Der Ruf nach einer stärkeren Kontrolle der KI-Entwicklung ist vor allem im letzten Jahr lauter geworden, da die generative KI rasante Fortschritte gemacht hat. Während öffentliche und private Entscheidungsträgerinnen versuchen, die Vorteile dieser aufstrebenden Technologie zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu mindern, ist die Schweiz in einer starken Position, um eine wichtige globale Rolle bei der Entwicklung und beim Einsatz von KI auf verantwortungsvolle Weise zu spielen.
Seit 2018 arbeitet die Schweiz an der Erstellung eines robusten digitalen Leitfadens, in dessen Zentrum die KI steht. Die Regierung verfolgte damit das Ziel, die Chancen der Digitalisierung in wichtigen Lebensbereichen zu nutzen. Um die Kohärenz der KI-relevanten Politik in einer Reihe von Aktivitäten sicherzustellen, wurden KI-Leitlinien entwickelt, die 2020 in der Bundesverwaltung zum Einsatz kommen sollten.
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Alois Zwinggi ist geschäftsführender Direktor des WEF.
Diese wurden weiterentwickelt, und die Regierung hat im November 2023 eine Übersicht über einen möglichen Rechtsrahmen für KI in Auftrag gegeben. Dieser Ansatz wird auf dem bestehenden Schweizer Recht aufbauen und Regeln festlegen, die mit der bestehenden EU-Gesetzgebung kompatibel sind. Um der engen Verbindung mit der Wirtschaft Rechnung zu tragen, werden die technischen Standards sowie die finanziellen und institutionellen Auswirkungen der verschiedenen Regulierungsansätze berücksichtigt.
Um zu unterstreichen, dass die Schweizer Regierung über ihre eigenen Systeme und die des Landes hinaus blickt, hat alt Bundesrat Ueli Maurer 2020 die «Swiss Digital Initiative» (SDI) formell unterstützt. Die SDI, die von der Stiftung Swiss Digital Initiative unterstützt wird, ermutigt Unternehmen weltweit, ethische Standards in der digitalen Welt zu übernehmen. Ein Beispiel dafür ist die Schaffung eines digitalen Vertrauenssiegels, das Endnutzer und Endnutzerinnen dabei unterstützt, eine informierte Entscheidung über die digitalen Dienste zu treffen, die sie nutzen möchten.
Vor diesem Hintergrund wurde die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor verstärkt, was zu mehreren neuen, wichtigen Initiativen mit globalen Auswirkungen führte.
Branchenübergreifende Initiative
Zu diesem Zweck hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Initiative «Swiss Call for Trust and Transparency» angekündigt. Diese Initiative, die auf der diesjährigen Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos offiziell lanciert wurde, zielt darauf ab, die Wissenschaft, die Politik und den Privatsektor zusammenzubringen, um praktische und rasche Lösungen für die mit KI verbundenen Risiken zu finden. Der Schwerpunkt liegt auf konkreten Massnahmen und nicht auf Rhetorik. Die Ziele der Initiative sind der Schutz der weltweiten KI-Nutzenden und die Entwicklung von Vertrauen in KI-Technologien.
Das Forum ist sich der Dringlichkeit dieser Arbeit bewusst und beherbergt selbst eine «AI Governance Alliance», die führende Vertreter aus Industrie und Regierung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringt, um sich für eine verantwortungsvolle globale Gestaltung von KI einzusetzen und transparente und integrative Systeme zu schaffen.
Ebenfalls an der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums wurde ein internationales Netzwerk vorgestellt, das sich für den verantwortungsvollen Einsatz von KI einsetzt. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH Zürich und EPFL) sowie das Schweizerische Hochleistungsrechenzentrum (CSCS) und Mitglieder des Netzwerks European Laboratory for Learning and Intelligent Systems (Ellis) werden sich dafür einsetzen, KI inklusiver zu gestalten und ihre negativen gesellschaftlichen Auswirkungen durch die Schaffung eines internationalen Exzellenznetzwerks für Informatik und KI abzumildern. Damit soll die interdisziplinäre Forschung und Expertise für KI-Modelle gefördert werden, die den Interessen der Gesellschaft dienen.
Ein Hauptziel dieser Initiative ist die Entwicklung einer stärkeren interdisziplinären KI-Forschung, die sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der UNO orientiert. In diesem Sinne entwickelt die ETH Zürich (und insbesondere ihr KI-Zentrum) auch einen Prototyp eines KI-gestützten Analysewerkzeugs für das Operations- und Krisenzentrum der UNO. Das Tool soll friedenserhaltende Missionen unterstützen und dazu beitragen, Zivilistinnen und Friedenssoldaten besser zu schützen.
Schweiz als Vorreiter
Diese Initiativen zeigen, dass die Schweiz bei der Entwicklung einer verantwortungsvollen KI, die der Menschheit besser dient, eine Vorreiterrolle einnimmt. Es ist nicht schwer, zu verstehen, warum.
Die Schweizerinnen und Schweizer haben eine natürliche Affinität zur Zusammenarbeit und eine Tradition der Förderung des Dialogs. Dies hat das Land zu einer natürlichen Heimat für führende UN-Organisationen gemacht, die ihrerseits Einfluss auf die entsprechenden globalen politischen Verhandlungen nehmen.
Die Schweiz geniesst eine glückliche Mischung aus Verbindungen zwischen der akademischen Welt und innovativen Privatsektoren, durch die sie ein kollaboratives Technologieökosystem mit klaren und transparenten Vorschriften entwickelt hat. Dies wiederum schafft ein einladendes Umfeld für Unternehmen und fördert Partnerschaftsmöglichkeiten.
Das Land zeichnet sich durch eine hohe Dichte an weltweit anerkannten Universitäten pro Kopf der Bevölkerung aus. Deren Schwerpunkt auf Grundlagen- und angewandter Forschung trägt dazu bei, das Streben nach Wissen sowie nach Lösungen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen zu fördern. So ist ein Ökosystem entstanden, das enge Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördert und dazu beiträgt, innovative Produkte rasch auf den Markt zu bringen.
Wir befinden uns zweifellos in einer Ära der radikalen Innovation und des Wandels, und es besteht ein zunehmender Bedarf an einer schnellen und wirksamen Steuerung der KI. KI hat das Potenzial, uns bei der Bewältigung einiger unserer drängendsten globalen Herausforderungen zu helfen, aber nur, wenn sie verantwortungsvoll entwickelt wird, sodass gemeinsame menschliche Werte gewahrt bleiben und ein umfassender gesellschaftlicher Fortschritt gefördert wird.
Die Schweiz entwickelt mit ihrem starken Multistakeholder-Netzwerk aus öffentlichen und privatwirtschaftlichen Interessen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein solches Modell. Viele dieser verschiedenen Interessengruppen sind in Davos zusammengekommen, um diese Arbeit voranzutreiben und eine integrative, sichere Zukunft aufzubauen.