias oder ein Blender?
Was gegen Tesla spricht: Die Contra-Argumente
1. Teslas Kurs-Rally ist völlig übertrieben
Die Tesla-Aktie hat seit Jahresbeginn um gut 400 Prozent zugelegt. Mit Blick auf Gewinnentwicklung, Marktanteil sowie Auslieferungszahlen von Fahrzeugen erscheint das völlig über- trieben. Der Kurswert impliziert, dass die Firma ihre Produktion nun stetig und gigantisch hochfahren kann. Wie entrückt die Lage ist, zeigt eine Berechnung, die der Hedgefonds-Manager Michael Burry («The Big Short») vorgelegt hat: Der gesamte Umsatz von Tesla entspricht etwa einem Viertel der Betriebs- gewinne aller restlichen Autokonzerne, aber sein Börsenwert beträgt gut 400 Milliarden Dollar – während alle anderen zusammen auf nur 835 Milliarden kommen. Anders formuliert: Musks Firma ist mehr wert als die gesamte deutsche Automobilindustrie zusammen (siehe Grafik unten rechts). Der Aktienkurs ist von Euphorie getragen. Der Aktiensplit kürzlich liess den Wert der Aktie nochmals springen, obschon dies null Folgen für den Wert einer Aktie hat. In den S&P-500-Index wird Tesla nicht auf- genommen; dies hat den Kursanstieg etwas gedämpft.
2. Teslas haben eine schlechte Verarbeitungsqualität
Tesla-Fahrzeuge fallen durch eine schlechte Verarbeitungsqualität auf. Die US-Firma J. D. Power wertete die Beschwerden von Besitzern neuer Wagen aus: Tesla landete auf dem letzten Platz. Das ist überraschend, weil die Fahrzeuge von Tesla nicht billig sind. Die Mängel bei den Teslas beziehen sich etwa auf die Türen beim Model X. Ebenso betroffen sind bei Tesla-Modellen der Lack und Karosserieteile, die schlecht verbaut wurden, fer- ner werden Windgeräusche beim Fahren moniert. Ausserdem auf der Mängelliste: Kofferraumdeckel, die sich nicht gut öffnen lassen. Sogar sicherheitsrelevante Aspekte wurden vorgebracht, etwa die Gurtschlösser. Klar, auch andere Fahrzeughersteller haben Qualitätsmängel, doch dass Tesla auf dem letzten Rang der Untersuchung landete, zeigt die Wachstumsschmerzen.
3. Firmenchef Elon Musk verzettelt sich
Elon Musk tanzt gerne auf vielen Hochzeiten gleichzeitig. Er gilt als euphorisches Marketingtalent, das seine neuen Ideen besonders gut anpreist. Allerdings macht Musk zu viele verschiedene Projekte gleichzeitig. Sein Aktivismus reicht vom Bau von Elektrofahrzeugen über sein Tunnelprojekt und Flüge in den Weltraum bis hin zu skurrilen Projekten wie dem Bau eines Flammenwerfers. Denn eine Sache macht er grossartig: Er verkauft Fantasie. Er entwickelt Produkte, die unseren Science-Fiction-Vorstellungen entsprechen. Das bedeutet: Wirklich fokussiert ist Musk nicht. Er wird sich langfristig verzetteln. Das gilt umso mehr für eine Zeit, in der er seine Autoproduktion stärker skalieren muss, um auch mit den etablierten Autokonzernen mithalten zu können, die in Sachen E-Mobilität zunehmend stärker werden.
4. Die Konkurrenz holt auf und drückt Tesla an die Wand
Volkswagen will Tesla spätestens im Jahr 2023 überholt haben – und ab dann deutlich mehr E-Autos auf den Markt bringen. Die Amerikaner können noch so viele «Gigafactorys» bauen: Je mehr der deutsche Konzern seine ungleich grösseren Kapazitäten um- rüstet, desto eher kann er auch günstigere E-Modelle anbieten. Ein Beispiel: Elon Musks Fabrik bei Schanghai ist in der Lage, jährlich rund 150 000 Teslas vom Typ Model 3 zu bauen. Derweil stellen allein die chinesischen Fabriken des Volkswagen-Kon- zerns gut 1,5 Millionen Autos her. Um seine Grösse voll auszu- spielen, erarbeitet Volkswagen nun einen «modularen Elektro- baukasten», aus dem verschiedenste Modelle für die Marken VW, Audi, Seat und Škoda gebaut werden. Innerhalb der kom- menden zwei Jahre will der Konzern 27 solcher sogenannten MEB-Modelle anbieten – und in einigen Jahren sollen es 70 sein, vom E-Sportwagen bis zum E-Bus. VW steht nicht alleine: Es ist nur ein Beispiel für einen Konzern, der in den nächsten Jahren mit Wucht ins E-Massengeschäft drängt. Viele andere Hersteller verfolgen eine ähnliche Strategie. Tesla kündigt zwar ein 25 000-Dollar-Auto bis 2023 an, andere Hersteller könnten dies aber bald unterbieten.
