Am Anfang war die Traube. Mindestens seit dem 15. Jahrhundert ist die Familie Zweifel im Rebbau tätig. Zur Chips-Dynastie wurden sie erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit einem geschätzten Vermögen von über einer Viertelmilliarde Franken gehört die Familie zu den Reichsten des Landes.
Walter Zweifel ist Ankeraktionär. Der 55-Jährige kennt alle Zweige des Familienimperiums. Seine Diplomarbeit an der ETH Zürich stand bereits in bester Tradition: Er rupfte Reben und untersuchte den Zusammenhang zwischen Zuckergehalt und Anzahl Blätter.
Nach dem Studium brachte er sich 1991 ins Familiengeschäft ein. Fünf Jahre leitete er die Wein-Sparte. 2008 nahm Zweifel zusammen mit den anderen Familienaktionären der vierten Generation Einsitz im Verwaltungsrat der Holding. Die «Handelszeitung» traf ihn in Zürich Höngg zum Gespräch.
Eine Frage spaltet die Chips-Nation: Nature oder Paprika. Wofür entscheiden Sie sich?
Walter Zweifel: Beides. Nature-Chips sind besser zum Wein.
Wie sieht die Hitliste der Schweiz aus?
Die beliebtesten Zweifel-Chips sind nach wie vor Paprika, gefolgt von Nature-Chips. Auf Platz drei liegt Salt & Vinegar.
Seit kurzem verkaufen Sie die Bestseller-Aromen auch in Gewürzdosen. Wie ist das angelaufen?
Sehr gut. Mit der Auswahl der Gewürze haben wir versucht, alle Geschmäcker abzudecken. Ich werde oft darauf angesprochen und habe auch alle vier Mischungen zu Hause durchprobiert. Paprika und Provençale finde ich genial. Inferno ist mir etwas zu intensiv. Ich bin nicht so der scharfe Typ.
2017 war mit 215 Millionen Franken ein neues Rekordjahr. Bringt die Weltmeisterschaft wieder ein Allzeithoch?
Die Jahre, in denen grosse Fussballturniere stattfinden, bringen uns meistens positive Resultate – vor allem wenn die Wetterbedingungen stimmen. Fussball, Bier und Chips lassen sich gut kombinieren. Für ein Allzeithoch braucht es aber mehr, zum Beispiel Produktneuheiten und eine gute Grill- und Skisaison.
Für die Chips sind Sie berühmt, viel länger aber ist Ihre Familie in der Winzerei und der Mosterei tätig. Wie läuft es mit den vergorenen Früchten?
Unsere Mosterei haben wir 1983 geschlossen. Zweifel-Most wird es in diesem Jahr aber wieder geben. Wir feiern das 120-Jahr-Jubiläum von Zweifel 1898 und lassen dafür eine Sonderabfüllung eines Mosts auf der Vorlage einer alten Zweifel-Etikette machen. Es ist ein saurer Most, Typ Cidre. Produziert hat es die Firma Möhl für uns.
Eine Partnerschaft mit Zukunftspotenzial?
Vielleicht. Wir sind Geschäftspartner, sind auch gut befreundet miteinander und haben das Projekt gemeinsam entwickelt. Vielleicht führen wir das Most-Geschäft nach dem Jubiläum weiter. Das wissen wir noch nicht.
Zunächst für die Mitarbeiter, dann fürs Coop-Regal?
Wir produzieren etwas mehr als nur für die Mitarbeiter. Aber viel zu wenig, um es via Grossverteiler zu verkaufen. Eher für unsere Weinläden in der Region Zürich und für einige Tests in der Gastronomie.
«Back to the roots» in der Zweifel-Dynastie.
Nicht ganz: Der Wein war zuerst. Seit 1440 sind Höngger Reben mit unserem Namen belegt. Vor 120 Jahren aber war der Zürcher Rebbau in der Krise. Seinerzeit gab es eine kleine Eiszeit. Es war kalt in der Schweiz, der Wein hatte nur rund 6 Prozent Alkohol. Dann kamen auch noch der Falsche Mehltau und die Reblaus aus den USA. Die Not im Weinbau vergrösserte sich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir der modernste Betrieb in Europa.
Walter Zweifel
Die Lebensgrundlage der Zweifel-Weinbauern war bedroht.
Mehr als nur das. Mein Urgrossvater Paul Zweifel hat zusammen mit seinem Bruder Emil – einem Kaufmann – das Geschäft neu ausgerichtet. Weg vom Rebbau, hin zum Weinhandel und zur Mosterei. Most und Bier waren damals Trendgetränke – saurer Most natürlich. Pasteurisierter Süssmost folgte erst Jahre später. Wir haben bis in die achtziger Jahre in Zürich gemostet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wir der modernste Betrieb in Europa. Aber der Markt war stark rückläufig.
