Veganes Laufen läuft nicht. Vier Wochen Selbstversuch liegen hinter mir, und das Fazit könnte nicht eindeutiger sein. Der Vegan-Trend ist aus meiner Sicht komplett unnötig. Er ist gut für alle Weltverbesserer, die trotzdem gerne dicke Autos mit Ledersitzen fahren, und Ethik-Freaks, die gerne Gurus hinterherlaufen.

Die Zahl der Veganer, denen es wirklich um eine bessere Welt, um Ernährung und um Tierschutz geht, ist nach meinen Erfahrungen verschwindend gering. Und nur diese sind echte Veganer. Nur sie leben ein bewusstes veganes Leben. Und ich will Ihnen gerne sagen, wie ich zu diesem Urteil komme.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Vom ersten Tag des Versuchs wurde die Kernfrage komplett weggewischt. Das Experiment sollte doch eine zentrale Frage klären: Ist es möglich, bei extremem Training, in meinem Fall bei 25–30 Kilometer laufen pro Tag, eine vegane Ernährung als Basis einzusetzen? Ich bin mir sicher: Das ist nicht möglich. Aber dazu später mehr. Ab Tag eins wurde ich wegen meines Versuchs ausschliesslich von Veganern angegriffen. Auf radikale und aggressive Art und Weise.

Veganer zeigen sich von ihrer schlechten Seite

Mich erreichten Messages wie: «Der ist doch von der Fleischlobby gekauft und hat sich hier nur eingeschlichen.» Oder: «Der geht doch nachts heimlich zu ner Burger-Kette und pfeift sich Burger rein.»

Dabei hatte ich mich ja gerade auf die Seite der Veganer selbst geschlagen. Stattdessen hagelte es Kommentare wie «Schmeiss den Kerl raus aus der Gruppe» (eine der vielen Gruppen in den sozialen Netzwerken), «Bleib bei uns, auch nach Deinem Versuch. Wir brauchen Dich noch für unsere Sache». Oder: «Es stimmt alles, was Du schreibst, Mike. Die meisten Veganer sind übel. Ich habe sogar gesundheitliche Probleme. Aber ich bleibe trotzdem dabei. Ich habe Angst, dass ich verstossen werde, wenn ich aussteige. Also spritze ich lieber Vitamin B12.»

Irgendwie unheimlich. Bekommen Sie langsam eine Temperatur dafür, wie man sich fühlt? Wie eine Kuh, die im Matsch steht, die immer wieder mit dem Bolzen beschossen wird, wie öffentlich geschlachtet zu werden. Da vergeht Ihnen die Lust an jedem Tofustückchen.

Meine Ärztin stellt eine Mangelernährung fest

Ich habe meiner Ärztin Bettina Kuper zu danken. Woche für Woche hat sie mich begleitet. Woche für Woche hat sie eine bioelektrische Impedanzanalyse durchgeführt, um nachzuweisen: Wer sich als Leistungssportler rein vegan ernährt, lässt sich klar auf eine Mangelernährung ein. Und diese muss auch noch teuer bezahlt werden. Ich habe Muskelmasse verloren, dies hat meine Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt. Daran hat sich bis zum Schluss nichts verändert. Trotz ausreichender Kalorienzufuhr habe ich drei Kilogramm abgenommen, ein ziemlich hoher Preis.

Kupers Fazit fällt eindeutig aus: Ich hätte mich auch in Zukunft vegan ernähren können, und das beim selben Trainingspensum. Keine Frage. Jedoch nicht ohne mehr Zeit, Geld, Know-how und Substitution von Vitamin B12. Es geht alles. Gesünder ist es nicht, empfehlen würde es Kuper aus medizinischer Sicht auf keinen Fall.

Ausgewogene Ernährung ist für Sportler zentral

Nun höre ich schon die Stimmen, die ich vier Wochen lang gehört habe: «Dem Kleiss ging es ja nur um sich selbst. Der ist nicht objektiv.» Stimmt. Es ging um mich selbst, das hat ein Selbstversuch einfach an sich. Deshalb heisst er auch so. Und ganz sicher ist vieles meine persönliche Wahrnehmung. Mir ist jedoch der medizinische Aspekt wichtig. Denn Kuper bestätigt im Grunde das, was viele Wissenschaftler und Mediziner seit Jahren predigen: Gerade Sportler benötigen eine ausgewogene Ernährung, dazu gehören auch tierische Produkte.

Wer sich vegan ernährt, ernährt sich nicht ausgewogen. Wäre dem so, müsste alleine der Mangel an Vitamin B12 nicht ausgeglichen werden.

Ab und zu vegane Tage einstreuen

Trotz medizinischer Bedenken wäre ich gerne bei dieser Form der Ernährung geblieben. Eventuell hätte ich mich sogar darauf eingelassen, enorme Kompromisse einzugehen. Denn ich merke am Ende des Versuchs, dass sich mein Körper langsam auf die neue Situation einstellt. Und mithilfe der Ärzte wäre es sicher ein gangbarer Weg. Ein Spitzensportler, der Topergebnisse bringt, würde ich damit nie werden, das ist aber auch per se nicht meine Absicht, egal, mit welcher Ernährung.

Alleine der subtilen Weltverbesserungshaltung und den Missionierungsversuchen ist es geschuldet, dass ich nicht vegan leben werde. Ich teile jedoch die Meinung von Attila Hildmann, bei dem ich mich ebenfalls herzlich für den Support bedanke. Er vertritt die Meinung, dass schon ein grosser Schritt getan ist, wenn wir nur ab und an, vielleicht nur einen Tag oder eine Mahlzeit am Tag vegan gestalten. Und genau so werde ich es halten.

Selbstversuch wird Spuren hinterlassen

Denn ich sehe diese Form der Ernährung als eine wirkliche Ergänzung, als eine Bereicherung. Mein Fleisch werde ich ab sofort aus artgerechter Tierhaltung beziehen, und ich werde wesentlich weniger Kuhmilch konsumieren. Es wird sicher einige Stellschrauben geben, die ich nachziehen werde.

Ich habe durch den Selbstversuch meinen Horizont erweitert, habe Veganer kennengelernt, die mich nicht von vornherein verurteilt haben. Denen danke ich ebenso wie denen, die diesen Versuch einfach abgelehnt haben. Die mir Inkompetenz und Arroganz vorgeworfen haben. Beide Seiten waren eine Bereicherung. Danke auch an die Orthopädie im Mediapark in Köln, die während des Versuchs immer an meiner Seite war.

Machen Sie gerne diesen Versuch einmal für sich selbst, gerade im Zusammenhang mit dem Laufen. Und finden Sie selbst heraus, wie es sich anfühlt. Ein Rat in diesem Zusammenhang: Laufen Sie nicht den Vegan-Gurus hinterher oder solchen, die sich dafür halten. Finden Sie ganz für sich alleine heraus, ob diese Form der Ernährung zu Ihnen passt. Und ob es für Sie damit besser läuft.

Die Kontributoren sind externe Autoren und wurden von bilanz.ch sorgfältig ausgewählt. Ihre Meinung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.