Nach wie vor sind Frauen in Toppositionen der Schweizer Unternehmenswelt mager vertreten. Die Zahlen sind ernüchternd: Der Frauenanteil auf höchster Managementstufe beträgt weniger als 10 Prozent, obwohl knapp 43 Prozent aller Arbeitskräfte im privaten Sektor weiblich sind. In den Verwaltungsräten präsentiert sich die Situation noch extremer: Der Anteil weiblicher VR-Mitglieder der hundert grössten Schweizer Publikumsgesellschaften beläuft sich gerade mal auf 6,7 Prozent.
Das Wissen um diesen auch international schlechten Ausweis ist alles andere als neu. Bereits in den achtziger Jahren war die Problematik Gegenstand angeheizter Diskussionen, und als Konsequenz wurden von den Firmen und dem Staat zahlreiche Frauenförderungsprogramme ins Leben gerufen. Haben all diese Massnahmen nicht gefruchtet? Wo sind diese Frauen geblieben? Blieb es seitens der Unternehmen und des Staates bei Lippenbekenntnissen? Erweisen sich die gesellschaftlichen und unternehmerischen Rahmenbedingungen als so schlecht, oder sind es sogar die Frauen selbst, die solche Positionen gar nicht anstreben? Es wäre fast zu einfach, wenn es nur einen Grund für diese Situation gäbe. Wie es so oft der Fall ist, dürfte eine Kombination verschiedenster Gründe für diese Ungleichgewichtssituation verantwortlich sein.
Heute hat allgemein die Erkenntnis Fuss gefasst, dass Diversität – und damit ist nicht nur die genderspezifische Diversität gemeint – in Firmen und insbesondere auch auf höchsten Führungsstufen zu einer verbesserten Performance führen kann. So lösen gemischte Teams Probleme und Projekte in der Regel besser. Frauen werden zudem geschlechtsspezifische Fähigkeiten wie etwa Multitasking sowie Stärken bei der Teambildung und in der Kommunikation zugeschrieben. Dies sind alles Eigenschaften, die sich zweifellos förderlich auf die Unternehmensführung und die -kultur auswirken. Somit sollten Firmen, ganz abgesehen von ethischen Überlegungen, eigentlich auch ökonomische Anreize haben, auf allen Führungsstufen für eine angemessene Durchmischung von Frauen und Männern zu sorgen. Das Thema Frauenförderung wäre somit wieder hochaktuell.
Aber was lässt sich machen? Am 28. September haben wir seitens des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule für Wirtschaft Luzern die «1st Women’s Finance Conference» durchgeführt und dabei auch erstmals den «Corporate Women Award Switzerland» vergeben. Diese Konferenz, die fortan jährlich stattfinden wird, geht Fragen der Frauenförderung auf den Grund, zeigt verschiedene Perspektiven auf und schafft eine neutrale Plattform für Diskussionen, Erfahrungsaustausch und Networking. 150 Personen haben aktiv am Anlass teilgenommen – eine erfreuliche Zahl, die zusammen mit dem erhaltenen Feedback klar den Bedarf nach solch einer Plattform aufzeigt. Betrachtet man aber diese Zahl genauer, so befanden sich unter den 150 Anwesenden gerade mal sechs Männer. Und das, obwohl die Konferenz stets mit dem Hinweis ausgeschrieben wurde, dass Männer ebenso willkommen seien. Was für die Teilnehmenden gilt, trifft in nicht minderem Masse auch für die Referierenden zu. Männer als Speaker für diese Thematik zu finden, gleicht etwa der Suche nach einem vierblättrigen Kleeblatt.
Was zeigt uns dies auf? Männer fühlen sich sehr oft von diesen Themen gar nicht angesprochen, oder sie gehen solchen Fragen bewusst aus dem Weg. Diese Haltung widerspiegelt traurigerweise die Unternehmenskultur, die in vielen Firmen vorherrscht. Dabei wäre der Einbezug von Männern, ihr aktives Mitwirken und Sicheinbringen nicht nur erwünscht, sondern sogar notwendig. Wir sind gespannt, ob es uns gelingen wird, für die «2nd Women’s Finance Conference» am 20. September 2007 mehr Männer zu gewinnen – als Teilnehmende wie als Referenten.
Die Gründe oder gar die Schuld für diese Ungleichgewichtssituation dürfen jedoch nicht alleine bei den Männern gesucht werden. Begleitend zur Organisation der «1st Women’s Finance Conference» haben wir uns eingehend mit weiblichen Führungskräften über diese Themen unterhalten und sind auf interessante Erkenntnisse gestossen: Auch die Frauen müssen dazulernen und Anpassungen vornehmen, wenn sie bis in die obersten Führungsetagen aufsteigen wollen. Oftmals zeigen Frauen zu wenig Durchhaltevermögen. So verlassen sie im Vergleich zu Männern eine Position oft nach viel kürzerer Zeit oder nehmen eine Beförderung nicht an, weil sie nicht bereit sind, gewisse Opfer zu erbringen oder gewisse Umstände am Arbeitsplatz zu akzeptieren. Es sei dahingestellt, ob das positiv oder negativ zu werten ist.
