Gemäss meiner Vita müsste der Fall klar sein, sonnenklar. Herkunft, Aufzucht und berufliche Sozialisierung sprechen stark dafür, dass ich ein Flugi-Fan sein müsste: Geboren im Flughafendorf Kloten, Swissair-Lehre, Anhänger der Flieger (wie man die Hockeyaner des EHC Kloten nennt), privat Reiseblogger – einer wie ich müsste es lieben, in ein Flugzeug zu steigen. Lange Jahre war das tatsächlich so. Heute nicht mehr.  

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Zur Selbstdiagnose Flug-Fatigue komme ich nicht etwa als Mitglied der Anonymen Aviatiker oder aus einem Gefühl der sogenannten «Flugscham». Vielmehr rührt sie von einem weichen und einem harten Faktor her. Die akute Flugunlust spüre ich bereits im Bauch. Wenn ich mich manchmal sonntags zum Flughafen Zürich begebe – weil ich die pulsierende Atmosphäre und die grosszügigen Ladenöffnungszeiten mag –,  schaue ich stets auf die Abflugtafeln. Rio de Janeiro, New York, Bangkok, die ganze Welt auf einem Brett. Früher stellte sich verlässlich der Wunsch ein, sofort einzusteigen. Heute regt sich bei mir eher dieser Gedanke: Zum Glück muss ich nicht in die Luft.

Dichtestress am Flughafen und im Jet

Als einer, der sich nur die Economy-Klasse leisten kann, erlebte ich das Leben über den Wolken in den letzten vierzig Jahren so: Alles wird besser, nur die Holzklasse bleibt das, was sie immer war. Die Zone, in der dem zusammengepferchten Passagier bald nach dem Abflug Beine, Rücken und Nacken wehtun. Meist alles miteinander. «Massentierhaltung»? Vielleicht etwas zu hart formuliert. «Massenmenschenhaltung»? Nahe an der gefühlten Realität. Früher entschädigte die Airline Swiss ihre Eco-Passagiere auf der Kurzstrecke wenigstens noch mit einem kostenlosen Snack. Aber auch diese Schmerzprämie wurde wegradiert.

Wann hat meine Flugaversion eingesetzt? Das könnte mit der Pandemie zu tun haben. In jener nahezu flugfreien Zeit lernte ich den erdgebundenen Transport neu schätzen. Als dann Corona zu Ende war, füllten sich die Flugkabinen rasend schnell wieder, was mich zur Auffassung brachte: Oft beginnt der Overtourism schon vor dem Take-off. Neben dem Dichtestress an den Airports und in den Jets stimmen mich Flugstornierungen und -verspätungen auch nicht gerade fluglustiger.

Ein Trip, zwei Stornierungen

Natürlich weiss ich, dass an Verspätungen selten die Airline allein schuld ist. Die Luftfahrt ist ein Zusammenspiel vieler verschiedener Player, von der Fluggesellschaft über das Airport-Bodenpersonal und den Grenzschutz bis hin zur Flugsicherung und dem Wetter. Ein Potpourri, das naturgegeben nicht jeden Tag gleich lieblich performt, wie ich letztes Jahr erleben durfte. Auf einer Flugreise nach Berlin wurde sowohl der Hin- als auch der Rückflug storniert. Heisst das, dass ich nie mehr in ein Flugzeug steige? Nein. Gewisse Ziele sind zu weit entfernt für eine Anreise per Bahn (die auch nicht ohne ist) oder im Auto. Im Oktober werde ich nach längerer Aviatik-Abstinenz mal wieder per Jet verreisen. Ergebnisoffen? Sehr. Vorfreudig? Weniger.