Herr Kouadio, unter den besten Arbeitgebenden der Schweiz finden sich viele Uhrenfirmen. Wie erklären Sie sich das gute Abschneiden von Breitling, Rolex und Audemars Piguet?
Die meisten Uhrenunternehmen haben die Corona-Krise gut überstanden. Sie sind finanziell gesund geblieben und daher in der Lage, immer mehr Arbeitsplätze anzubieten. In den Augen der Bewerbenden repräsentieren diese Unternehmen eine bestimmte Vorstellung von Know-how und vom Prestige des «Made in Switzerland». Darüber hinaus beteiligen sie sich an vielen Aktivitäten wie Sportsponsoring, kulturellen Projekten oder sozialen und ökologischen Initiativen. Das steigert ihre Ausstrahlung. Wenn man über viele Mittel verfügt, ist man anderen voraus, insbesondere was die neuen Trends bei der Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen betrifft. Im Fall von Rolex zum Beispiel kann man Werte wie Loyalität und Diskretion hinzufügen. Hier werden nicht Tausende von Mitarbeitenden gleichzeitig entlassen. Es wird versucht, das Know-how zu erhalten. Die Belegschaft wird gehegt und gepflegt, denn es ist schwierig, Menschen mit den passenden Fähigkeiten zu finden. Ausserdem bieten diese Unternehmen gute Gehälter.
Was sind heute die wichtigsten Trends im Personalwesen?
Seit einigen Jahren sind die Digitalisierung und der Einsatz von KI unumgänglich, sowohl bei der Rekrutierung als auch beim Onboarding, also der Integration von neuen Mitarbeitenden ins Unternehmen. Was die Qualität des Arbeitslebens angeht, so zeigt sich, dass die Bewegungen zur Flexibilisierung, zum Homeoffice und zur Forderung nach mehr Autonomie und Freiheit anhalten. Auch neue Räumlichkeiten mit funktionalen Zügen, schönem Design und einem gewissen Prestige sprechen immer mehr Arbeitnehmende an.
Wann gilt man in der Schweiz als guter Arbeitgeber?
Seit 2019 führe ich Umfragen zum sozialen Klima in Unternehmen durch. Ich beobachte, dass das Gehalt oder andere materielle Erwägungen letztlich nicht viel dazu beitragen, ob Menschen für ein Unternehmen arbeiten möchten. Das, was zählt, ist das Image des Arbeitgebers; also wofür die Firma steht, wie sie dazu beiträgt, eine bessere Welt zu schaffen, wie sie in den Menschen – das Herz der Organisationsmaschinerie – investiert und sich um ihn kümmert.
Sind flexible Arbeitszeiten ebenfalls ein Thema?
Die Frage der Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen ist nicht neu. Neben der Arbeit selbst sucht man nach einem gewissen Mass an Vergnügen. Covid-19 hat diese Bewegung beschleunigt. Wer sich mit diesen Aspekten befasst, wird als Arbeitgeber wahrgenommen, der sich um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kümmert und nicht nur die Zitrone auspressen will. Dazu gehören auch neue Technologien: Die Menschen sehen, dass diese entstehen, und wollen sie in ihrem Arbeitsumfeld nutzen können.
Welche Beispiele von innovativenMassnahmen im Personalmanagement kennen Sie?
Bei Google wurde das Schenken von Urlaub eingeführt. Personen, die überschüssige Urlaubstage haben, können diese Kolleginnen und Kollegen spenden, die sie dringender benötigen. Dies fördert eine Kultur der Unterstützung. Ein Pflegeheim im Kanton Neuenburg setzt derzeit Virtual Reality in Pausenräumen ein, damit sich die Bewohnerinnen, aber auch die Angestellten besser entspannen und schneller weiterbilden können. Auch die «Gamification» ist auf dem Vormarsch, da die Menschen immer weniger Geduld für klassische Schulungen haben. Mit diesen Methoden kann man ernste Themen spielerischer darstellen und mit verschiedenen Szenarien arbeiten. In der Schweiz arbeiten Unternehmen, beispielsweise Qoqa oder Axa, aktiv daran, ihre hierarchischen Strukturen zu vereinfachen. Insgesamt tendiert man dazu, Titel abzuschaffen und sie weniger schnarchig zu gestalten, damit sich die Menschen besser integriert fühlen.
Zurück zur florierenden Uhrenindustrie – was sind die grössten Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Es sind zwei Trends zu erkennen. Erstens beginnt man damit, auf Kurzausbildungen vom Typ Eidgenössisches Berufsattest (EBA) zurückzugreifen. Dadurch können Personen mit begrenzten Kompetenzen sehr schnell entsprechend den Erwartungen des Marktes eingesetzt werden – das ist bereits die Antwort auf eine Herausforderung. Anderseits benötigt der Uhrensektor für eine zukünftige Differenzierung sehr kompetente Personen, insbesondere für die Herstellung anspruchsvoller Komplikationen. Diese wiederum erfordern eine längere Ausbildung. Die künftige Attraktivität dieser Berufe wird eine der grössten Herausforderungen in der Uhrenbranche sein; es wird darum gehen, mehr Technologie einzubringen, um die neuen Generationen anzusprechen.
Und in den anderen Branchen?
Die Finanz- und Pharmabranche, die in Bezug auf die Arbeitsbedingungen mit der Uhrenindustrie konkurriert, ist mit demselben Flexibilisierungsbedarf konfrontiert. Wir sind in eine sogenannte Yolo-Wirtschaft eingetreten, wir leben nach dem Motto «You only live once». Man möchte sich nicht mehr von der Arbeit entfremden. Fragen der Gesundheit und des Wohlbefindens werden immer entscheidender. Da es im Krankenhaussektor aufgrund der Gesamtarbeitsverträge schwierig ist, bei den Löhnen zu konkurrieren, setzt man mehr auf Teamgeist, familiäre Atmosphäre oder wohlwollendes Management. In Delémont JU hat das Tech-Unternehmen Willemin-Macodel eine Rekrutierungskampagne gestartet, bei der das jurassische Patois – der lokale Dialekt – eingesetzt wird. Die Idee ist, eine Sprache zu verwenden, welche die Menschen anspricht und klarmacht, dass das Unternehmen nicht das ganze Leben der Arbeitnehmenden ist. Kurz gesagt, es geht darum, eine Win-win-Sprache zwischen Arbeitnehmenden und Unternehmen zu verwenden.
Deshalb gehören sie zu den Besten
Wir haben einige der Besten Arbeitgeber unter die Lupe genommen. Dieses Jahr gehören Breitling, respektive die Uhrenbranche, Delica, Victorinox und die Mobiliar zu den Besten der Besten. Weshalb, das lesen Sie in den jeweiligen Porträts: