Der Druck auf Thomas Jordan hat in dieser Woche abgenommen - aber nicht nur, weil die Federal Reserve ihm das Rampenlicht stiehlt.
Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank(SNB) kann sowohl den tiefsten Stand des Franken seit acht Monaten geniessen als auch den Beleg eines überraschenden Wachstums der Schweizer Wirtschaft, wenn die Währungshüter an diesem Donnerstag - nur wenige Stunden vor der US-Notenbank - ihren Zinsentscheid im Rahmen der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung bekanntgeben. Diese glückliche Lage bildet einen Kontrast zu der unliebsamen Aufmerksamkeit, die die SNB noch im Januar mit der Aufgabe ihres Euro-Mindestkurses zum Franken auf sich gezogen hatte.
Schweizer Wirtschaft besser als erwartet
«Die Schweizer Wirtschaft hat sich nach der scharfen Aufwertung der Währung in diesem Jahr viel besser als erwartet entwickelt», sagte Alan McQuaid, Chefökonom der Merrion Capital Group Ltd. in Dublin. «Die SNB ist in Alarmbereitschaft, um bei Bedarf weitere Lockerungen vorzunehmen, doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie den Rest des Jahres stillhalten wird.»
Angesichts des schwachen Inflationsausblicks wird die SNB ihren Einlagensatz und das Zielband für den Dreimonats-Libor in Franken auf ihren Rekordtiefs belassen, ergab eine Umfrage von Bloomberg unter Ökonomen. Die Notenbank gibt ihren Zinsbeschluss am Donnerstag um 9.30 Uhr MESZ bekannt.
Lob und Kritik für Jordan
Als die SNB ihren Mindestkurs am 15. Januar gekippt hatte, schoss der Franken bis zu 41 Prozent in die Höhe. Der Schritt führte zu Verunsicherung unter den Händlern und sorgte bei einigen Finanzhäusern für hohe Verluste. Jordan erntete wegen seines Vorgehens im In- und Ausland Kritik, doch andere lobten ihn auch.
Infolge der Aufgabe des Franken-Deckels schrumpfte die Schweizer Wirtschaftsleistung im ersten Jahresviertel erstmals seit 2012. Im zweiten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aber überraschend wieder um 0,2 Prozent, was den Investitionen und dem Privatkonsum zu verdanken war. Zudem wird die sich wieder erholende Binnennachfrage im Euroraum, gestützt von unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen, dem Schweizer Wachstum wahrscheinlich wieder auf die Beine helfen.
Inflation das Sorgenkind
Doch obwohl sich die Wirtschaftsaktivität erholt, bleibt die Inflation das Sorgenkind: Die Preise dürften in diesem Jahr so stark fallen wie seit sechs Jahrzehnten nicht mehr. Der scharfe Rückgang der Kosten für Öl ist für den Anstieg der Realeinkommen zwar ein Segen, er könnte aber auch dazu führen, dass die SNB ihre Inflationsprognose am Donnerstag verringert.
In Juni hatte die SNB für dieses Jahr ein Wachstum von knapp unter einem Prozent prognostiziert, mit einer Inflationsrate von minus einem Prozent. Für 2016 wurde ein Preisrückgang um 0,4 Prozent vorhergesagt, erst 2017 dürfte die jährliche Teuerung wieder positiv werden.
Optimistische Ökonomen
Ökonomen in einer separaten Bloomberg-Umfrage sind etwas optimistischer als zuvor und sehen im Median nun das Schweizer BIP im laufenden Jahr um 0,8 Prozent steigen. Bei der Umfrage vor einem Monat hatten die Volkswirte ein Wachstum von 0,7 Prozent vorausgesagt. Die Inflationsrate taxieren sie 2015 auf minus ein Prozent und 2016 auf minus 0,2 Prozent.
Parallel zur Aufgabe des Mindestkurses von 1,20 Franken je Euro hatte die SNB ihre Leitzinsen auf Rekordtiefs heruntergeschraubt. Das Zielband für den Dreimonats-Libor liegt seither zwischen minus 1,25 Prozent und minus 0,25 Prozent, während der Einlagensatz minus 0,75 Prozent beträgt.
SNB unter wenig Handlungsdruck
Da sich der Franken seit Ende Juni um mehr als fünf Prozent gegenüber dem Euro abgeschwächt hat, steht die SNB unter wenig Handlungsdruck, auch wenn die Währungshüter der Europäischen Zentralbank die Tür für weitere Konjunkturimpulse offen gelassen haben. Eine lockerere Geldpolitik im benachbarten Währungsraum könnte den Franken stützen.
Jordan verwies Anfang des Monats bei einer Rede in Zürich darauf, dass die SNB bei den Zinsen noch immer über Spielraum verfüge. Der Einlagensatz habe noch nicht den absoluten Boden erreicht, sagte der SNB-Chef am 1. September. Volkswirte sehen den Boden bei einem Einlagensatz von minus 1,25 Prozent.
«Wir glauben, dass die SNB bei Bedarf noch viel niedriger gehen könnte», erklärte Maxime Botteron, Ökonom der Credit Suisse Group AG in Zürich. «Aber dieser Schritt würde wahrscheinlich die Einführung eines Mechanismus erfordern, um das Horten von Bargeld zu begrenzen.»
(bloomberg/ccr)