Sommer ist gut für die heissen Fälle. Bruno Sommer. Als Chef der Schadenexperten der Versicherung Mobiliar ist er oft der Mann, der sich einen Fall noch einmal anschaut. Etwa dann, wenn es gebrannt hat – und danach etwas nicht nur nach Kohle stinkt. Der frühere Polizist blickt in die Akten oder er besucht den Tatort. Und nicht selten findet er etwas. Manchmal sind es Vermerke der Spurensicherung der Polizei.

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Manchmal gibt es Indizien in den Unterlagen oder ein auffälliges Verhalten des Kunden. Sodass sich Sommer denkt: «Da hat einer versucht, seinen Betrieb heiss zu sanieren.» Brandstiftung. Ein grosses Wort, ein wenig auch ein Tabu. Auf jeden Fall ein schwieriges Ereignis für jede Versicherung. 

Gut 200 Feuerschäden registrieren die kantonalen Gebäudeversicherer jedes Jahr. Dazu kommen die Brände in den sechs Kantonen, in denen Gebäudeversicherungen von privaten Anbietern wie der Mobiliar angeboten werden können. Gleichzeitig wurden vergangenes Jahr in der Schweiz 862 Brandstiftungen polizeilich registriert. Doch nicht jeder Brand ist gestiftet und nicht jede Brandstiftung endet in einem Versicherungsbetrug. Die Gebäudeversicherer schätzen, dass 8 Prozent der Brandkosten mit Brandstiftung ausgelöst wurden.

Oft sind es Restaurants

Gibt es typische Fälle? Vor der Tiefzinsphase habe es eine Häufung von Bränden bei schwer verkäuflichen Immobilien gegeben, sagt Baloise-Sprecher Roberto Brunazzi. Auffälliger aber ist eine andere Branche: die Gastronomie. Kommen Betriebe in wirtschaftliche Schieflage, ende das nicht selten in Brandstiftung, sagt er. Das bestätigt auch Mobiliar-Ermittler Sommer: «Die spektakulärsten Fälle waren immer Beizen.» Die Gastronomie sei eine Branche unter Druck. Mit schlechter Wertschöpfung, die oft keine Rücklagen zulässt. Vom Staat gibt es kein Geld für den Start ins Geschäft. Oder für Renovationen. Da ist es verlockend, eine Versicherung für die dringend notwendige, neue Küche bezahlen zu lassen.

So wie im Fall Moosseedorf BE, der durch die Medien ging. Dort brannte vor ein paar Jahren das Restaurant Seerose aus. Dass es sich um Brandstiftung handeln könnte, war schnell klar, doch die Polizei konnte keinen Täter eruieren. Und so bezahlte die Mobiliar für den Schaden. Erst später kam die Versicherung durch eigene Abklärungen auf eine Verbindung zum mutmasslichen Täter. Nach einem Hinweis an die Behörden wurde der Fall wieder eröffnet. Vergangenen Herbst nun verurteilte das Berner Obergericht den Beizer wegen Anstiftung zu Brandstiftung. Nun hängt der Fall am Bundesgericht.

«Motorfahrzeuge werden massenhaft angezündet.»

Bruno Sommer, Mobiliar

Wenn Sommer mit einem Schadenfall vor Gericht geht, gewinnt er meist. Oder anders gesagt: Er zieht nur vor Gericht, wenn der Fall für ihn klar ist. Seit seinem Seitenwechsel vor 16 Jahren habe er dreissig bis vierzig Fälle von Versicherungsbetrug durch die Instanzen gezogen. Und nie verloren.

Doch der frühere Polizist weiss auch, dass ihm viele Fälle durch die Lappen gehen. Denn eine gut gemachte Brandstiftung – auch wenn das keiner gerne sagt – erkennt keiner. Doch die Fälle, in denen einer seine Habe anzündet, um an Geld von der Versicherung zu kommen, sind sowieso selten. Viel öfter wird die Gunst der Stunde genutzt, wenn es ungeplant gebrannt hat. Dann wird gerne Ware «an die Versicherung verkauft», wie es ein Polizeisprecher formuliert. Bei der Schadenmeldung wird einfach etwas aufgerundet. 

