Die jüngsten Zahlen des Schweizer Kadervermittlers Guido Schilling sprechen eine deutliche Sprache. Im vergangenen Jahr lag der Frauenanteil im Topmanagement von Schweizer Unternehmen bei gerade mal 20 Prozent. Von den hundert grössten Arbeitgebern der Schweiz hat noch immer fast jedes vierte Unternehmen keine Frau in der Geschäftsleitung, obwohl für börsenkotierte Unternehmen eine Mindestquote von 20 Prozent ab 2031 gilt. Und was den Frauenanteil in Verwaltungsräten angeht, ist die Schweiz im EU-weiten Vergleich an zweitletzter Stelle, hinter 16 anderen Nationen wie Portugal, Kroatien oder Italien. Nur Griechenland hat eine noch schlechtere Quote.

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Werden Frauen übergangen und nicht gefördert – oder wollen sie nicht? Sowohl als auch, musste ich mit Bedauern feststellen. Sheryl Sandberg, 15 Jahre lang Aufsichtsrätin bei Facebook, hat 2013 mit «Lean In» – sinngemäss übersetzt «Häng dich rein» – ein viel beachtetes Buch über die Schwierigkeiten von Frauen geschrieben, im Topmanagement grosser Unternehmen anzukommen. Der Hauptgrund sei die mangelnde Ambition von Frauen, um Führungspositionen zu kämpfen, schreibt sie, sowie das fehlende Selbstvertrauen. Den Frauen würde eine gewisse Ellenbogenmentalität guttun. Stattdessen setzen sie häufig lieber auf Konsens und Kollegialität. Im Gegensatz zu «Diven» oder «Ego-Shootern», die sich für die gleiche Funktion bewerben und Zusammenarbeit allenfalls als eine unvermeidbare Notwendigkeit verstehen.

Beförderungen folgen dem Ähnlichkeitsprinzip

Frauen trauen sich zu wenig zu. Kommt hinzu, dass es häufig an gezielter Förderung auf der mittleren Management-Ebene fehlt, wie Guido Schilling bestätigt. Beim Berufseinstieg sind Frauen und Männer sowohl zahlenmässig als auch mit Blick auf die Vergütung noch relativ gleichberechtigt. Doch schon bei der ersten Stufe der Karriereleiter sind Frauen unterrepräsentiert. Beförderungen folgen häufig dem Ähnlichkeitsprinzip: Vorgesetzte fördern Kandidaten, die ihnen einerseits nicht gefährlich werden können und die ihnen anderseits am ähnlichsten sind. 

Noch immer entscheiden sich Karrieren in den Hinterzimmern der Schweiz. Einige wenige Herren befördern andere Herren mit derselben Alma Mater und Herkunft in die Etagen der Macht. Das führte zu homogenen Teams, in denen Andersdenkende eher stören. Frauennetzwerke gibt es zwar mittlerweile, Frauen selbst sind jedoch noch immer unterrepräsentiert. Frauen fördern und stützen sich gegenseitig zu wenig. «In der Hölle», so sagte es im Jahr 2006 die damals amtierende US-Aussenministerin Madeleine Albright, «gibt es einen besonderen Platz für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen!»

Erschwerend kommt die träge gesellschaftliche Entwicklung hinzu. Frauen benötigen noch immer einen Masterplan, um Karriere, Familienorganisation und Kinder zu managen. Die Managerin hat eine Doppelbelastung. Für Männer sind Kinder kein Karrierehindernis.

Es gibt eine Vielzahl an Hindernissen, die es Frauen erschweren, Karriere zu machen. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, nützt nichts. Es wäre schon mal ein Anfang, ambitionierte Kolleginnen im eigenen Umfeld zu stützen, quasi als Mentorin zu agieren. Wenn jeder bei sich selbst anfängt, verändert sich irgendwann das System.