Im Gegensatz zu Männern formulieren Frauen ihre Ansprüche häufig zu wenig, was oft mit mangelndem Selbstvertrauen, vielleicht auch mit dem Fehlen von klaren Zielen zusammenhängt. Darüber hinaus scheinen Männer in der Regel auch eine höhere Bereitschaft zu haben, für den Beruf Risiken einzugehen. Schliesslich vernetzen sich Frauen weit weniger als Männer – dabei sind die Effekte von Networking und Austausch unter Gleichgesinnten nicht zu unterschätzen, gerade wenn es um Positionen in der Unternehmensspitze geht.
Die Frage drängt sich auf, ob der Staat auch eine Rolle wahrzunehmen hat in dieser Diskussion und, wenn ja, welche? Offensichtlich liegt es im Interesse der Gesellschaft und der Wirtschaft, den Frauenanteil auf den obersten Führungsstufen zu erhöhen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich diese Aussage im Hinblick auf die Bevölkerungsstruktur und das künftig erforderliche Wirtschaftswachstum, das eine blosse Beibehaltung des heutigen Lebensstandards sichern soll, auf die höchsten Führungsstufen und den gesamten Arbeitsmarkt bezieht. Wie die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, ist unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem aber anscheinend bisher nicht in der Lage gewesen, dieses Ungleichgewicht zu verringern. Durch eine optimale oder zumindest verbesserte Gestaltung der Rahmenbedingungen kann und muss der Staat seinen Teil dazu beitragen, die Wohlfahrt in unserem Lande zu steigern. Er hat veschiedene Möglichkeiten, dies zu tun.
Viel und kontrovers diskutiert wird die Frauenquote. Als Paradebeispiel dafür gilt Norwegen, wo den 650 grössten kotierten Gesellschaften für die Zusammensetzung ihrer Verwaltungsräte eine Frauenquote von 40 Prozent vorgeschrieben wurde. Zu dieser rigorosen Massnahme, die bis zum Jahr 2008 umgesetzt sein muss, wurde gegriffen, weil in den Unternehmen auf freiwilliger Basis zu wenig für die Erhöhung des Frauenanteils getan worden war. In Spanien, wo der Anteil der Frauen in Verwaltungsräten nur 4 Prozent beträgt, ist ein neues Gleichberechtigungsgesetz in Vorbereitung, das ebenfalls zu einer 40-Prozent-Frauenquote führen soll.
Was soll man davon halten? Selbst Frauen sind bei der Frage, wie sinnvoll und erfolgreich Frauenquoten sind, nicht einer Meinung. Einerseits bringen Befürworter von Frauenquoten immer wieder das Argument vor, dass radikale Massnahmen, das heisst Regulierungen seitens des Staates, notwendig seien, weil sich sonst die Situation der Frau in der Unternehmenswelt allein auf Grundlage freiwilliger Massnahmen nicht ändern werde. Das Beispiel Norwegen spricht dafür. Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass Frauenquoten den Ärger der Männer weckten und deswegen oft kontraproduktiv wirkten. Auch heisst es bei der Besetzung einer Stelle mit einer qualifizierten Frau schnell einmal, dass sie diese Positition nur dank der Frauenquote erhalten habe. Grundsätzlich ist bei der Einführung einer Frauenquote immer zu bedenken, dass bei Besetzung einer Stelle nicht mehr die Wahl des oder der Besten im Vordergrund steht. All diese Argumente sind nicht von der Hand zu weisen.
Die Diskussion für den Staat darf aber nicht bei der Frauenquote stehen bleiben, denn es gibt andere wirkungsvolle und realisierbare Massnahmen, die von einem breiten Kreis von Frauen und auch Männern gewünscht werden. Mit Blick auf die Familien seien an dieser Stelle als Beispiele der steuerliche Abzug von Kinderbetreuungsausgaben, eine sinnvolle Ausgestaltung des Schulsystems sowie die Verfügbarkeit von Tagesschulen und Kinderbetreuungsplätzen genannt. Hier könnte der Staat einen signifikanten Beitrag leisten, Frauen den Weg in die höheren Führungsetagen zumindest organisatorisch und finanziell zu erleichtern.
Bereits dieser kleine Auszug aus der Vielfalt der Erkenntnisse, die wir durch die Konferenz, die begleitenden Evaluationen und auch selbst als in der Schweizer Unternehmenswelt tätige Frauen gewonnen haben, zeigt auf, dass es das Engagement und das Handeln aller Stakeholder braucht, um eine nachhaltige Verbesserung der Situation herbeizuführen.