Sie sind nicht auszurotten, diese Zielslogans: «Ist es nicht messbar, ist es kein Ziel» oder «Kannst Du es nicht messen, kannst Du es nicht erreichen». Dabei ist das Quatsch. Eine Fixierung auf die Messbarkeit richtet Schaden an. Neben der oftmals unzureichenden Kennzahlenfokussierung erliegen Führungskräfte zusätzlich dem Trugschluss, Kennzahlen seien objektiv und fair. Doch das sind sie nicht.
Ein typisches Beispiel: Zwei Mitarbeitende im Vertrieb haben beide das Umsatzziel von 1 Million Franken. Herr A erreicht 1,2 Millionen. Frau B schafft 850’000. Er bekommt lobend einen Bonus, während sie leer ausgeht und sich rechtfertigen muss, warum das Ziel nicht erreicht wurde. Gegeisselt vom Messbarkeitswahn, wird die Motivation von Frau B zerstört. Dabei hatte Herr A einfach nur Glück: Einer seiner Kunden reorganisierte sein Geschäft, das lieferte Herrn A ein Zusatzeinkommen. Es war ein lockeres Jahr. Anders bei Frau B: In ihrem Gebiet hat ein grosser Kunde Insolvenz angekündigt, die Bahn streikte, und Lieferketten brachen ab. Es ist eine enorme Leistung, dass Frau B unter solch widrigen Umständen überhaupt ein gutes Ergebnis erreichen konnte. Als Dank für ihr unermüdliches Engagement und ihr Durchhaltevermögen bekommt sie jedoch nur ein «Nicht erreicht» quittiert und muss zusehen, wie ihr Kollege über Bonuszahlung frohlocken kann.
Ein System verwaltet die Ziele besser als eine Führungskraft
Wer so führt, sollte fortan durch ein IT-System ersetzt werden. Denn mit Führung hat das nichts zu tun – schon gar nicht mit guter. Als Führungskraft ist es mein Job und meine Pflicht, Leistung zu beurteilen. Jene Leistung, die erbracht wurde, um das Ziel zu erreichen. Im obigen Fall wäre das bei Herrn A eine mässige und bei Frau B eine tolle Leistung.
Diese Auseinandersetzung mit der Belegschaft ist aufwändig und kostet Zeit. Leistungsbewertungen sollten nicht nur am Jahresende erfolgen, sondern unterjährig in offiziellen und inoffiziellen Standortgesprächen. Wer am Jahresende panisch versucht, irgendwelche Daten zusammenzutragen, macht etwas grundlegend falsch – und ist eine schlechte Führungskraft.
Doch damit nicht genug: Der Messbarkeitswahn verführt zudem dazu, einen grossen Bogen um qualitative Ziele zu machen. Das ist fatal. Der Erfolg eines Unternehmens hängt entscheidend von qualitativen Faktoren ab wie beispielsweise zufriedenen Kunden, Qualität, Innovationskraft, stabilen Partnerschaften und qualifizierten, motivierten Mitarbeitenden. Ziele mit diesen Inhalten sind eine Rarität geworden. Dabei wären sie in Zeiten von Turbulenzen, Homeoffice und mobilem Arbeiten wichtiger denn je. Ziele erhöhen die Selbstorganisation und Selbststeuerung. Sie geben Orientierung und befähigen, die richtigen Prioritäten zu setzen.
Man bespricht, was dazu getan werden muss, was «erfolgreich implementiert» heisst oder woran man festmacht, dass das Ziel erreicht wurde. Ein paar Gedanken dazu sind nötig, ja, aber die hier investierte Zeit bekommt man unterjährig mehrfach zurück. Zudem ist es gelebter Respekt und echte Fairness im gelebten Alltag.