Unter dem Motto «Wake up the changemaker in you» fand letzte Woche der Jahresanlass des auf Gleichstellung spezialisierten Wirtschaftsverbandes Advance statt – im Rahmen des internationalen Frauentags. Der Imperativ an die Frauen wirkte dieses Mal irgendwie unpassend: In den USA wird gerade alles, was mit Diversity, Equity und Inclusion (DEI) zu tun hat, niedergerissen, Konzerne wie Goldman Sachs oder Deloitte haben ihre Diversitätsinitiativen in den USA bereits zurückgenommen. Nun folgen auch die globalen Schweizer Konzerne UBS und Roche, wie diese Woche herauskam.
Nach jahrzehntelangem Kampf um Lohnparität und Karrierechancen von Frauen steht dank den Rambos im Weissen Haus plötzlich wieder Grundsätzliches zur Debatte. Alt Bundesrätin Simonetta Sommaruga brachte es in ihrer Rede am Advance-Event auf den Punkt: «Wir haben alle gemeint, dass Chancengleichheit und Gendergerechtigkeit in der Wirtschaft so stark verankert sind, dass die Entwicklung nicht mehr gestoppt werden kann.» Nun sehe man, dass das Rad sogar zurückgedreht werden könne.
Die Gastautorin
Karin Kofler ist regelmässige Gastkolumnistin und selbstständige Publizistin.
Die Sorgen sind berechtigt. Vor allem wenn man sieht, dass sich in Männerkreisen trotz der drastischen Ereignisse der letzten Wochen hartnäckig eine sublime Bewunderung für den archaischen Führungsstil des US-Präsidenten hält. Durchsetzungsfähigkeit, Härte, unzimperliches Vorgehen – sein machtbasiertes Geschäftsgebaren scheint gewisse Wirtschaftsvertreter zu faszinieren. Er sei verrückt, aber habe wenigstens «Eier», hört man dann im kleinen Kreis. Vielleicht brauche es jetzt so ein disruptives Verhalten, sagte mir ein Dozent der Uni Zürich. «Gut, ist die Wokeness nun endlich vorbei», frohlockte ein anderer.
«Was zum Teufel geht da gerade ab?», fragt man sich als Frau. Donald Trump triggert vieles – offenbar auch eine Art Gleichstellungsfrust. Aus Sicht so mancher Männer hatten Frauen in der Schweiz in den letzten zehn Jahren massive Vorteile, schnappten ihnen attraktive Jobs oder VR-Mandate weg. Der Frauenanteil in Schweizer Geschäftsleitungen liegt zwar laut dem «Schillingreport» erst bei bescheidenen 22 Prozent. Dass Trump jetzt das Ende von DEI erklärt, bestätigt diese Männer jedoch in ihrer Wahrnehmung, zu kurz gekommen zu sein und zu viel Gleichstellungsdebatte ertragen zu haben.
Der Gender-Feldzug aus Washington löst entsprechend Verunsicherung in den Firmen aus. Denn er erwischt sie in einer Zeit, in der das Thema Frauenförderung sowieso schon Ermüdungserscheinungen zeigte und in der Prioritätensetzung der Führungsgremien nach hinten rückte, obwohl die Ziele noch längst nicht erreicht sind. «Der aktuelle Umgang mit der Diversität in den USA sollte kein Vorbild für die Schweiz und Europa sein», warnt denn auch Fabienne Meier, Partnerin beim Executive-Search-Unternehmen Knight Gianella. Gerade in geopolitisch unsicheren Zeiten brauche es diverse Teams, die die Innovation förderten. Meier findet aber, dass die Diversity-Aktivitäten teils ausgeufert seien und wieder fokussiert werden sollten.
Wie ernst die Lage ist, zeigt das Communiqué, das Economiesuisse, Arbeitgeberverband und Frauenorganisationen letzte Woche gemeinsam publizierten. «Wir appellieren an Führungskräfte in der Schweiz, den eingeschlagenen Kurs für mehr Chancengleichheit und Fairness fortzufahren.» Dass solch eine Selbstverständlichkeit 2025 wieder als News-Meldung verschickt werden muss, ist deprimierend.