Bald ist Schluss. Je länger der aktuelle Börsenaufschwung noch dauert, desto lauter wird der Chor der Börsenpessimisten. Sie sind sich absolut sicher: Der mehr als zehnjährige Bullenmarkt ist zu Ende. Jetzt.

 

Prognosen sind schwierig

Es gibt weit mehr Fehlprognosen als richtige. Allein im letzten Halbjahr sind in der Schweizer Mediendatenbank über 150 Meldungen über einen bevorstehenden Börsencrash registriert worden. Auch prominenteste Ökonomen wollen kaum an ihre Aussagen erinnert werden, die sie vor zweieinhalb Jahren gemacht haben: «Ja, der Markt ist völlig überbewertet», sagten Auguren wie Yale-Professor Robert J. Shiller, Marc Faber, Jim Rogers oder James Montier.

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Letzterer ist Anlagestratege beim US-Vermögensverwalter GMO und nach dessen Ansicht befand sich die amerikanische Börse im Frühjahr 2017 bereits in einer Blase. Die Kurse würden sich über kurz oder lang halbieren. Doch statt auf rund 10000 Punkte abzusacken, kletterte der Dow Jones Industrial in den letzten dreissig Monaten um fast einen Drittel auf über 27000 Punkte.

Angesichts der Kurshausse ist es wenig erstaunlich, dass die Börsenoptimisten das Terrain noch nicht vollständig preisgegeben haben. Tatsächlich sind viele Anlagestrategen der Banken plötzlich wieder positiver gestimmt, was die Aktienmärkte betrifft. Trotz Rezessionsängsten, Handelskrieg USA-China, Ölpreisanstieg und politischen Brandherden.

Blackrock-Chef Larry Fink rechnet sogar mit einem unvermittelten Kaufsturm auf die Börsen. Ebenfalls kein Ende des positiven Aktienzyklus erwartet die Zürcher Vermögensverwaltungsfirma Albin Kistler oder der erfahrene Markttechniker Alfons Cortés.

Aus der Geschichte lernen

Es ist also wie immer: Die Meinungen der Börsenauguren klaffen weit auseinander. Und sie werden es auch in Zukunft tun. An der Börse wird eben nicht geläutet, wenn der Trend kehrt. Zum Verdruss der meisten Börsianer, die immer wieder zur früh den Aktienzug verlassen oder den Wiedereinstieg Mal für Mal verpassen.

Die Anleger werden noch eine Weile rätseln müssen. Ob es sich bei der Seitwärtsbewegung seit gut einem halben Jahr tatsächlich schon um den Beginn eines echten Bärenmarktes handelt oder bloss um eine relativ kurzfristige Abweichung vom Aufwärtstrend, wird man erst im Nachhinein mit Sicherheit feststellen können.

Indikatoren für die Wende

An Versuchen, aus der Gegenwart die Zukunft herauszutüfteln, fehlt es auch an den Finanzmärkten nicht. «An der Börse wird zwar nicht geläutet, aber gehandelt», erklären Markttechniker. Und an der Art und Weise, wie dies geschehe, lasse sich eine Vielzahl Vorlaufindikatoren bilden, die aufzeigten, wo der aktuelle Börsenzyklus gerade stehe. Das Problem: Die Zahl der sogenannten Frühwarnindikatoren ist so gross, dass auch Experten kaum mehr den Überblick haben. Zudem widersprechen sich diese Indikatoren allzu oft.

Es ist daher leicht, jederzeit Indikatoren zu finden, die für einen steigenden Kurstrend, oder solche, die für einen fallenden Kurstrend sprechen. Und das ist auch gut so. Wären die Signale nämlich immer eindeutig und wäre die Kursrichtung demzufolge ebenso klar, so gäbe es ja immer nur entweder Käufer oder Verkäufer, also gar keinen Markt und damit auch keine Kurse.

Wann die Baisse eine Baisse ist

Klar ist dafür, wann die Experten von einem echten Bärenmarkt oder einer Baisse sprechen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Kurse während mindestens eines Quartals deutlich rückläufig sind und dabei 15 Prozent und mehr ihres Wertes einbüssen. Und ebenso sicher ist: Ein solcher Börsenbär wird kommen. Selbst wenn sich in den nächsten Wochen sämtliche Wolken über dem Börsenhimmel wieder verziehen sollten.

Denn auf jede Hausse folgt eine Baisse. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine historische Erfahrung. Aufgrund dieser Erfahrung lässt sich nüchtern feststellen, dass ein typischer Bärenmarkt im Leitmarkt USA seit dem Zweiten Weltkrieg Einbussen von rund 23 Prozent gebracht hat. In unserem Land fielen die Rückschläge in der Regel deutlich heftiger aus. Die genau ein Dutzend Börsenbaissen, die seit 1928 in unserem Land zu verzeichnen waren, dauerten im Durchschnitt knapp neun Quartale. Sie waren damit nur halb so lang wie die Hausseperioden, brachten aber in dieser Zeit doch happige Kursverluste von rund einem Drittel.

Doch etwas Angst einflössend: Ausgerechnet die zwei Bärenmärkte seit dem Jahr 2000 fielen hierzulande mit Tauchern von über 50 Prozent besonders schmerzhaft aus. Würde sich also dreiteilen, was sich zweigeteilt hat, würden sich SMI und SPI innert sieben bis zehn Quartalen auf 5000 und 6000 Punkte halbieren. Eine düstere Vorstellung.

An der gewählten Strategie festhalten

Zugegeben: Mit diesem Exkurs in die Geschichte hat der Privatanleger zunächst noch gar nichts gewonnen. Er möchte ja wissen, wie er sich hier und jetzt am besten gegen ungewisse Börsenzeiten wappnen soll. Und diesen guten Rat gibt es: Ein Anleger sollte nämlich gar nicht erst versuchen, den Zeitpunkt von Trendwenden zu bestimmen und hektisch zu kaufen oder verkaufen. Er soll im Gegenteil relativ starr an einer einmal erarbeiteten und massgeschneiderten Anlagestrategie festhalten: In dieser wird langfristig fixiert, wie sich die Investitionen auf die verschiedenen Anlageinstrumente aufteilen, wie hoch also etwa die Aktienquote sein sollte.

Gestaffelt kaufen

Anleger, bei denen diese Quote nach der inzwischen zehnjährigen Hausse überschritten wurde, hätten somit konsequenterweise umschichten müssen. Wer so handelt, ist am besten gegen Prognoseirrtümer abgesichert, die sich auch mit ausgetüftelten Frühindikatoren nie vermeiden lassen.

Ein weiterer Schutz gegen Prognoserisiken sind regelmässige, zeitlich gestaffelte Käufe. Wer Aktien über mehrere Jahre verteilt zum immer gleichen Betrag stetig kauft und diese Titel einige Jahre hält, erreicht generell gute Resultate.

Ohne Wenn und Aber: Es lohnt sich, breit diversifiziert in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Immobilien zu investieren, und zwar für jedermann. Mit einer gleichmässigen Streuung auf diese Anlageklassen hat ein Investor in allen Zehn-Jahres-Perioden seit 1970 eine durchschnittliche Rendite von mindestens 4 und durchschnittlich 6 Prozent erreicht. Dies pro Jahr wohlverstanden. Und das Beste: Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dies nicht auch in Zukunft so sein sollte.