Weil Coca-Cola den Alten Kontinent aufgerollt hat.
Die Süssgetränkehersteller waren im Aufwind und haben die Mostereien verdrängt. Heute gibt es ja eigentlich nur noch zwei grosse Betriebe in der Schweiz.
Möhl und Ramseier. Wollen Sie den beiden Konkurrenz machen?
Kaum. Unsere Ideen zielen eher auf einen Nischenmarkt. Wir wollen Spezialitäten anbieten, wie es auch schon mein Grossvater gemacht hat. Er war damals der Erste, der reinsortige Moste gepresst hat. Mit dem Sauergrauech und dem Tobiässler. Er war auch der Erste, der Apfelwein ohne Alkohol gemacht hat. Also fast ohne. Daran wollen wir anknüpfen.
Wenn Sie wieder ins Business mit Most einsteigen, dann als Produzent – oder lassen Sie weiterhin bei Möhl produzieren?
Grundsätzlich ist alles möglich. Denkbar ist, dass wir es ähnlich handhaben wie bei unserem Pommel-Apfelessig. Das eigentliche Produkt lassen wir abfüllen, das Rezept aber kennen nur wir. Mein Bruder Urs ist der Geheimnisträger.
Von Ihrem Bruder stammt die Aussage, dass Frauen in Weinfragen «viel offener» seien. Stimmt das?
Frauen lassen sich tendenziell weniger beeindrucken von Ratings. Sie wählen eher nach Geschmack. Auch bei jüngeren Konsumenten zeigt sich eine höhere Bereitschaft, etwas auszuprobieren.
Walter Zweifel
- Funktion: Verwaltungsrat Zweifel Holding AG, dem Mutterhaus der Chips- und Weinfirma.
- Nature-Chips-Liebhaber
- Alter: 55
- Zwei Kinder
- Ausbildung: Agrarwissenschaften ETH
- Vertreter der vierten Zweifel-Generation seit Paul Zweifel
- Die fünfte Generation zählt gesamthaft 14 Nachkommen
- Passion neben dem Familienbetrieb: Velofahren
Für die Chips-Sparte kommunizieren Sie Zahlen, beim Wein nicht. Warum?
Das haben wir noch nie und wollen wir auch nicht. In der «Schweizerischen Weinzeitung» kann man nachlesen, wie viel wir importieren. Im Weinhandel ist es einfach nicht üblich.
Es kursieren aber einige Zahlen. Was stimmt: 9 Hektaren bewirtschaftetes Land?
Tendenz steigend. Wir konnten in den letzten Jahren zusätzliche Rebfläche pachten. Die Generation, die etwas älter ist als ich, hört auf. Gleichzeitig steigen die Jungen oft nicht ein.
In Zürich sind Sie klar die Nummer eins?
Wir sind die einzige Weinkelterei in der Stadt. Landolt bewirtschaftet die grösste Rebfläche.
Mit Marc Landolt verbindet Sie eine gute Freundschaft, heisst es.
Wir kamen am gleichen Tag im gleichen Krankenhaus zur Welt. Er kam morgens um 4 Uhr, ich fünf Stunden später um 9 Uhr. Es ist richtig, wir pflegen eine gute Freundschaft. Wir arbeiten bei der Weinkelterung zusammen. Und wir treffen uns alle zwei Monate zum Mittagessen. Zusammen mit Bruno Orlandi von Bindella.
Dann werden Preise abgesprochen?
Auf dem Markt sind wir Mitbewerber und wir sprechen keine Preise ab.
In der Vergangenheit hatten wir Probleme. In Sachen Kräftigkeit, Körper und Alkohol gab es kein Bestehen gegen ausländische Weine.
Walter Zweifel
Erlebt Zürcher Wein eine Renaissance?
Durchaus. Das folgt etwas einem allgemeinen Trend hin zum Lokalen. Gleichzeitig hat sich auch die Qualität des regionalen Weins massiv verbessert.
Sie stiegen 1991 in die Firma ein. Damals war der Wein schlechter?
Seinerzeit haben wir auf der gleichen Fläche 30 Prozent mehr Wein produziert. Andere Rebbauern haben ähnliche Wege eingeschlagen. Das hat zur Folge, dass die Schweizer Pinot noirs den weltweiten Vergleich nicht mehr scheuen müssen. Die Weine haben ihren festen Platz in der gehobenen Gastronomie.
