Ifpi Schweiz, der Interessenverband der schweizerischen Tonträgerproduzenten, hat den Parallelimport von Tonträgern in die Schweiz behindert. Zu diesem Schluss kommt die Wettbewerbskommission (Weko), welche gegen Ifpi deshalb eine Busse von 3,5 Millionen Franken aussprach.
Recherchen der «Handelszeitung» belegten, dass der Verband seit 1999 trotz einem eindeutigen Bundesgerichtsentscheid Parallelimporte illegal behinderte.
Aus demselben Grund wird auch Phononet mit 20'000 Franken gebüsst, wie aus dem Communiqué der Weko hervorgeht. Phononet habe als Bindeglied zwischen Handel, Medien und Musikindustrie die Praxis von Ifpi Schweiz unterstützt. Konkret haben sich die Mitglieder von Ifpi Schweiz gegenseitig verpflichtet, auf den Parallelimport von CDs und DVDs anderer Mitglieder zu verzichten.
Major-Vehikel Phononet
Phononet zwang den Labels, also den Herstellern, nicht den Händlern, ein Parallelimportverbot auf. Die Aktiengesellschaft Phononet gehört zu 100 Prozent den Majors Universal, Sony, Warner, Emi. Geschäftsführer Chris Wepfer war Ifpi-Vorstand und Warner-Schweiz-Boss, bevor er den Job bei Phononet bekam.
In einer einvernehmlichen Regelung mit der Weko haben sich Ifpi Schweiz und Phononet nun bereit erklärt, künftig Parallelimporte von Ton- und Tonbildträgern nicht mehr mit Importverzichtserklärungen zu erschweren oder zu verhindern.
Hitparade offenbar sauber
Keine Anhaltspunkte fand die Weko dagegen für kartellrechtliche Verstösse von Ifpi Schweiz bei der Erstellung der Hitparade. Die Untersuchung in diesen Punkten wurde deshalb von der Weko eingestellt. Allerdings wird Ifpi Schweiz seine Praxis bei der Berechnung der Hitparade dennoch ändern, um die Transparenz zu erhöhen, wie es in der Mitteilung der Weko hiess.
Neu sollen in der Chartskommission neben Ifpi auch die Schweizerische Interpretengesellschaft (SIG) sowie Swissperform vertreten sein. Mit der SIG und auch mit Swissperform focht Ifpi in der Vergangenheit diverse Konflikte aus. Für einen anderen Schauplatz, die angepeilte Gesetzesänderung wegen grösserer Urheberrechts-Tantiemen, schloss man sich zusammen.
Die Untersuchung der Weko ins Rollen gebracht hat der digitale Musikvertrieb iMusician, der nicht Mitglied von Ifpi ist und der dem Verband auch nicht beitreten durfte. iMusician hatte den Verdacht, die Hitparade widerspiegele nicht die tatsächlichen Verkaufszahlen, als der Song «Slow down. Take it easy» der Band Da Sign & The Opposite nicht in der auf DRS3 gesendeten Hitliste auftauchte.
Verfügung in ein paar Wochen
Die komplette Verfügung der Weko gegen die Ifpi wird in wenigen Wochen von der Antikartellbehörde veröffentlicht. Die Busse von 3,5 Millionen Franken hätte für die Ifpi weit höher ausfallen können. Die Weko wandte aufgrund der vollen Kooperation der Ifpi und dem sofortigen Stopp der Parallelimportsdoktrin des Verbandes schon während der Untersuchung das Verhältnismässigkeitsprinzip an - darum fiel der Betrag weit kleiner aus, als er gesetzlich möglich gewesen wäre (maximal 10 Prozent des Gesamtumsatzes innerhalb der letzten drei Jahre).
Die Busse trifft die Ifpi dennoch empfindlich. Ende 2010 verfügte der Verband über flüssige Mittel von 733'127.54 Franken, zeigt die Bilanz der Ifpi, die der Redaktion vorliegt. Auf ebenfalls verfügbaren Treuhandkonten des Verbandes lagen zwischenzeitlich nicht mehr als 4 Millionen Franken. Dem Vernehmen nach waren auch die juristischen Auslagen des Verbandes heftig - von einem sechsstelligen Betrag berichten Insider. Und erst 2010 verpflichtete sich der Verband in einer anderen Angelegenheit, dem Musiksender MTV Lizenznachzahlungen in der Höhe von 500'000 Franken zu leisten.
«Moralischer Sieg»
Für Shigs Amemiya vom digitalen Musikvertrieb iMusician ist der Weko-Entscheid ein «moralischer Sieg», wie er der sda sagte. Die Dinge hätten sich zweifellos zum Besseren verändert. iMusician ist nun auch zu den Charts zugelassen und konnte allein in diesem Monat zwei Künstler in den Top 20 platzieren.
Auch Lukas Weiss, Präsident der Unikom, einem Zusammenschluss von 18 Lokalradiosendern, hat eine gewisse Entspannung im Umgang der marktbeherrschenden Major Labels mit kleinen Radios beobachtet.
Er ist zuversichtlich, dass Ifpi-Mitglieder künftig ihre Produkte auch auf die Unikom-Bemusterungsplattform stellen und so die finanzschwächeren Sender nicht mehr nötigen, sich ihre Musik von der Ifpi-eigenen MPN teuer besorgen zu müssen.
Ifpi gesteht Behinderung ein
Lorenz Haas, seit Februar 2012 Geschäftsführer von Ifpi Schweiz, meinte in einer Pressemitteilung: «Wir akzeptieren die Untersuchungsergebnisse der Weko und haben die beanstandete Behinderung von Parallelimporten unverzüglich korrigiert.
Wir nehmen zudem zur Kenntnis, dass die Weko hinsichtlich der Neuaufnahme von Mitgliedern und der Erstellung der Schweizer Hitparade keinen Kartellrechtsverstoss festgestellt hat.»
Hitparaden-Reglement veröffentlicht
Die Ifpi hat auch entschieden, das Hitparadenreglement zu veröffentlichen.
Damit holt die die Ifpi etwas nach, was sie schon vor drei Jahren medienwirksam über die Gratispresse verkündete - passiert war danach jedoch überhaupt nichts.
Denn der Verband konnte sich jahrelang intern nicht durchringen, das Reglement zu veröffentlichen. So war etwa Ifpi-Vorstand Julie Born von Sony Music dafür, während sich andere Mitglieder und der Ex-Geschäftsführer dagegen sperrten - aus Angst, damit würde die Hitparade manipulierbar.
Die Nervosität über die Hitparaden-Diskussion bekam Born zu spüren. Sie erhielt vom Verband die Aufgabe, eine kritische Facebook-Gruppe im Auge zu behalten - noch Mitte 2010 war man erleichtert, dass die öffentlichen Beschwerden der Genfer Band Take me Home im Blätterrauschen verpufften.