Die deutschen Medien zeigen sich gestern ein bisschen zerknirscht: Deutschland ist am Ende. Es geht um die Rolle, welche die Frauen im Topmanagement der grossen Konzerne spielen, und da war die Ausbeute in einem internationalen Vergleich mager. «Frauen im Vorstand: Deutschland Schlusslicht» – fast wortgleich titeln Medien wie die «Süddeutsche Zeitung»ZDF oder «Spiegel online».

Die deutsch-schwedische Allbright-Stiftung hatte verglichen, wie stark Frauen in den Konzernleitungen der grössten Unternehmen  vertreten sind – und zwar auch in Frankreich, Grossbritannien, Polen, den USA und Schweden. Und heraus kam, dass Deutschland mit einem weiblichen Anteil von 12,1 Prozent in den Vorständen nur halb so hohe Werte erreichte wie die USA (24,8 Prozent) oder Schweden (24,1 Prozent).

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Ein Dutzend Konzerne ohne Frauen

Schlusslicht Deutschland? Vergleichen wir es doch mit der Schweiz. Die Allbright-Studie testete in jedem Land die dreissig grössten Börsenkonzerne – und das lässt sich leicht replizieren: Wir betrachten einmal die 20 SMI-Unternehmen sowie die 10 grössten Firmen aus dem SLI- beziehungsweise SPI-Index.

Und siehe da: Die Werte sind auf allen Ebenen noch tiefer als beim nördlichen Nachbarn. Der Anteil der Frauen in den Schweizer Grosskonzern-Leitungen erreicht gerade mal 8,5 Prozent.

Zieht man alle Unternehmen ab, die gar keine oder lediglich eine Frau im Top-Management haben, so bleiben übrig: Roche, Novartis und UBS mit je zwei Konzernleitungs-Managerinnen. Sowie die Zurich-Gruppe mit drei. 

Zurich ist damit das einzige der erfassten Unternehmen, wo der Frauenanteil in den Teppichetagen mehr als 25 Prozent beträgt. Und wie in Deutschland erreicht kein Schweizer Unternehmen einen Anteil von mindestens dreissig Prozent.

Mehr im VR, weniger in der Konzernleitung

Zum Vergleich: In Grossbritannien schaffen 23 Prozent diese Quote, welche oftmals als kritische Masse für eine weitergehende Veränderung gilt; in den USA sind es 30 Prozent und in Schweden 34,5 Prozent. 

Man könnte noch andere Vergleichswerte nehmen: Anteil der Unternehmen mit mindestens zwei Frauen im Vorstand; oder Anzahl der Unternehmen mit einer Frau als CEO – die Quoten bei den SMI- und SPI-Konzerne sind immer speziell mager. Das Missverhältnis ist also breit abgestützt, und jedesmal liesse sich titeln: «Frauen im Vorstand: Schweiz Schlusslicht».

Für einmal nimmt hier eine Studie die Konzernleitungen ins Visier – und nicht die Aufsichts- respektive Verwaltungsräte. Denn dort, bei den Überwachungsgremien, haben die Frauen doch eine etwas stärkere Stellung. Undenkbar scheint, dass fast die Hälfte der Unternehmen keine einzige Verwaltungsrätin haben. Das hat damit zu tun, dass es sich hier öfter um Teilzeit-Mandate handelt, auch um Positionen für Quereinsteiger.

Die Vergleiche der Studie zeigen allerdings auch: Geschlechterquoten für Aufsichtsräte haben wenig Einfluss auf die Diversity im aktiven Topmanagement. Ausgerechnet die Länder mit gesetzlichen Geschlechterquoten für die Aufsichtsräte haben den tiefsten Frauenanteil in den Vorständen.