Ein paar Wochen oder Monate Zeit überbrücken mit einer temporären Arbeitsstelle – wer sich diesen Traum erfüllen wollte, kam im Jahr 2022 voll auf seine Kosten. Temporäre Arbeitskräfte waren in der Schweiz gefragt: besonders stark im ersten und zweiten Quartal.

«Temporäres Arbeiten entspricht einem gesellschaftlichen Trend», sagt Bernhard Hänggi, CEO des Personalvermittlers Randstad. Er schätzt, dass die Industrie letztes Jahr rund 460’000 Temporäre beschäftigt hat. 

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Das Temporärgeschäft wächst

Gesamthaft ist das schweizerische Temporärgeschäft 2022 gegenüber dem Vorjahr um 7,2 Prozent gewachsen, wobei die Schwankungen über das Jahr enorm waren. Dies bestätigen auch die Zahlen des Branchenverbands Swissstaffing: So boomte das Temporärgeschäft im ersten Quartal mit einem Wachstum von 17,6 Prozent.

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Als Grund dafür gibt Swissstaffing den Arbeitskräftemangel, Omikron, Lieferengpässe und Inflation an. Als sich der Fach- und Arbeitskräftemangel im Laufe des Jahres zuspitzte, ging das Wachstum zurück und betrug im vierten Quartal noch 3,4 Prozent. Im Dezember 2022 wuchs das Temporärgeschäft wieder überraschend um 10 Prozent.

Die grössere Nachfrage nach Temporärkräften führt Swissstaffing auf die Lage des Gesundheitswesens zurück. Arbeitsausfälle aufgrund von Corona-Erkrankungen, Impfzentren sowie der Personalmangel in Spitälern erhöhten zu Jahresbeginn die Nachfrage nach kurzfristig verfügbaren Arbeitskräften spürbar.

Temporäre arbeiten im Gesundheitswesen, der IT oder im Detailhandel

Auf die Branchen angesprochen, die am häufigsten Temporäre beschäftigten, antwortet Bernhard Hänggi: «Klar das Gesundheitswesen, die Logistik, der Detailhandel sowie die Gastronomie, die sich nach der Pandemie wieder erholt hatte.»

Der Randstad-CEO weist auf ein spannendes Detail hin: Er beobachtete 2022 auch in hochspezialisierten Branchen, etwa in der Informatik und der Life-Sciences-Branche, im Vergleich zum Vorjahr eine erhöhte Nachfrage nach Temporärkräften.

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Dass sich der Fachkräftemangel nach einer coronabedingten Entspannungsphase in den vergangenen zwei Jahren zuspitzte, zeigt auch der Schweizer Fachkräftemangel-Index 2022 von Adecco. Die Rekrutierung von neuem Personal entwickle sich zu einer grossen Herausforderung für Unternehmen, hält Adecco-Sprecherin Jessica Jocham fest.

Speziell gefragt seien derzeit insbesondere Gesundheitsspezialisten, IT-Fachkräfte und ingenieurtechnische Fachkräfte. «Wir gehen davon aus, dass sich der Fachkräftemangel weiterhin verschärfen wird.»

Neue Wege gehen

Was ist zu tun? Gemäss Jessica Jocham gibt es verschiedene Ansätze. Einer davon ist der Einsatz ausländischer Fachkräfte: Das inländische Personal kann besser eingesetzt werden, wenn die Unternehmen die eigene Belegschaft aus- und weiterbilden.

Oder – hier kommt das Temporärgeschäft wieder ins Spiel – das Unternehmen zieht externe Fachkräfte im Rahmen eines temporären Arbeitseinsatzes bei. Dies funktioniert auch bei Studierenden oder anderen Personen, die flexibel auf der Suche nach einer Beschäftigung sind.

Um diese Arbeitskräfte aufzuspüren und anzusprechen, geht Randstad neue Wege. Was mit einem Partner zunächst als mehrmonatiges Pilotprojekt lanciert wurde, kam gut an, wie Bernhard Hänggi ausführt: «Über diesen rein digitalen Kanal rekrutierten wir zu 95 Prozent andere Personen als üblich. Auch solche, die noch nicht oder nicht mehr erwerbstätig sind.» So gelang es, Arbeitskräfte anzusprechen, die nebenher eigene Projekte verfolgten, Pensionierte oder Mütter, die sich einen temporären Einsatz vorstellen konnten.

Die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden gehen in Richtung Flexibilität, nicht nur was den Arbeitsort, sondern auch was die Arbeitszeiten angeht. Gemäss dem jüngsten Randstad-Arbeitsbarometer, einer Umfrage zu Arbeitsmarkttrends in 34 Ländern, sind für 83 Prozent der Befragten bei der Jobsuche flexible Arbeitszeiten entscheidend.

Bernhard Hänggi: «Auffällig ist, dass nur etwas mehr als die Hälfte angibt, dass ihr aktueller Job diese gewünschte Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeiten auch wirklich bietet.» Er weist darauf hin, dass der Bedarf an flexiblen Arbeitszeiten im Ausland noch höher ist.

«Sonst sind die Kandidatinnen und Kandidaten weg»

Ein weiterer Trend geht in Richtung Schnelligkeit: Auch bei Festanstellungen müssen sich Unternehmen heute rascher entscheiden, auf welche Kandidatinnen und Kandidaten sie sich festlegen. Früher hätten sich die Unternehmen mehrere Monate Zeit gelassen, gibt Bernhard Hänggi zu bedenken. «Heute muss man den Prozess von der Bewerbung bis zur Entscheidung innerhalb eines Monates durchdrücken, sonst sind die Kandidatinnen und Kandidaten weg.»

Da es für viele Unternehmen seit Mitte letzten Jahres in der Hochsaison schwierig war, selbst Unqualifizierte zu finden, könne man statt von einem Fachkräftemangel sogar von einem Arbeitskräftemangel reden. Für das laufende Jahr ist kaum eine Entspannung in Sicht. Bei Randstad bewegte sich das Temporärgeschäft im Januar 2023 stabil auf Vorjahresniveau.

Das Feststellengeschäft wuchs weniger stark. Auch Adecco erklärt, dass Schweizer Unternehmen trotz der sich abzeichnenden Konjunkturabkühlung weiterhin eifrig nach Personal suchen. Dies bestätigt der jüngste KOF-Beschäftigungsindikator, der trotz Konjunkturrisiken auf hohem Niveau bleibt.

Eine weitere Möglichkeit, um die Lücken zu füllen, ist gemäss Adecco-Sprecherin Jessica Jocham, von älteren Arbeitnehmenden zu profitieren und ihnen Upskilling zu ermöglichen. Dies lohne sich, denn «diese Personen verfügen über wertvolle Erfahrungen und Fähigkeiten und sind immer digitaler und lernfähiger».

Nicht zu vergessen sei das immer noch nicht gelöste Thema der Eltern und Teilzeitarbeit, wo sich gesellschaftlich und strukturell einiges verändern sollte, etwas mit landesweiten Tagesschulen. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen können die Unternehmen zusätzlich dazu beitragen, diese Arbeitsmarktressource besser zu nutzen.