Ich erlaube mir, zwei Elemente einer erfolgreichen Markenpolitik herauszugreifen, die meines Erachtens zu wenig im Vordergrund der Diskussionen stehen oder in ihrer tieferen, umfassenderen Bedeutung noch zu wenig erkannt werden. Ich spreche also heute über Glaubwürdigkeit und Kommunikation als Elemente moderner Unternehmens- und Markenpolitik.

Konsumenten gewinnen und Mitarbeiter motivieren ist ohne Vertrauensbildung schwierig. Erfolgreiches Marketing, Markenpolitik sowie eine positive Imagebildung werden gefördert durch eine professionelle Kommunikation. Dies gilt heute mehr denn je im Hinblick auf aufgeklärte, kritische Mitarbeiter, Konsumenten, Investoren und die Öffentlichkeit generell. Wenn das so ist, muss alles getan werden, um Vertrauensbildung und Kommunikation optimal zu gestalten. Diese Dinge müssen wesentlicher Bestandteil einer modernen Unternehmenspolitik sein.

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Was ist zu tun, um Vertrauensbildung und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten? Wichtigste Voraussetzung ist die Qualifikation des Topmanagements und des Führungspersonals. Bei der Auswahl des Managements ist besonders wichtig, dass neben beruflicher Ausbildung und Erfahrung die Persönlichkeit oder der Charakter – und dabei insbesondere die Glaubwürdigkeit – einer Person beachtet wird. Glaubwürdigkeit heisst, dass sich die Menschen auf das, was am Sonntag gepredigt wird, am Montag verlassen können.

Glaubwürdigkeit wird auch nicht dadurch geschaffen, dass man enorme Vorstandsgehälter bezahlt bei guter Ertragslage und dann vor die Belegschaft tritt und sagt, dass man sparen und Opfer verlangen oder 10 000 Leute entlassen müsse. Um einen plötzlichen harten Sanierungsfall zu vermeiden, der die Glaubwürdigkeit immer beeinträchtigt, ist es deshalb notwendig, ständig zu rationalisieren und zu optimieren. Bei einer solchen Step-by-step-Methode können Probleme viel besser sozialverträglich gelöst werden.

Broschüren, in denen erklärt wird, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, bei Vernachlässigung der täglichen Haltung und von Massnahmen in Richtung sozialer Sensibilität funktionieren nicht. Dies hat nichts mit einer weichen Unternehmensführung zu tun. Glaubwürdigkeit muss auch bei den Aktionären und Investoren aufgebaut werden. Dazu gehören eine saubere, transparente Berichterstattung und die Vermeidung einer übertrieben optimistischen Show, wenn das Ergebnis sich später als weniger gut herausstellt.

Auch im Marketing ist mehr Glaubwürdigkeit gefordert. Es gibt teilweise fragwürdige Werbung oder Produktversprechen, die der Wirklichkeit nicht standhalten oder nicht zu dem Produkt passen. Langfristige Markenpolitik wird dadurch beschädigt. Hans Domizlaff, der wohl bedeutendste Experte für Markentechnik des vergangenen Jahrhunderts, hat nicht umsonst einem seiner Standardwerke den Titel «Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens als Grundlage für eine erfolgreiche Markentechnik» gegeben.

Es geht also um den langfristigen Aufbau von Vertrauen beim Konsumenten beziehungsweise beim Kunden, sofern die Ware über den Handel verkauft wird. Dieser Vertrauensaufbau fängt damit an, dass der Konsument wirklich im Mittelpunkt steht. Wir müssen uns manchmal ganz nüchtern fragen: Tut er das?

Es ist leider so, dass viele Marketingmassnahmen mit den Bedürfnissen des Konsumenten wenig zu tun haben. Vielmehr sind sie oft Produkt der Profilierungsneurosen einzelner Marketingleute, der Verliebtheit einzelner Mitarbeiter in bestimmte Produktideen oder spiegeln gar die Hobbys und Prioritäten von mehr technologisch orientierten Mitarbeitern oder der Forschung wider.

Ein ständiger Wechsel bei den Mitarbeitern oder Führungskräften und generell zu viele Änderungen in den Marketingmassnahmen ohne echte Innovationen und Bedürfnisse dienen auch nicht gerade dazu, das Vertrauen zu erhöhen. Dazu gehört auch: keine übertriebene Ausdehnung des Sortiments oder extensive Segmentierung. Dies hat mit kreativer Innovation meistens wenig zu tun, sondern dient mehr der Pseudoprofilierung von Marketingleuten. Als Beispiel sei ein Unternehmen genannt, das bei einem Marktanteil von bloss zwei Prozent 500 Artikel führt – fast zehn Prozent des Gesamtlebensmittelsortiments eines Supermarkts. Zurzeit kommen 35 000 neue Artikel in den Markt, von denen die meisten als Flops enden. Zu einer nachhaltigen Vertrauensbildung und Bindung gehört auch eine langfristig angelegte Werbepolitik und weniger laufende, hektische Veränderungen der Werbemassnahmen, die den Verbraucher nur verwirren.

Wie man den Verbraucher wirklich in den Mittelpunkt unseres Denkens setzt, erkläre ich Ihnen an einem Beispiel: Wir haben einmal einen Werbespot für Babynahrung gemacht, bei dem ein Baby im Präsidentensessel des Unternehmenschefs sass. Um das Baby herum sassen Marketingleute, die fragten: «Und was sind Ihre Wünsche, Mr. President? Was sollen wir tun?» Ich habe diesen Spot meinen Marketingleuten vorgeführt, die leicht amüsiert waren. Ich habe gesagt, dieser Spot ist nicht nur amüsant, sondern er ist wahr. Denn dieses kleine Kind ist der wirkliche «Mr. President», der uns sagt, was wir tun sollen.

