Und er verkauft sie doch: Mit dem abrupten Abstossen der Notenstein an Vontobel beendete Patrik Gisel gestern endgültig die Diversifikationsstrategie seines gefallenen Vorgängers Pierin Vincenz. Doch wie lässt sich der Raiffeisen-Chef in der Pressemitteilung zitieren? «Der Verkaufsentscheid ist keine Abkehr von der Diversifikationsstrategie von Raiffeisen.»
Hallo? Gewiss, mit viel Wohlwollen liesse sich die Aussage als das übliche PR-Geblase abtun, das viel zu häufig bei derartigen Deals serviert wird. Doch dann handelt es sich hier schon um eine besonders unverfrorene Variante. Notenstein war das Kernstück von Raiffeisens Diversifikation, sie war – anders als die Beteiligungen bei Helvetia, Leonteq und Avaloq – die einzige Vollübernahme.
Sargnagel der Diversifikationsstrategie
Keine Frage: Der Verkauf ist der Sargnagel der Diversifikationsstrategie, und auch hier erzielt Gisel, wie schon beim Verkauf der anderen Beteiligungs-Pakete aus der Vincenz-Ära, satte Gewinne: 550 Millionen zahlte Raiffeisen vor sechs Jahren an die US-geschundenen Wegelin-Partner für 20 Milliarden verwaltete Vermögen, jetzt bekommt er 700 Millionen bei 16,5 Milliarden verwalteten Vermögen. Ein gutes Geschäft – Pierin sei Dank.
Doch warum verschwurbelt Gisel dann diesen Schlusspunkt seiner Kehrtwende mit einer Aussage aus dem Alternative-Fakten-Universum? 15 Jahre war er die treue Nummer zwei von Vincenz, an vorderster Front hat er die Diversifikation mit allen grossen Beteiligungen mitgetragen und nach aussen verteidigt. Und dann wrackt er plötzlich nach dem Abgang des gefallenen Übervaters ohne grosse Begründung alles ab – und verkauft das Radikalmanöver doch tatsächlich als Fortsetzung der alten Strategie.
Sorry, das ist mir zu viel der Wendigkeit. Die beiden wichtigsten Eigenschaften für einen Kapitän im Sturm lauten: Glaubwürdigkeit und Standfestigkeit. Davon ist hier leider zu wenig zu sehen.