Pinot noir und Riesling-Silvaner sind die beiden Sorten, auf die Sie hier in Zürich setzen?
Die zwei haben den grössten Anteil. Aber wir keltern 33 Sorten. Von Sauvignon blanc, Chardonnay, Malbec, Cabernet Cubin bis hin zu pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen wie Prior und Vidal blanc.
In der Schweiz wird mehrheitlich immer noch ausländischer Wein getrunken. Ganz anders als in Österreich, Italien oder Frankreich. Hat Schweizer Wein ein Image-Problem?
In der Vergangenheit hatten wir tatsächlich Probleme. In Sachen Kräftigkeit, Körper und Alkohol gab es kein Bestehen gegen die ausländischen Weine. Vor allem bei den Rotweinen. Heute können wir gut mithalten. Vielleicht gibt es noch kein Pendant zum Amarone oder Primitivo. Aber wir sind auf dem besten Weg. Und die Situation hat ja auch ihre guten Seiten: Der Marktanteil von Schweizer Weinen liegt irgendwo bei knapp über 30 Prozent. Das heisst, es gibt noch über 60 Prozent zu erobern. Im Ausland ist das umgekehrt. Die Märkte sind praktisch gesättigt.
Machen Sie auch alkoholfreien Wein?
Ich produziere selbst keinen, aber importiere welchen. Im Schweizer Fachhandel sind wir die Einzigen und haben eine treue Kundschaft für das Produkt. Da läuft doch einiges.
Von den Bierbrauern hört man, das Segment wachse enorm. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Die Situation ist schwer zu vergleichen. Es ist einfacher, ein alkoholfreies Bier zu machen als einen alkoholfreien Wein. Das Delta beim Bier liegt bei 5 Prozent, beim Wein sind es 10 bis 15 Prozent. Und der Alkohol ist nun mal massiver Geschmacksträger. Beim Bier gibt es auch noch den Hopfen fürs Aroma.
Wie stark wächst das Bio-Wein-Segment?
Es wächst, ist aber immer noch ein Nischenprodukt. Und es kommt ja auch darauf an, wo der Bio-Wein herkommt. In Frankreich oder Chile, wo Sommertrockenheit herrscht, gibt es merklich weniger Krankheitsdruck. Die Voraussetzungen für die Bio-Produktion sind gut. Bei uns in der Schweiz, wo es in vielen Regionen 600 bis 1200 Millimeter Niederschlag im Jahr gibt, den Grossteil davon im Sommer, haben wir grosse Herausforderungen. Wenn wir mit traditionellen Sorten arbeiten, mit einem Pinot noir etwa, muss man dauernd die Reben schützen und die erlaubten Mittel häufig ausbringen. Bei uns kann man biologisch produzieren, aber vorzugsweise mit Sorten, die resistent sind gegen Pilzkrankheiten und Traubenfäulnis.
Ist Bio nicht ein grossartiges Verkaufsargument? Im riesigen Angebot von Coop fällt der Naturaplan-Wein auf.
Es ist sicher ein Mehrwert, wenn ein guter Wein biologisch produziert ist. Aber wenn der Geschmack nicht stimmt, greift der Kunde nur ein einziges Mal ins Regal. Wir haben rund einen Viertel der Rebfläche mit pilzwiderstandsfähigen Sorten bepflanzt.
Ändert der Klimawandel etwas beim Rebbau oder beim Anbau von Kartoffeln, auf die Sie für die Chips angewiesen sind?
Ich bin ETH-Absolvent und spreche regelmässig mit Wissenschaftskollegen über das Thema. Vieles ist noch unklar, was wir aber beobachten, ist eine Häufung extremer Wetterverhältnisse. Früher gab es in der Schweiz alle 14 Tage eine andere Wetterlage. Mittlerweile gibt es immer öfter Perioden, in denen es wochenlang regnet oder trocken ist. Und das ist ein Problem für uns und für alle anderen.
Im Weinbau sind längere Trockenphasen kein Problem.
Nicht wirklich. Die Wurzeln der Rebe gehen 16 Meter in den Boden. Aber die Kartoffeln brauchen ein gemässigtes Klima, um zu wachsen. Zu viel Sonne und die Knollen sind zu klein. Zu viel Regen und sie ertrinken.
Dann werden Zweifel-Chips wieder aus Import-Kartoffeln gemacht.
2016 und 2017 mussten wir aufgrund der schlechten Ernte Kartoffeln importieren. Unser Ziel ist es, alle Chips zu 100 Prozent aus Schweizer Kartoffeln herzustellen. Mit guter Anbauplanung lässt sich das meistens erreichen. Im langjährigen Schnitt verarbeiten wir über 90 Prozent Kartoffeln aus Schweizer Anbau.