5. Tesla hat nur wenige Produktionsstandorte
Tesla hat zwar eigene Fabriken, aber sie sind nicht so global verteilt wie bei anderen Autoherstellern. So fertigt Tesla Model S, X und 3 in der Stadt Fremont im US-Bundesstaat Kalifornien. Das Model 3 wird ausserdem in Schanghai hergestellt. Bei ihm mussten besonders die Kunden in Europa sehr lange auf die Auslieferung warten, denn die Autos wurden mit Schiffen transportiert. Nahe am Kunden zu sein, sieht anders aus. Immerhin: Die neue Fabrik in Brandenburg – in der ab nächstem Jahr die Modelle 3 und das SUV-Modell Y gebaut werden sollen – bietet dereinst auch einen Fuss in Europa.
6. Tesla verliert seinen Sonderstatus
Die Autos mit dem T signalisieren Umbruch, modernste Technologie, Ökologie, Disruption – ein neues Zeitalter. Doch je breiter die Konkurrenz wird, desto schwerer lässt sich etwa ein Tesla Model 3 als etwas Besonderes anpreisen: Er ist weder ein Luxusgefährt, mit dem man sich in einer Liga mit Mercedes- oder Bentley-Fahrern fühlt, noch lässt er bei Sportwagenpiloten irgendwelche Saiten anklingen, noch ist es ein unauffälliger Mittelklassewagen für preisbewusste Alltagsfahrer. Das ist 2020 kein Problem. Aber wenn dereinst jeder Autokonzern eine Palette von Elektro- und Ökofahrzeugen für Menschen aller Art anbietet, schrumpft die Unique Selling Proposition der Firma Musk. So kann der Cybertruck auch als Versuch gelten, Teslas Einmaligkeit vor der anrollenden Konkurrenz zu retten. Je mehr andere Autohersteller aufholen in Sachen E-Mobilität, desto schneller verschwindet Teslas Sonderstatus. Der VW ID.3 sowie Fords Mustang-Mach-E-Modelle, aber auch Hyundais Ioniq oder der Bolt von GM sind bedeutende Gegenspieler von Tesla.
7. Bei den Batterien gibt es einen Engpass
Die Achillesferse von Tesla sind die Batterien. Sie sind die teuerste Komponente im E-Auto. Teslas Wachstum wird vor allem durch die Einschränkung bei den Preisen für Batterien gehemmt. Musk möchte das zwar ändern, ist aber immer noch auf den Partner Panasonic angewiesen. Die beiden Unternehmen betreiben zusammen ein Batteriewerk. Panasonic stellt die Zel- len her, Tesla reiht Tausende von Zellen in die massiven Batterie- pakete der Autos ein. Musk möchte sich von diesem Lieferanten lösen. Diese Unabhängigkeit wird aber nicht so schnell vonstat- tengehen. Tesla hat auch Verträge mit Catl in der chinesischen Provinz Fujian und mit LG Chem in Seoul. Derweil rüsten andere Autohersteller – etwa GM – ihre eigene Batterieproduktion im- mer weiter auf und bringen Tesla unter Druck. Laut «Economist» gibt es mehr als 250 Firmen weltweit, die E-Motoren herstellen. Zudem sind 47 Batteriefabriken gebaut oder geplant.
8. Die Robo-Taxis kommen immer noch nicht
Gern kündigte Elon Musk viele Robo-Taxis an: Allein sollen die selbstfahrenden Teslas über die Strassen kurven. Diese Perspektive war eine Besonderheit des Tesla-Versprechens. Ur- sprünglich sollten es bis Ende 2020 bis zu einer Million Robo-Taxis sein. Doch da hat Musk überverkauft. Und: Viele der von Tesla offerierten Features zum Thema selbstfahrende Autos sind in manchen Ländern gar nicht erlaubt. Und in den Prototypen funktionieren sie nicht einwandfrei, sodass sich niemand von einem Tesla vollständig selbstfahrend durch die Gegend kut- schieren lassen sollte: Der Autopilot ist noch nicht ausgereift.