Man reibt sich die Augen. Einmal mehr steht der Nahrungsmittelmulti Nestlé am Pranger. Diesmal, weil das Unternehmen in einem eigentlich vorbildlichen Akt der Selbstfindung in einem internen Papier konstatiert, dass 30 Prozent der Produkte, mit denen es die Welt zwischen Peking, Pittsburgh und Petersburg versorgt, ungesund seien – zumindest wenn sie an den hohen Kriterien des australischen Health Star Rating System gemessen werden. Produkte, zu denen notabene auch so harmlose Leckereien wie Schokolade zählen.

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Alter Legacy-Konzern Nestlé versus Neuling aus China

Gleichzeitig schauen wir fasziniert, wenn nicht gar bewundernd zu, wie ein chinesischer Super-Fast-Fashion-Anbieter namens Shein ganz Europa überrollt. Vor allem in Deutschland reissen sich die Jugendlichen um die «Geiz-ist-geil»-Klamotten. 300 Millionen Euro Umsatz soll das «Alibaba der Mode» mit seinen Modestücken aus der Megafactory schon schaffen. Zahlen zur Schweiz gibt es keine, doch auch hierzulande begeistern sich immer mehr Teenager für die Billigst-Ware.

Auf den ersten Blick scheint die Rollenverteilung deshalb klar: Hier der alte Legacy-Konzern, der um den nächsten Transformationsschritt weg vom Kitkat-Hersteller hin zum Advokaten einer gesunden Ernährung ringt. Da die chinesische E-Commerce-Maschine, die selbst Champions der Fast-Fashion wie H&M, Zara und Zalando alt aussehen lässt.

Auf den zweiten Blick aber offenbart sich eine ganz andere Welt: Hier gibt es den Schweizer Nahrungsmittelriesen, der sich auf die Pariser Klimaziele verpflichtet hat. Der in die Nachverfolgbarkeit von kritischen Rohstoffen wie Kakao und Palmöl investiert und seine Wasserquellen zertifizieren lässt. Und der in einem mehrjährigen Effort sein Produkt-Portfolio umbaut – hin zu weniger Zucker, weniger Fett, umweltfreundlicheren Verpackungen und weniger Plastik, welcher die Weltmeere verschmutzen kann.

So muss Zukunft heute geplant werden, wenn man als Unternehmen erfolgreich sein wird. Kein Wunder, honorieren das die Aktionäre, vor allem langfristig orientierte wie die Pensionskassen. Mit einer Kapitalisierung von 322 Milliarden Franken gehört Nestlé zu den wertvollsten Unternehmen der Welt.

Geschäftsmodell der Rücksichtslosigkeit

Ob das Geschäftsmodell der schieren Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Umwelt Zukunft hat, ist derweil ungewiss. Klar, einige Jugendliche mögen sich für die Klamotten-Maschine aus China begeistern. Doch das, was die Klimajugend in Gang gesetzt hat, lässt sich so schnell nicht wieder aus der Welt schaffen.

Zudem sind es heute nicht mehr nur Konsumenten, welche die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einfordern. Die stärksten Treiber sind nebst vorausschauenden Firmenstrategen wie Nestlé-Chef Mark Schneider verantwortungsvolle Kapitalgeber.

Die Zukunft ist nachhaltig, auch wenn diese Botschaft noch nicht überall angekommen ist. Shein jedenfalls soll demnächst an die Börse gebracht werden. Geschätzter Wert: 50 Milliarden Dollar.