ABB-Chef Morten Wierod erntet die Früchte seines Vorgängers Björn Rosengren. Letzterer war für den neuen Kurs des Industriekonzerns eingesetzt worden, diktiert von wütenden Grossaktionären, die mehr Geld sehen wollten: keine milliardenschweren, risikobeladenen Hochspannungsprojekte mehr – dafür mehr Steckdosen, Verteilerkästen und Software fürs Energiemanagement in Fabriken und Gebäuden. ABB sollte fortan kleinere Brötchen backen, auch wenn mit der Zerschlagung des Konglomerates ein Drittel des Umsatzes verloren ging.
Acht Jahre danach macht sich die Strategie bezahlt. Davon profitiert Wierod, der sich ins gemachte Nest setzt. Er konnte zu den Jahreszahlen 2024 zuletzt verkünden, wie gut das Geschäft mit der Elektrifizierung läuft; Rechenzentren sei Dank, die im Rausch der künstlichen Intelligenz gigantisch Strom fressen. Eine Portion Glück ist beim Jahresabschluss auch dabei. Denn die herzigen, zweiarmigen Yumi-Roboter, die es nun seit zehn Jahren gibt und die sogar Geige spielen können, haben ABB nicht wie erhofft zum Star in den Fabriken der Maschinen- und Fertigungsindustrie gemacht. Auch die einarmigen Helferlein an den Produktionsbändern sind derzeit nicht der Renner, weil es den Kunden in der Automobilindustrie miserabel geht.
Wierod setzt Rosengrens Kurs fort, lässt aber die eigene Handschrift vermissen. Er kennt ABB seit dreissig Jahren, hatte Erfolge als Spartenleiter zu feiern. Aber wenn es um die Vision fürs Unternehmen geht, dann fehlt der grosse Wurf. Er predigt die Vorteile der dezentralen Organisation made by Rosengren, die ABB agiler macht. Okay. Er will mehr Geld für Übernahmen ausgeben. Okay. Aber wie er in der Robotik punkten will, ist unklar. Und das Erfolgsrezept für mehr Wachstum in der Elektrifizierung von Gebäuden lässt er auch vermissen. In der Bauwirtschaft wartet man nicht auf ABB, wenn Schneider Electric und Emerson das entweder besser oder billiger können. Dass in ABBs zweitgrösstem Markt China die Häuser leer stehen, weil zu viel gebaut wurde, macht es auch nicht besser.
Wenn Wierod nur vom ABB-Way im Wir-Ton spricht, mit einem Laissez-faire-Führungsstil, dann könnte ihm die Kontrolle über die Performance des Konzerns entgleiten. Die Verkaufsmanager sind die Frontrunner, aber die strategischen Weichenstellungen müssen aus der Zentrale in Zürich kommen. Wierod läuft Gefahr, zum Verwalter statt zum Gestalter zu werden.