Er hat es ja bloss gut gemeint. Wenigstens ein Patron, dem das Wohl der Mitarbeitenden noch am Herzen liegt: So klingen die positiven Stimmen im Netz, die sich zur Firmenausflugsidee von Ruedi Noser äussern. Der alt Ständerat lädt die Belegschaft anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums seiner Noser Group im Oktober auf eine Mittelmeerkreuzfahrt ein. 2000 Personen werden laut «Tages-Anzeiger» erwartet.

Während andere Unternehmer den Firmengeburtstag mit einem Dreigänger beim Italiener und ein paar langweiligen Reden zelebrieren, spendiert Noser sogar auch den Familienangehörigen seiner Angestellten einen Urlaub. Dafür gebührt ihm Lob, derlei Gesten sind nicht mehr selbstverständlich in der heutigen Arbeitswelt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Gastautorin

Karin Kofler ist Geschäftsführerin der Zuger Wirtschaftskammer und freischaffende Publizistin.

Trotzdem ist eine Corporate Cruise kein guter Plan. Diese Art des Reisens ist nun mal eine der umweltschädlichsten, und auch das Einfallen in Kohorten in kleine Touristenorte hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Da ist es Kosmetik, dass die Teilnehmenden ermuntert werden, mit dem Zug an den Einschiffungsort zu fahren. Als Politprofi und Mitinitiant der zurückgezogenen Gletscherinitiative sollte Ruedi Noser dieses Sensorium haben. 

Der Fall zeigt exemplarisch: Nahezu nichts mehr ist in Firmen heute unpolitisch – der Firmenausflug kann genauso Empörungswellen auslösen wie das Give-away für Kunden und Kundinnen (made in China?) oder die fehlende Regenbogenflagge am Unternehmenssitz. Die permanente moralische Erwartungshaltung macht das Leben von Wirtschaftsführenden nicht einfacher. Das musste diese Woche auch der Selecta-Konzernchef erfahren, der auf Social Media wenig geistreich über seinen Vielfliegerstatus auf Lebzeiten und den Lachs in der First-Class frohlockte, während er in seinem Unternehmen einen knallharten Sparkurs fuhr, wie die «Aargauer Zeitung» schrieb. Die Abweichungstoleranz von Sagen und Tun wird also immer kleiner. Wenn auf der Firmenwebseite Sätze wie «Wir legen grossen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz» (Noser Engineering) stehen, dann bedeutet das, dass ein Firmenjubiläumsevent konsequenterweise anders gefeiert werden sollte als auf hoher See.

Abseits des Nachhaltigkeitsarguments frage ich mich auch, ob so ein siebentägiger Trip mit den Firmenkollegen und -kolleginnen wirklich eine Kreuzfahrt ins Glück ist. Wenn man schon auf so einem schwimmenden Vergnügungstempel ist, würde man sich doch gerne in der touristischen Anonymität etwas gehen lassen, Party machen, vielleicht mit dem Taxi-Dancer flirten. Unter Dauerbeobachtung durch die Arbeitskollegen- und kolleginnen wird das schwierig. Entspannt in den Whirlpool auf Deck vier einsteigen – und dann merken, dass dort bereits der ungeliebte Finanzchef sprudelt? Vom Nerd aus der IT in der Borddisco zum Foxtrott geholt werden oder mit dem CEO Karaoke singen? Ein zwiespältiges Vergnügen. Und das Schlimmste ist: Es gibt keine Fluchtmöglichkeit.