Ein wesentlicher Bestandteil der Vertrauensbildung beim Konsumenten und beim Kunden ist die Vertrauensbildung bei unseren eigenen Mitarbeitern und Führungskräften. Ohne Vertrauen bei den Mitarbeitern gibt es keine Motivation und kein engagiertes Eintreten für die gemeinsamen Ziele des Unternehmens. Deshalb ist Glaubwürdigkeit eine der wichtigsten Führungseigenschaften beim Topmanagement. Engagierte Mitarbeiter machen ein besseres Marketing, können besser verkaufen und tragen deshalb zum Erfolg des Marketings wesentlich bei.

In diesem Zusammenhang habe ich gute Erfahrungen mit Vertrauensvorschüssen gemacht. Selbst wenn es dann einige Enttäuschungen gibt, bringt es per saldo mehr Motivation und mehr Leistung. In diesem Zusammenhang bin ich deswegen auch für mehr Dezentralisierung und mehr Delegation von Verantwortung, was zu mehr Identifikation mit der Aufgabe, zu mehr Marktnähe und mehr Flexibilität führt. Dies erfordert allerdings sorgfältige Selektion (wobei ich manchmal sage: «Look more in the eyes than in the files»). Und dies erfordert gleichzeitig grundsätzliche Policies und eine konsequente Ablösung, wenn das Vertrauen nicht berechtigt ist oder enttäuscht wird.

Vertrauen wird auch zerstört durch eine zu kurzatmige Unternehmenspolitik, wie wir sie heute auf Grund der Pressures von der Finanzseite oder auch durch den schärferen Wettbewerb oft beobachten können. Ganz schlimm ist natürlich ein Zickzackkurs, bei dem niemand mehr weiss, wofür das Unternehmen steht oder wo es langfristig hin will. Änderungen der Unternehmenspolitik sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund neuer technologischer Entwicklung, Marktverhältnisse oder neuer Konsumententrends erforderlich sind.

Zum Thema Vertrauen und Kontrolle zwei Zitate. Das erste von Lenin: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!» Das zweite von Goethe: «Wer die Menschen behandelt, wie sie sind, macht sie schlechter; wer die Menschen aber behandelt, wie sie sein könnten, macht sie besser.» Beide Aussagen haben einen Kern von Wahrheit. Es ist sicher richtig, wenn man nicht blind vertraut, sondern schaut und herausfindet, wem man Vertrauen schenkt und schenken kann, getreu dem deutschen Sprichwort: «Trau, schau, wem!»

Abschliessend eine generelle Bemerkung: Wir beobachten zurzeit eine Zunahme von Misstrauen und einen Vertrauensschwund gegenüber allen Institutionen und Verantwortungsstrukturen, besonders bei Politikern und Unternehmen. Diese Tendenz ist gefährlich und darf nicht unterschätzt werden. Sie gefährdet auch die Akzeptanz unseres marktwirtschaftlichen, freiheitlichen Systems und damit auch die Akzeptanz von allem, was wir tun oder auf den Markt bringen. Wir haben im Gegensatz zu früher keinen Vertrauensvorschuss mehr, wie ich ihn vorher bei den Mitarbeitern eingefordert habe. Wir müssen deshalb alles tun, um unsere Kunden und die Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Sicherlich müssen wir auch konsequenter werden, um den Missbrauch zu bestrafen.

Nun zum Thema Kommunikation: Gute Kommunikationsstrategien und -massnahmen waren und sind insbesondere in der heutigen Welt ein entscheidender Erfolgsfaktor. Zu den Top-Führungseigenschaften zähle ich die Fähigkeit zur Kommunikation – intern und extern. Allerdings kann ohne gute und verantwortliche Unternehmenspolitik auch die beste Kommunikation am Schluss keine positiven Ergebnisse erzielen.

Es geht also nicht so wie bei dem Hahn, der morgens um fünf Uhr kräht und glaubt, er bewirke den Sonnenaufgang.

Den kategorischen Imperativ von Kant habe ich für unsere Kommunikationszwecke einmal wie folgt umformuliert: «Wir tun nichts, was nicht am nächsten Tag auch in der Zeitung stehen könnte.» Das heisst nicht, dass wir im Einzelfall immer alles publiziert haben wollen, aber wenn etwas veröffentlicht wird, können wir es vertreten und dazu stehen.

Wir alle kennen natürlich die üblichen Kommunikationsmittel vom Geschäftsbericht über die Hauszeitschrift und interne Dokumente bis zu Presseveröffentlichungen. Das ist alles richtig und wichtig. Das Entscheidende bleibt aber, dass die Kommunikation durch den Unternehmenslenker erfolgen muss. Sie ist und bleibt «Chefsache». Die Menschen wollen den «ersten Mann» sehen und hören. Deshalb ist eine wichtige Eigenschaft des Unternehmensleiters: glaubwürdig zu sein sowie überzeugend und verständlich kommunizieren zu können. Dies trägt wesentlich zum Erfolg bei.

Ein Problem, das hierbei auftreten kann, ist die persönliche Profilierung statt der Unternehmensprofilierung. Die Kommunikation muss auf den Adressaten abgestimmt sein und unterschiedliche Zielgruppen bedienen können: Konsumenten, Kunden, Führungskräfte, Investoren, Aktionäre. Aber Vorsicht: Mitteilungen an die Investoren werden auch vom Personal, von der Öffentlichkeit, den Gewerkschaften gelesen. Deshalb warne ich vor Kommunikation durch Finanzabteilungen, die in der Regel eher die Sprache der Investoren sprechen.