Mit seinen Flirt-Triebwagen hatte der Thurgauer Schienenfahrzeugbauer Stadler Rail «noch keine Ausschreibung verloren», wie Mehrheitsaktionär und Firmenchef Peter Spuhler stets stolz verkündete. Nun ist man erstmals zweiter Sieger: Die Ausschreibung in der polnischen Provinz Masowien – es geht um 14 Elektrotriebwagen im Wert von 120 Millionen Franken – gewann in diesen Tagen Mitbewerber Bombardier.
Der Auftrag ist Türöffner zu einem wichtigen Markt, in dem zig alte Rumpelkisten zu ersetzen sind. Das Potenzial für die nächsten Jahre liegt bei bis zu 1000 neuen Schienenfahrzeugen. Es geht also um viel.
Deshalb will man sich bei Stadler die Siegerofferte nun sehr genau ansehen. Bezweifelt werden vor allem die Energiekennzahlen Bombardiers. «Die angenommenen Eckwerte sind nicht vergleichbar. Wir werden intervenieren», heisst es bei Stadler Rail.
Auch in Ungarn läuft längst nicht alles rund. Für Insider war es keine Überraschung, als Stadler Rail kürzlich den Vertrag mit ihrem Konsortialpartner Ganz Transelektro aufkündigte: Seit Monaten ist der ehemalige Staatsbetrieb in den negativen Schlagzeilen. Das Management wurde mehrfach aus- und teilweise wieder eingewechselt.
Zum Führungschaos hinzu kommen finanzielle Probleme – Ganz Transelektro benötigt dringend frische Mittel. Schlechte Voraussetzungen, um den Vertrag mit der ungarischen Staatsbahn MAV zur Lieferung einer ersten Tranche von S-Bahn-Zügen im Wert von 235 Millionen Franken zu erfüllen. CEO Spuhler hat daher die Notbremse gezogen, will dies aber seinerseits nicht kommentieren.
Schliesslich geht es darum, im heiklen Beschaffungsgeschäft nicht unnötig Porzellan zu zerschlagen. Der ganze Ungarn-Deal um rund 700 Millionen Franken enthält nämlich die politische Verpflichtung, einen Teil der Produktion mit ungarischen Partnern abzuwickeln. Es ist nun wieder offen, wie und mit welchem Partner dies geschieht. Vielleicht macht es Stadler in Ungarn wie zuvor in Deutschland, wo man eine marode Fabrik kaufte und auf Erfolgskurs trimmte. BR