Gibt es ein grosses Potenzial für Büro-Umnutzungen, können aus Office-Flächen attraktive Wohnungen entstehen?
Die Umnutzung von Büroliegenschaften in Wohngebäude ist nur auf den ersten Blick eine gute Idee. Zwar kann man anekdotisch am Markt ein paar wenige, gelungene Umnutzungsprojekte beobachten, ansonsten funktionieren Umnutzungen in vielen Fällen eher nicht. Oftmals scheitern diese Initiativen an baurechtlichen, ökonomischen und objektspezifischen Aspekten.
Ausserdem ist die Annahme, dass Büroliegenschaften an Lagen, an denen Menschen gerne wohnen würden, im grossen Stil leer stehen, nach unseren Beobachtungen am Flächenmarkt ebenfalls falsch. Büroimmobilien an gut erschlossenen innerstädtischen Lagen in Deutschschweizer Städten sind nämlich nach wie vor sehr gefragt. Die Nachfrage ist stabil und es kommen selten neue Gebäude auf den Markt.
Was sind die drei wichtigsten Veränderungen, die der Trend zu mehr Homeoffice bewirkt?
Durch die Covid-19-Pandemie haben wir alle in einem Live-Experiment gelernt, dass Telearbeit – zumindest technisch – recht gut funktioniert. Gleichzeitig haben wir aber auch festgestellt, was wir ohne persönliche, physische Interaktion mittel- und langfristig verlieren. Deshalb würde ich die wichtigsten Veränderungen in die drei Kategorien «Interaktion» (activity-based Workplace-Konzepte), «Flexibilität» (Work-Life-Blending: anything, anywhere, anytime) und «Ökonomie und Ökologie» (Kosten, Umweltbelastung durch Verkehr etc.) unterteilen.
Wie sich diese Aspekte auf den Flächenbedarf von Unternehmen auswirken, wird sich noch zeigen. Meine These ist, dass der Flächenkonsum pro Unternehmen in etwa gleichbleibt, sich aber die Art der Nutzung verändert. Ich erachte es als wahrscheinlich, dass für Arbeitsplätze im engeren Sinn weniger Fläche konsumiert wird, hingegen für die vielen anderen Funktionen (Austausch, Begegnung, Kollaboration, Meetingräume etc.) der Flächenbedarf eher zunimmt. Meines Erachtens ist die Frage nicht, ob wir in Zukunft noch Büros brauchen, sondern die, wie wir sie nutzen.
Der Onlinehandel wird immer wichtiger. Was heisst das für Detailhandelsflächen - drohen uns nun mehr leere Läden in den Innenstädten?
Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Innenstädte entleeren werden. Auch in diesem Bereich haben wir im Verlauf der Pandemie gesehen, dass Menschen soziale Wesen sind und sich mit anderen Menschen austauschen wollen.
Der Strukturwandel im Detailhandel ist schon seit einigen Jahren in vollem Gang und wurde in der Schweiz im Januar 2015 aufgrund der Aufhebung der Wechselkursbindung des Schweizer Frankens an den Euro zusätzlich beschleunigt. Neue hybride Konzepte verbinden Online mit Offline und schaffen ein neues, durchgehendes, «kanalunabhängiges» Kundenerlebnis. Ausserdem drängen vermehrt auch Onlinehändler in die Innenstädte, weil sie nach physischer Präsenz suchen. Des Weiteren expandieren auch Food-Retailer in Innenstädten. Ich finde, Prof. Wolfgang Christ fasst das gut zusammen: «Die Innenstadt wird zum analogen Knoten in unserer digitalen Welt.»
«Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Innenstädte entleeren werden.»
«Buy to let» ist beliebt. Für wie sinnvoll halten Sie es, wenn Privatinvestoren Wohnungen kaufen, um sie zu vermieten?
Im aktuellen Zinsumfeld erscheint diese Strategie attraktiv. Das Steuersystem schafft teilweise auch Anreize. Anderseits sind die Einstiegspreise oftmals auch eher hoch. Ungelöst ist die Herausforderung des Klumpen-Risikos bei einer Investition in eine Eigentumswohnung, um sie zu vermieten. Stichworte sind: Unterhaltskosten, Kosten von Leerständen, Mietzinsausfällen und Mieterwechseln sowie der Aspekt der «Asset Allocation» bezogen auf die spezifische Person.
Alles in allem finde ich persönlich es nicht optimal, wenn Privatinvestoren in einzelne Wohnungen investieren, um sie dann zu vermieten. Empfehlenswerter fände ich es, kleinere Mehrfamilienhäuser zu erwerben oder indirekt in Immobilien zu investieren.
Welche Zukunft sehen Sie für die Schweizer Shoppingcenter?
Wie die Innenstädte sind auch die Shoppingcenter dabei, sich neu zu erfinden. Schon vor Covid-19 ging der Trend in Richtung «Urban Entertainment-Center» und weg vom reinen Konsumtempel. Die Schweiz hat, anfänglich getrieben vom Investitionsbedarf der Immobilienwirtschaft, aber auch unterstützt durch expansionswillige Retailer, eine sehr hohe Einkaufscenter-Dichte.
Das Angebot eines Shoppingcenters muss auf die umliegende Käuferschaft abgestimmt sein, dann hat ein Shoppingcenter gute Chancen, auch weiterhin erfolgreich zu bleiben. Nichtsdestotrotz könnte es zukünftig sein, dass das eine oder andere Shoppingcenter umgenutzt werden muss.
Werden die teuren Schweizer Einkaufsstrassen - die Bahnhofsstrasse in Zürich, die Rue du Rhône in Genf oder die Spital- und Marktgasse in Bern - ihre Attraktivität in Zukunft behalten?
Fast alle der genannten Strassenzüge sind internationale Marken und messen sich mit den besten Shoppinglagen in den Metropolen dieser Welt. Sie sind, in normalen Zeiten, auch touristische Anziehungspunkte. Für international oder gar global agierende Einzelhandelskonzerne gehört es zum guten Ton, an eben diesen Top-Lagen präsent zu sein.
Entsprechend bin ich der Meinung, und wir beobachten dies auch am Markt, dass diese AAA-Lagen ihre Attraktivität weiterhin behalten. Voraussetzung ist, dass die Kommunen dafür sorgen, dass die Innenstädte ästhetisch ansprechend bleiben und der Angebotsmix für die Konsumenten attraktiv ist.
Robert Hauri beantwortete die Fragen schriftlich.
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