Geschlossene Restaurants, Cafés und Läden haben auch bei den Nahrungsmittelkonzernen Spuren hinterlassen: So brachen die Verkäufe von Wasser und Schokolade ein. In diesem Umfeld sticht Nestlé mit solidem Wachstum hervor. Laut Experten kommt dem Konzern seine breite Aufstellung zugute.
Nestlé hat sich bislang deutlich besser geschlagen als seine Rivalen. Während der weltgrösste Nahrungsmittelhersteller in der ersten Jahreshälfte organisch um 2,8 Prozent wuchs, gingen die Umsätze bei der französischen Danone um 1,1 Prozent zurück.
Beim niederländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever traten die Umsätze mit -0,1 Prozent insgesamt mehr oder weniger auf der Stelle. Hier stabilisierte das Körper- und Haushaltspflegegeschäft, während das Lebensmittelgeschäft um 1,7 Prozent nachgab. Für das Gesamtjahr haben sowohl Unilever als auch Danone ihre Prognosen zurückgezogen, Nestlé hingegen hält an einer konkreten Wachstumsprognose fürs Gesamtjahr fest - wenn die Prognose zusammen mit den am Vortag publizierten Semesterzahlen auch etwas gesenkt wurde.
Flaschenwasser unter Druck
Grundsätzlich zählen Lebensmittelkonzerne zu den krisenfesteren Unternehmen in der aktuellen Coronapandemie. Gegessen und getrunken wird auch während eines Lockdowns. Doch während manche Produkte in der Krise sogar gefragter sind, wird auf andere verzichtet. Und auch die Verkaufskanäle machen einen grossen Unterschied.
So brach etwa wegen des Lockdowns das Ausser-Haus-Geschäft ein. Aufgrund geschlossener Restaurants und fehlender Impulskäufe unterwegs wurde deutlich weniger Mineralwasser und Schokolade verkauft. So brachen bei Danone etwa die Verkäufe mit Wassermarken wie Volvic oder Evian im ersten Halbjahr organisch um fast ein Fünftel ein. Nestlé hielt sich zwar besser, doch auch beim Westschweizer Konzern mit Marken wie Pure Life, S.Pellegrino oder Perrier gingen die Umsätze um rund 10 Prozent zurück.
Die Marken von Danone waren dabei stärker vom Rückgang der Impulskäufe an Flughäfen und Bahnhöfen betroffen. Dazu kommt: Bei Danone fällt der Einbruch bei einem Umsatzanteil des Wassers von noch 18 Prozent im Vorjahr deutlich stärker ins Gewicht als bei Nestlé mit gut 8 Prozent. «Die breite Aufstellung von Nestlé ist ein Vorteil in der Krise», sagt ZKB-Analyst Patrik Schwendimann.
Katzen- und Hundefutter hoch im Kurs
Kompensieren konnte Nestlé den Einbruch beim Wasser unter anderem mit Tierfutter: Dieses behauptete sich bei dem Konzern einmal mehr als der wichtigste Wachstumstreiber. Mit einem Plus von 12,5 Prozent liess es alle anderen Kategorien mit grossem Abstand hinter sich. «Das ist ein Phänomen», sagt Schwendimann. Hunde und Katzen seien bei Familien sehr beliebt, und hier werde in der Krise nicht gespart. Allerdings habe nicht nur das Tierfutter Nestlé geholfen.
Auch Milch- und Fertigprodukte waren stark gefragt. Während das Tierfutter schon vor dem Lockdown im mittleren bis hohen einstelligen Bereich gewachsen sei, hätten die Fertigprodukte nun klar über dem historischen Schnitt zugelegt, sagt Andreas von Arx von Baader Helvea. «Meiner Meinung nach macht das Nestlé-Management strategisch einen besseren Job als die Konkurrenten, ein Teil des Erfolgs kommt aber auch von den weniger stark betroffenen Kategorien.»
Bewährt hätten sich zudem in der Krise starke Marken, sagt Schwendimann von der ZKB weiter. In der Krise setzten die Konsumenten eher auf bewährte Namen. Die Newcomer, die etwa in den USA den Grossen zuletzt Markanteile abgeknöpft hätten, seien hier und da eher Verlierer der Krise. Allerdings sei das umgekehrt kein Selbstläufer für grosse Konzerne: «Die Marken muss man auch pflegen.» Das habe Nestlé getan. Es zahle sich aus, dass der Konzern eine langfristige Geschäftspolitik und keinen reinen Margenfokus verfolgt.
Schwellenländer stärker betroffen
Daneben erklärt zudem auch die regionale Ausrichtung Unterschiede zwischen den Nahrungsmittelkonzernen: Unilever etwa ist mit einem Anteil von rund 60 Prozent deutlich stärker in den aufstrebenden Märkten vertreten als Nestlé mit über 40 Prozent. Dort litt das Geschäft aber deutlich stärker.
«Der Einfluss einer Rezession und tiefere Rohstoffpreise dürfte riesig auf Konsumenten in diesen Ländern sein», schrieb etwa das Investmenthaus Bryan, Garnier & Co. in einer Anfang Juli veröffentlichten Analyse zum Nahrungsmittelsektor. In den Industriestaaten dagegen kurbelten zu Jahresbeginn Hamsterkäufe das Geschäft noch zusätzlich an.
(awp/dhü)