Schadeninspektor Sommer schätzt den Anteil von Brandstiftung auf «im Promillebereich». Brandfälle, bei denen die Kunden noch ein paar Dinge mit verbrennen lassen, die gar nicht existierten, seien dagegen weit häufiger. «Die Betrugsrate liegt wohl im Bereich von 10 Prozent aller Brandschäden», sagt Sommer. Andere Versicherer nennen Zahlen im ähnlichen Ausmass. Solche Betrügereien zu erkennen, sei schwierig. Da gibt es keine verkohlten Brandsätze, über die man stolpern kann. Sondern nur Indizien.

So wie beim Fall des DJ, der unlängst in zweiter Instanz verurteilt und deshalb national bekannt wurde. Dieser meldete seiner Versicherung einen Schaden von 200 000 Franken, weil beim Brand in einem Lager die gesamte Plattensammlung zerstört worden sei. Allerdings lagen die Platten erst seit kurzem dort. Die Versicherung wurde erst kurz vor dem Brand abgeschlossen. Und der DJ erkundigte sich auch noch wenige Stunden vor dem Brand bei der Versicherung nach der Deckung. Das alles kann Zufall sein, aber so etwas macht Leute wie Sommer misstrauisch. Der DJ zieht seinen Fall nun ans Bundesgericht weiter, wie seine Anwältin sagt. Die Tat sei nicht bewiesen.

Brandlöscher: 2017 wurden schweizweit 862 Fälle registriert.

Dass kurz vor einem Brand die Deckung erhöht werde, komme erstaunlich oft vor, sagt Sommer. Dann schaue man sich den Fall an. Riet ein Experte zur höheren Deckung? Wie läuft das Geschäft? Hatte das Unternehmen Schulden? Und sind die gemeldeten Schäden überhaupt plausibel? Einen Versicherungskunden bat Sommer einst, alle angeblich in einem Keller verbrannten Gegenstände im baugleichen Keller des Nachbarn, der gerade leer stand, neu einzulagern. Es stellte sich schnell heraus, dass das gar nicht ging. «Der Fall war gegessen.» 

Ein anderes Mal ging es um einen Schuppen. Dieser brannte wegen eines Stromgenerators ab, der sich angeblich beim Betanken im laufenden Betrieb entzündet hatte, erzählt Sommer. Beim zweiten Blick stellte sich heraus, dass das Gerät mit Diesel lief. Und Diesel brennt nicht einfach so.  

Viele Betrüge bei Autobränden

Während Beizer offenbar gerne heiss sanieren, gibt es andere, die auf Kosten der Versicherung entsorgen. Zweite grosse Quelle von Betrug mit Feuer sei die KFZ-Versicherung, sagt Sommer. «Motorfahrzeuge werden massenhaft angezündet.» 2017 registrierte die Mobiliar 840 brennende Fahrzeuge. Bei jedem zwanzigsten wurde geflunkert. Auf 1,5 Millionen Franken schätzt Sommer den Wert der heissen Fälle. Die Aufdeckung solcher und anderer Betrugsfälle ist für seinen Arbeitgeber hoch rentabel. Die Mobiliar spart dank den Schadenexperten jedes Jahr Geld im zweistelligen Millionenbereich. 

Fälle von Brandstiftung haben in den letzten Jahren abgenommen. Woran das liegt, kann niemand genau sagen. Auffällig sind die regionalen Unterschiede in der offiziellen Kriminalitätsstatistik (siehe Grafik). Gibt es Kantone mit einer Neigung zu Feuer? Oder liegt es an statistischen Gründen, wie man in den Kantonen Basel-Stadt und Zürich vermutet? Am Ende fehlen oft die harten Zahlen, wenn es ums heisse Sanieren geht. In dubio pro reo  gilt vor Gericht. Im Zweifel für den Angeklagten. Und Zweifel gibt es oft, wenn die Beweise verbrennen.

Die Zeusler der Nation leben in der Waadt. Quelle: BFS.