Am 12. Juni geht es los. Die Fussball-WM in Brasilien wird angepfiffen. Im Eröffnungsspiel in São Paulo trifft das Gastgeberland auf Kroatien. Auch die Schweiz ist im Stadion vertreten und nimmt im Match eine wichtige Rolle ein. Denn zum ersten Mal setzt der Weltfussballverband Fifa die unter Fussballfans heiss diskutierten Torkameras ein. Entwickelt hat sie die Schweizer Technologiefirma Photonfocus aus Lachen im Kanton Schwyz. Mit ihren zehn Mitarbeitern stellt sie leistungsfähige Sensoren und Kameras für die industrielle Bildverarbeitung her.
Heikle Torszenen und Schiedsrichterentscheide sollen mit den Produkten von Photonfocus der Vergangenheit angehören. Tor oder nicht Tor? Auf die Frage werden die Kameras in jeder Situation die richtige und entscheidende Antwort haben. Wembley-Tor ade. «Wir haben einen Beitrag dafür geleistet, dass das Risiko von Fehlentscheiden an der WM minimiert wird», sagt der Photonfocus-Chef Marcel Krist.
Kameras bei jedem Spiel dabei
Die High-Speed Kameras der Schweizer sind Teil der Torlinien-Technologie «Goalcontrol-4D», welche die deutsche Firma Goalcontrol entwickelt hat. Die Technologie wird in jedem WM-Spiel in Brasilien im Einsatz stehen.
Die Hochleistungskameras können die Flugbahn des Balls in jeder beliebigen Spielsituation bis auf 5 Millimeter genau registrieren. Insgesamt 14 Farbkameras sind jeweils rund um das Spielfeld unter dem Stadiondach angebracht – je sieben auf ein Tor gerichtet. Sobald der Ball sich in Tornähe befindet, erfassen die Kameras den Ball in allen drei Dimensionen.
Schiedsrichter hat das letzte Wort
Die Kameras alleine sind gut neun auf vier Zentimeter gross und schiessen rund 400 Bilder pro Sekunde. Störende Elemente wie Spieler oder Schiedsrichter werden ausgeblendet. Die Informationen fliessen an einem Hochleistungscomputer, der die Bilder in Höchstgeschwindigkeit auswertet. Bei einem Tor, also sobald der Ball die Torlinie überquert, schickt der Computer umgehend ein Bild- und Tonsignal an eine spezielle Armbanduhr, die der Schiedsrichter trägt.
Umstrittene Szenen können auch nachträglich noch gesichtet werden können. Die Daten werden gespeichert. Damit könnten auch Fussballfans an Bildschirmen zuhause in den Geschmack der Bilder kommen. Das letzte Wort haben die Torkameras aber nicht. «Letztlich ist es immer der Entscheid des Schiedsrichters, ob ein Tor zählt oder nicht», ergänzt der 48-jährige Krist.
«Ein ganz normaler Auftrag»
Die grosse Herausforderung bei der Entwicklung der Kameras bestand darin, die Bildrate auf 400 Bilder pro Sekunde zu steigern. Hinzu kam, dass die Kameras die gigantische Datenmenge innerhalb von Sekundenbruchteilen an den Computer übertragen müssen. Dafür musste die Bandbreite erhöht werden. Eine spezifische Entwicklung für die Torkamera habe es nicht gegeben. «Für den WM-Einsatz wurden sie jedoch stark modifiziert», sagt Krist. Entsprechend habe es sich um einen ganz normalen Auftrag gehandelt.
Als Zulieferer für die Firma Goalcontrol hat die 2001 gegründete Photonfocus keinen direkten Kontakt zur Fifa. Dennoch muss sich an die Auflagen des Verbandes halten. Dazu gehören auch Verschwiegenheitsklauseln. Krist hält sich daher mit Aussagen zur Fifa bedeckt.
Hoffen auf die Uefa
Der Unternehmer ist stolz darauf, dass sich die Fifa für ihre Technologie entschieden hat. Im Vorfeld hatte der Verband viele Systeme getestet. «Das Torlinien-Kontrollsystem ist für uns in erster Linie ein Prestige-Projekt.» Der Auftrag bringe lediglich einen Umsatz-Schub im einstelligen Bereich. Photonfocus macht im Schnitt einen Umsatz von vier bis fünf Millionen Franken pro Jahr.
Krist setzt nun auf weitere Verbände. Beim europäischen Fussballverband Uefa etwa steht ein Entscheid über den Einsatz von Torkameras noch aus. Bei einem Ja, könnten dann die Produkte der Schweizer etwa bei der Champions League über Tor-Entscheide richten. «Damit würde sich unser Umsatz deutlich vergrössern», sagt Krist. Eine Absage gab es hingegen vom DFB. Der Deutsche Fussball-Bund verzichtet auch in Zukunft auf Torkameras.
«Dann wird es für uns spannend.»
Vorerst freut sich Photonfocus-Chef Krist mit seinen Mitarbeitern über den Einsatz seiner Kameras bei der der Fifa. An die WM nach Brasilien reist niemand von ihnen. Bei allfälligen Problemen ist man von der Schweiz aus jederzeit erreichbar. Die Spiele schaut sich Krist selbstverständlich an. «In der Firma sind wir alle Fussballbegeisterte», sagt er. Auf das erste umstrittene Tor freut sich der Unternehmer. «Dann wird es für uns spannend.»