Das kantonale Steueramt Zürich hat Remo Stoffel wegen Steuerbetrugs angezeigt. Das bestätigte die Oberstaatsanwaltschaft gegenüber der «Handelszeitung». Stoffel wusste offenbar von nichts. Weder er oder sein Rechtsvertreter noch die Priora AG hätten Kenntnis von einer Anzeige gehabt, sagte er dem «Tages-Anzeiger».
«Angesichts der erfolgten offensichtlichen Indiskretion stellt sich jetzt natürlich die Frage der Amtsgeheimnisverletzung und Befangenheit involvierter Beamten», sagte Stoffel dem Blatt. Der Aufarbeitung zur Klärung dieser wichtigen Frage durch die verantwortlichen Amtsstellen schaue man mit grossem Interesse entgegen.
Lange Vorgeschichte
Der Bündner Immobilieninvestor liegt nicht zum ersten Mal mit den Steuerbehörden im Clinch. Ganz im Gegenteil: Die jetzt erfolgte Anzeige hat eine komplexe und lange Vorgeschichte.
Auslöser war einst die Übernahme der Swissair-Immobilien-Tochter Avireal – der heutigen Priora – im Jahre 2005. Die umstrittene Transaktion und ihre fiskalischen Folgen sorgen bis in die Gegenwart für juristische Querelen. Ab etwa Herbst 2009 durchleuchten Fahnder der ESTV den Immobilienunternehmer und sein Firmengeflecht wegen des Verdachts auf schwere Steuerwiderhandlungen.
Gesperrte Konten und Hausdurchsuchungen
Im Sommer 2010 durchkämmen Spezialisten der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen ASU im Rahmen der Ermittlungen unter anderem die Büroräumlichkeiten der Avireal am Balsberg-Hauptsitz in Kloten. Die ASU-Fahnder haben seinerzeit umfangreiches Aktenmaterial beschlagnahmt.
Zeitgleich zu den Hausdurchsuchungen liess die Eidgenössische Steuerverwaltung auch diverse Vermögenswerte beschlagnahmen und Konten des Bündner Unternehmers sperren. Stoffel wehrte sich vor Bundesstrafgericht und schliesslich vor Bundesgericht gegen diesen Einzug seiner Assets. Ende 2011 hob die ESTV die Beschlagnahme auf.
Mutmassliche Steuerforderungen
Gut ein Jahr später, im Frühling 2013, hinterlegte Remo Stoffel die Aktien seiner Churer Muttergesellschaft Stoffelpart Asset, unter der all seine Firmen und Beteiligungen hängen, beim Churer Anwalt und FDP-Ständerat Martin Schmid.
Der Aufbewahrer sollte dafür 10'000 Franken pro Jahr an Pauschalentschädigung erhalten. Dies geht aus den Vertragspapieren zwischen Stoffel und seinen mutmasslichen Gläubigern hervor, welche der «Handelszeitung» vorliegen. Diese «Sicherheitshinterlegung» von Stoffels Firmenassets diente seinerzeit als Faustpfand «für etwaige Steuerschulden und allfällige Bussen», wie es in den Dokumenten heisst.
Vier Gläubiger fordern 173,5 Millionen Franken
Die Gläubiger sind zum damaligen Vertragszeitpunkt Anfang April 2013 die ESTV, die Steuerämter der Kantone Graubünden und Zürich sowie jene der Stadt Chur. Sie stellen Stoffel «mutmassliche Steuerforderungen» in der kumulierten Höhe von 173,5 Millionen Franken für die Jahre 2005 bis 2008, wie eine Vertragsbeilage ausweist. In dieser Summe sind Verzugszinsen und zum Teil mögliche Bussen noch nicht miteingerechnet.
Alleine die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV macht beispiels weise säumige Verrechnungssteuern von 60 Millionen Franken für die Priora-Tochter Airport Immobilien AG geltend. Das kantonale Steueramt Zürich ihrerseits fordert Gewinnsteuern über kumuliert 6,1 Millionen Franken.
Stoffel-Sprecher Peter Hartmeier macht auf Anfrage keine Angaben zu den Steuerforderungen, dem Hinterlegungsvertrag beziehungsweise dazu, ob dieser Vertrag überhaupt noch Gültigkeit hat.
Keine Steuerschulden
Remo Stoffel, der auch namhafte Beteiligungen an der Pharmaziegruppe Galenica, der IT-Dienstleisterin Myriad Group oder den Bergbahnen Lenzerheide hält, erklärte indes im letzten Jahr gegenüber «Sonntagsblick», er habe «keine Steuerschulden».
Die ESTV habe ihre Untersuchung Ende 2013 abgeschlossen und seine Priora Holding «aus einer Garantie von 80 Millionen» entlassen. Zudem habe die «Bündner Steuerverwaltung weder ein Straf- noch ein Nachsteuerverfahren» eröffnet.
Die Zürcher Amtskollegen ihrerseits allerdings schon. Sie haben Stoffels komplexes Steuerdossier nun zur Anzeige gebracht.