Was verursacht die Wetterextreme?
Das ist noch nicht endgültig geklärt. Sicher ist, dass sich der Jetstream weniger bewegt. Das ist ein Starkwindband, das sich wie eine Schlangenlinie um den Nordpol zieht. Weniger Bewegung heisst, dass sich die Tiefdruck- oder Hochdruckgebiete länger über einer Region halten.
Profitiert die Weinregion Zürich?
Ein Freund aus dem Piemont sagte mir schon vor zehn Jahren: «Bald baue ich Bananen an und du machst einen Nebbiolo in Zürich.» So weit sind wir noch nicht. Aber es geht schon ein Stück in diese Richtung.
Profitieren gewisse Traubensorten?
Der Pinot im Wallis hat das Problem, dass es an gewissen Lagen zu warm wird. Die Weinbauern weichen auf höhere oder schattigere Lagen aus. Bei uns hat es dazu geführt, dass alles, was spätreif ist, bessere Chancen hat. Sei es ein Chardonnay, ein Merlot, ein Syrah oder eine Cabernet-Kreuzung. Ein Zweigelt wird jetzt auch bei uns reif. Aber wir werden nie einen Grenache wie in Spanien machen.
Exportieren Sie Ihre Weine?
In den letzten Jahren hatten wir schlicht nicht genügend, um auch noch den ausländischen Markt zu bedienen.
Export ist auch bei den Chips kaum ein Thema. Die Schweiz ist Zweifel-Land, Deutschland gehört den Chio-Chips.
Das stimmt so nicht ganz. Wir wachsen konstant im Ausland. Aber noch auf kleinem Niveau.
Von China hat Zweifel auch schon geträumt. Wie läuft das Business im Fernen Osten?
Wir prüfen diverse Möglichkeiten und sind in verschiedenen Gesprächen. Dazu gehört natürlich auch das in China sehr stark wachsende Online-Geschäft.
Sie kamen unter Beschuss, weil die Chips im Ausland um bis zu einen Drittel günstiger waren.
Damals kollabierte der Euro-Kurs, der Franken wertete sich innert kürzester Zeit massiv auf. Das führte zur Preisdifferenz. Und wichtig zu wissen ist zudem, dass die Verkaufspreise vom Handel festgesetzt werden.
Mit ausländischen Ressourcen oder einer Fabrik in Süddeutschland könnten Sie günstiger produzieren und billiger verkaufen.
Ausländische Kartoffeln sind inklusive Transport und Lagerung nicht viel günstiger als Schweizer Ware. Ausserdem investieren wir aktuell in unsere Produktion in Spreitenbach. Sowohl in Anlagen als auch ins Gebäude und in ein neues Besucherzentrum. Damit zeigen wir, wie wichtig uns der Standort Schweiz ist.
Sie produzieren seit diesem Jahr mit Rapsöl. In Online-Kundenforen beschweren sich einige Dutzend Personen über einen angeblich neuen Geschmack. Wie reagieren Sie darauf?
Womöglich lassen sich einige Kunden blenden vom schlechten Ruf, den Rapsöl früher hatte. Aber grundsätzlich ist die Resonanz sehr gut. Bevor wir den Wechsel gemacht haben, hat die Firma Zweifel Pomy-Chips im Auftrag von meinem Cousin Christoph Zweifel mit zwei repräsentativen Studien ausgelotet, wohin es gehen kann. Das Ergebnis: In allen Aspekten haben wir klare Indizien der besseren Akzeptanz für Rapsöl erhalten. Ausserdem gab es einen Doppelblindtest mit den Zweifel-Familienaktionären. Auch wir haben Rapsöl qualitativ höher eingestuft als Sonnenblumenöl.
Zum Test gab es ein Gläschen Rotwein?
Weisswein. Aber erst danach.
Lange Tradition
- Wein: Das Zweifel-Reich wird kontrolliert von einer Holding. Der Wein-Arm läuft unter dem Namen Zweifel 1898. Es ist das älteste Geschäft der Familie mit langer Tradition in Zürich-Höngg. Die Verbindung zum Zürcher Rebbau geht zurück bis ins 15. Jahrhundert.
- Chips: Die Kartoffelschnitze sind der jüngste Geschäftszweig der Zweifels. Ein Cousin von Heinrich Zweifel senior, dem Grossvater von Walter Zweifel, frittierte in den 1950er Jahren die ersten Chips in einer riesigen Feldküche-Pfanne. 1958 folgte der offizielle Launch.