690 Milliarden Franken: Für Normalbürger ist die Zahl kaum vorstellbar. Doch für das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ist die riesige Bilanzsumme ein alltäglicher Begleiter. In den vergangenen Jahren hat die Notenbank zur Schwächung des Frankens für Hunderte Milliarden Aktien und Anleihen in Euro und Dollar gekauft und gehört damit weltweit zu den grössten Investoren. Diese Wertpapiere - darunter Staatsanleihen und Beteiligungen an Grosskonzernen wie GE, Microsoft, Pfizer oder Apple - machen den Grossteil der Bilanz aus.

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Experten warnen vor Risiken

Und ein Ende der Käufe ist nicht in Sicht: Denn der Franken gilt bei verunsicherten Investoren nach wie vor als sicherer Hafen - wie erst jüngst wieder die Börsenturbulenzen rund um das überraschende Brexit-Votum zeigten. Die SNB musste rund um die Entscheidung der Briten zum Ausstieg aus der EU in nur zwei Wochen elf Milliarden Franken in die Hand nehmen, um einen neuerlichen Höhenflug der Landeswährung zu verhindern. Doch Experten und die Notenbank selbst warnen vor den Risiken der stetig wachsenden Bilanz. Und einige Marktteilnehmer fragen sich, wie lange die SNB diesen Kurs noch beibehalten kann.

Problematisch wäre für die Zentralbank aus Sicht von Experten ein Wertverlust ihrer Anlagen - etwa durch Turbulenzen an den Finanzmärkten. «Wenn die drei Hauptkomponenten - Euro, Dollar und Gold - zehn Prozent an Wert verlieren, dann hätte die Nationalbank einen Verlust von 60 Milliarden Franken», sagte Jürg Mettler, Devisenspezialist bei der Privatbank Julius Bär. Die SNB hielt zuletzt gut 40 Prozent ihrer Devisenreserven in Euro und ein gutes Drittel in Dollar.

Kursschwankungen hinterlassen Spuren

Die Auswirkungen von starken Kursschwankungen hat die SNB bereits zu spüren bekommen. Im ersten Halbjahr 2015 führte die sprunghafte Franken-Aufwertung nach der Aufgabe der Euro-Anbindung zu einem Verlust von 50 Milliarden Franken. Zwar konnte die SNB im Jahresverlauf einen Teil dieser Einbussen wieder wettmachen. Doch prompt schürte der Riesen-Fehlbetrag Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Notenbank - obwohl diese bei anhaltenden Verlusten theoretisch so viele Franken drucken könnte wie nötig, um sich selbst mit frischem Kapital zu versorgen und nicht pleitezugehen.

«Ich sehe eher ein mittelfristiges Risiko, dass sie ihre Bilanz so vergrössern, dass sie weniger Spielraum für eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik haben könnten, wenn es nötig ist», sagte ein Analyst, der nicht genannt werden wollte. Denn die Bilanz der SNB ist bereits grösser als die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz. Keine andere Zentralbank der Welt hat den Experten zufolge eine so grosse Bilanz im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Kein Weg zurück

Dennoch dürfte die SNB ihren Interventionskurs weiter fortsetzen - auch weil sie wenig andere Möglichkeiten hat, um den Franken zu schwächen und damit die exportorientierte Wirtschaft zu stützen. «Es gibt keinen Weg zurück - heute und morgen nicht», sagte der Chef des Zürcher Währungsexperten ACT Currency Partner, Felix Adam.

Neben Devisenkäufen setzt die Notenbank auf Negativzinsen. Den Satz von aktuell minus 0,75 Prozent hat sie jedoch seit eineinhalb Jahren nicht angetastet. Die Negativzinsen sind umstritten, weil ihre abschreckende Wirkung bezweifelt wird und sie Pensionskassen und Versicherer in die Bredouille bringen.

Risiken in Kauf nehmen

Die SNB selbst will an ihrer Strategie festhalten: Direktoriumsmitglied Andrea Maechler hatte Ende März erklärt, die Notenbank werde ihre Bilanz bei Bedarf weiterhin ausdehnen und die damit verbundenen Risiken in Kauf nehmen. Gewinne oder Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe könnten auftreten. Erst langfristig könne die Bilanzsumme der Notenbank schrumpfen.

Allerdings sind die Devisenkäufe der SNB nach Einschätzung von Rabobank-Devisenstrategin Jane Foley limitiert. «Wir wissen nicht genau, wo die Grenze ist, aber wir wissen alle, dass es irgendwo eine gibt», sagte sie und verwies auf die überraschende Kehrtwende der SNB Anfang 2015. Damals hatten die Währungshüter den mehr als drei Jahre lang verteidigten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufgegeben, weil dieser nur noch mit Stützungskäufen in zweistelliger Milliardenhöhe pro Woche aufrechtzuerhalten war. Aktuell legen die wöchentlich veröffentlichten Daten Devisenkäufe von wenigen Milliarden Franken pro Woche oder darunter nahe.

(reuters/ccr)