Gibt es die typisch schweizerische Art zu führen und ist die Schweizer Führung auch den Herausforderungen der Zukunftgewachsen? Diesen Fragen ist die Kalaidos Fachhochschule zusammen mit der Schweizer Kaderorganisation (SKO) anlässlich deren 125-jährigen Jubiläums in verschiedenen Forschungsaktivitäten nachgegangen.

Vorab das Resultat in Kürze: Führungskräfte in der Schweiz zeichnen sich durch viele typisch schweizerische Eigenheiten wie beispielsweise Qualitäts- oder Loyalitätsbewusstsein aus und scheinen sich diesbezüglich auch von Führungskräften anderer Länder zu unterscheiden. Zu denken gibt allerdings: In der Zukunft gefragte Eigenschaften wie Flexibilität, Risikobereitschaft und Begeisterungsfähigkeit werden nicht als typisch schweizerisch wahrgenommen.

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The Swiss Way

Kurz zur Methodik der Untersuchung: In einem ersten Schritt wurden mit 24 Schweizer Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Sport und Bildung Interviews zum Thema «Leadership – The Swiss Way» geführt und von Kalaidos Research ausgewertet. Mittels einer Online-Umfrage sollten in einem zweiten Schritt die daraus abgeleiteten Erkenntnisse validiert werden. Die darin enthaltenen Fragen sollten auf einer breiteren Basis aufzeigen, was Schweizer Führungskultur ausmacht und welche Führungswerte und -qualitäten nötig sind, um zukünftig einen wertvollen Beitrag zum Erfolg der Schweizer Wirtschaft zu leisten.

Bis zum gegebenen Zeitpunkt konnten Antworten von 224 Männern und 110 Frauen ausgewertet werden. Die Mehrheit der Befragten hat mehr als zehn Jahre Führungserfahrung gesammelt. Gut die Hälfte hat schon im Ausland gearbeitet.

Die Auswertung der Video-Interviews und die Resultate der Online-Befragung zeigen: Das demokratische Verständnis und dieZusammenarbeit auf der Basis von Vertrauen werden in der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft als tief verwurzelte und prägende Faktoren wahrgenommen: «Man begegnet sich nicht autoritär, sondern gemeinschaftsorientiert und wertschätzend.» Dieser Interview-Aussage stimmen 84 Prozent der Befragten zu. Ebenso können sich knapp zwei Drittel der Meinung anschliessen, dass «traditionelle Werte wie Kollegialitätsprinzip und Konkordanz auf der Führungsebene ganz entscheidend sind».

Auch was die Zukunft betrifft, sind sich die interviewten Führungspersönlichkeiten und die Umfrageteilnehmenden grösstenteils einig: «Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen in Zukunft ihren Mitarbeitenden mehr Sinn bieten.» «Es braucht mehr Verantwortung und nicht mehr Führung.» Und: «Wir sollten die Leute fördern, die bereit dazu sind, ein Risiko einzugehen.»

Unentschieden sind die Befragten bezüglich der Aussage, dass die Digitalisierung zu einem gewissen Teil an uns vorbeigegangen ist und es viel innovativere Gesellschaften und Staaten gibt. Man kann sich fragen, ob die viel besagte Schweizer Innovationskraft in der heutigen, sich schnell wandelnden Welt noch genügt oder ob es zukünftig mehr braucht, um mit anderen Staaten Schritt zu halten.

Was sind Schweizer Werte?

Was sind nun typische Schweizer Werte und was nicht? Basierend auf dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung und den Interviews mit den Führungskräften wurden in der Online-Umfrage 18 Eigenschaften beziehungsweise Werte, die eine Führungspersönlichkeit ausmachen, bewertet. Dabei stehen Qualitätsbewusstsein, Loyalität, Leistungsorientierung, gegenseitige Wertschätzung und Integrität auf den ersten fünf Plätzen der Rangfolge der typisch schweizerischen Werte im Zusammenhang mit Führungsaufgaben und Umgang mit Mitarbeitenden.

Während den 46- bis 65-Jährigen Integrität am bedeutsamsten erscheint, wird Einfühlungsvermögen – auf Rang acht der typischen Schweizer Werte – interessanterweise von Personen unter 35 Jahren als am wichtigsten eingeschätzt. Die jungen beziehungsweise zukünftigen Führungskräfte scheinen den Fokus mehr auf Perspektivenwechsel und Dialog zu legen.

Zu den Top Five der untypischen Schweizer Werte im Zusammenhang mit Führung zählen Konfrontations- und Risikobereitschaft sowie Begeisterungsfähigkeit, Autorität und Inspiration. Dabei fällt auf, dass Frauen Risikobereitschaft als weniger wichtig beurteilen. Hier lässt sich mutmassen, ob Frauen weniger bereit sind, Risiken einzugehen.

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Quelle: KALAIDOS FACHHOCHSCHULE, SKO

Und was braucht die Schweizer Führung der Zukunft? Flexibilität, Risikobereitschaft, Begeisterungsfähigkeit, gegenseitige Wertschätzung und Teamorientierung sind die von Schweizer Führungskräften gefragten Eigenschaften der Zukunft.

Was überrascht: Von diesen erscheint nur gegenseitige Wertschätzung unter den wichtigsten fünf typisch schweizerischen Werten im Zusammenhang mit Führungsaufgaben und Umgang mit Mitarbeitenden. Teamorientierung und Flexibilität sind lediglich auf den Rängen acht respektive elf zu finden. Für die Zukunft bedenklicher scheint die Tatsache, dass Risikobereitschaft gar an zweiter und Begeisterungsfähigkeit an dritter Stelle der untypischen Schweizer Werte stehen.

Was Qualitätsbewusstsein, Loyalität und Leistungsorientierung – die Top Three der Schweizer Werte – anbelangt, spielen diese künftig gemäss der Umfrage eine marginale Rolle in der Führung. Es geht also für Führungskräfte darum, nebst bewährten Werten auch neue Prioritäten zu setzten. Der Umfrage zufolge neigen die Schweizer Führungskräfte im internationalen Vergleich deutlich dazu, Ausund Weiterbildung zu fördern, ihre Mitarbeitenden bei Entscheidungen einzubeziehen und Verantwortung zu übertragen.

Führungskräfte als Vorbild

So scheint es in Zukunft durchaus realistisch, dass Schweizer Führungskräfte ihre Nachwuchsführungskräfte und Mitarbeitenden mit den für die Zukunft wichtigen Kompetenzen ausstatten werden. Doch müssen Schweizer Führungskräfte auch selbst als Vorbild vorangehen, indem sie ihr eigenes Führungsverständnis und -verhalten hinterfragen und den weniger schweizerischen Werten wie Flexibilität, Begeisterungsfähigkeit und Risikobereitschaft mehr Bedeutung schenken. Nur so wird der Erfolg der Schweizer Wirtschaft auch in Zukunft der Erfolg der Schweizer Führung sein.