Die Ruag kommt nicht zur Ruhe. Nachdem im letzten Sommer CEO Brigitte Beck zurücktreten musste, nimmt nun auch Nicolas Perrin, Verwaltungsratspräsident des bundeseigenen Rüstungsbetriebs, den Hut.. Der Rücktritt erfolge in Absprache mit dem Eigner, teilte der Konzern am Dienstag mit. Gleichentags wurde Kritik der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) an einem Panzerdeal bekannt.
Perrin war im Herbst 2019 in der Verwaltungsrat der Ruag gewählt worden. Er wechselte jedoch erst per Juni 2020 zur MRO Schweiz. Perrin war zuvor seit über dreissig Jahren in verschiedenen Funktionen bei den SBB tätig. Ab 2008 leitete er SBB Cargo.
Wie am Dienstag bekannt wurde, deckte die EFK Ungereimtheiten beim Ruag-Panzerdeal mit Italien und 2023 mit Rheinmetall auf. Laut dem Konzern gehen aus dem Bericht keine zwingenden Gründe für den Rücktritt Perrins hervor. Gemäss dem Bericht wollte die Ruag der Herstellerfirma Rheinmetall 96 in Italien gelagerte Leopard 1-Panzer zur Weitergabe an die Ukraine verkaufen, was am Veto des Bundesrats scheiterte.
Der bundeseigene Rüstungsbetrieb Ruag MRO gestand von der EFK gerügte Mängel ein. Der Kauf italienischer Panzer sei durch die alte Holding erfolgt. Die Geschäfte im Zusammenhang mit den Leopard-1-Panzern würden für die Ruag zunehmend zur Belastung, hiess es in der Mitteilung. Aufgrund eigener Abklärungen leitete der Verwaltungsrat eine interne Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ein, wie Ruag MRO in einer Stellungnahme an die EFK festhielt.
Die damalige Ruag Holding erwarb 2016 von der italienischen Armee für 4,5 Millionen Franken hundert gebrauchte Leopard-1-Panzer und Ersatzteile. Schon dabei ortete die EFK in ihrem Bericht Unregelmässigkeiten.
So hielt der bundeseigene Rüstungskonzern die Kompetenz- und Unterschriftenregelung nicht ein. Eine formelle Genehmigung durch Konzernleitung und Verwaltungsrat fehlte. Zudem widersprach die Anschaffung dem ursprünglichen Ziel, die Panzer erst zu kaufen, wenn ein Abnehmer vorhanden ist. Mit Ausnahme von vier Panzern scheiterten alle Verkaufsversuche. Die deutsche Ruag-Tochter verkaufte immerhin Ersatzteile für 4 Millionen Franken.
Die 96 Panzer sind nach wie vor in Italien gelagert. Auch hier entdeckte die EFK Ungereimtes. Obwohl das Lager in Italien der Ruag Schweiz gehört, unterschrieb Ruag Deutschland 2021 einen Vertragszusatz mit dem italienischen Lagerbetreiber, durch den sich die Lagermiete für acht Jahre unkündbar verdreifachte.
Der EFK leuchtet nicht ein, weshalb diese ungünstige Vertragsanpassung zustande kam. Zudem hätte der Vertrag «vermutlich» durch die Geschäftsleitung der Ruag Schweiz genehmigt werden müssen.
Bund spät informiert
Weiter informierte die Ruag ihren Eigentümer, den Bund, erst im Bericht zum zweiten Quartal 2021 über den Panzerkauf. In den Protokollen des Bundes findet das Panzerlager in Italien erstmals im Dezember 2022 wegen einer Mehrwertsteuer-Nachzahlung von 3,4 Millionen Franken eine Erwähnung.
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gab gemäss der EFK an, erst am 19. Januar 2023 von der Existenz des italienischen Panzerlagers erfahren zu haben.
2014 unterschrieb die Ruag mit der Firma Global Logistics Support (GLS) einen Vertriebsvertrag. Im September 2019 nahm die Ruag mit ihrer eigenen deutschen Tochter Tätigkeiten im gleichen Markt auf.
Dabei erschliesst sich der EFK nicht, warum die Ruag Ende November einen Aufhebungsvertrag unterzeichnete, obwohl der Vertriebsvertrag eine sechsmonatige Kündigungsfrist hatte. Der Aufhebungsvertrag garantierte GLS zwei Prozent an bestimmten Umsätzen in Deutschland, mindestens aber 500'000 Franken bis Ende 2023.
Das führte gemäss der EFK zu erheblichen Nachteilen für die Ruag. Zudem schlossen Ruag und GLS noch eine gesonderte Vereinbarung für den Kauf von Fahrzeugen durch GLS.
Umstrittenes Eigentum an 25 Panzern
Einen Tag nach Abschluss des Aufhebungsvertrags bestellte GLS 25 Panzer für je 500 Euro und bezahlte die 12'500 Euro im März 2020, holte die Panzer aber nicht ab. Ende 2021 zahlte die Ruag den Kaufpreis an GLS zurück.
Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs wollte die Herstellerfirma Rheinmetall Anfang März 2022 die 96 Panzer kaufen. Geplant war, sie nach der Instandstellung über ein Drittland an die Ukraine zu liefern. Die Ruag und Rheinmetall schlossen am 13. Februar 2023 einen Kaufvertrag. Der Kaufpreis ist in der EFK-Mitteilung geschwärzt.
Dieser Vertrag - mit einem Rücktrittsrecht und einer Zusatzvereinbarung über den Eigentumsanspruch von GLS an 25 Panzern - war gemäss der EFK ebenfalls von der Ruag-Geschäftsleitung und vom Verwaltungsrat nicht formell genehmigt. Auch ein formeller Antrag fehlte.
Am Tag des Vertragsabschlusses zahlte GLS den Preis für die 25 Panzer erneut an die Ruag. GLS bekräftigte den vollzogenen Kauf und ein italienisches Gericht ordnete im Dezember 2023 in einer superprovisorischen Verfügung die Herausgabe der Panzer an. Das Verfahren läuft. VBS und Ruag leiteten Untersuchungen ein.
Das VBS hielt seitens des Eigners fest, es erwarte, «dass die Ruag MRO offensichtliche Mängel in Organisation, Abläufen und Geschäftstätigkeit umgehend bereinigt».
(sda/mth/gku)