Ein Thema erlebte während der Corona-Pandemie einen regelrechten Boom: die mentale Gesundheit. Der Grund ist jedoch ein trauriger: Viele Leute leiden an Stress, Angstzuständen oder Depressionen. Die Pandemie hat das Problem verschärft.
Die Axa befragte in einer Studie 31’000 Personen aus 16 Ländern zu ihrem mentalen Wohlbefinden. Das Ergebnis: Noch vor Angstzuständen und Depressionen macht den Befragten Stress zu schaffen. Und Frauen leiden häufiger unter Stress als Männer, weil ihre Kompetenzen häufiger angezweifelt werden.
Schweizer leiden unter Stress
Auch wenn sich die Schweiz in der internationalen Stress-Statistik im Mittelfeld befindet, leiden mehr als die Hälfte unter mittleren bis starken Symptomen. Das entspricht einer bedrückenden Steigerung gegenüber dem Vorjahr, als es jede dritte Person war.
Insgesamt kommt die Schweiz im internationalen Vergleich in Sachen mentale Gesundheit noch gut weg. Sie belegt den vierten Rang – ganz am Schluss finden sich die Türkei, Japan und Italien. Das gleiche Bild zeigt sich auch in Bezug auf Depressionen oder Angstzustände. Hier vermeldet jede vierte Person mentale Gesundheitsprobleme – Spitzenreiterin ist die USA, wo 40 Prozent der Befragten psychische Erkrankungen angeben.
Frauen kämpfen mit grösserem Druck
Ein Detail sticht in der Studie am meisten ins Auge: Die mentale Gesundheit variiert stark zwischen den Geschlechtern. Die Frauen weisen durch alle Altersgruppen hindurch ein schlechteres Wohlbefinden aus.
Einerseits gaben 22 Prozent mehr Frauen als Männer an, unter Stress zu leiden. Fast jede Dritte weibliche Befragte vermeldete Schwierigkeiten, den Ansprüchen ihres Umfelds gerecht zu werden. Dazu kommt, dass Frauen durchschnittlich leicht tiefere Werte der Selbstakzeptanz und Lebensfreude auswiesen.
Einen wichtigen Grund für diesen Gendergap fand die Studie im grösseren Druck, dem viele Frauen in unterschiedlichen Lebensbereichen ausgesetzt sind: Aufgrund ihres Geschlechts erhalten sie beispielsweise fast doppelt so häufig unerwünschte Kommentare, in gleichem Masse werden regelmässig ihre Fähigkeiten angezweifelt.
Frauen erhalten weniger Vertrauen als Männer
Die Studie vertiefte die Gründe nicht weiter, doch sie schlägt in dieselbe Kerbe wie bereits der Reykjavik Index. Dieser zeigte, dass sich Angestellte weniger wohl fühlen mit einer Frau im Chefsessel als mit einem Mann als Vorgesetzten.
Personalexpertin Ursula Bergundthal sagte gegenüber der «Handelszeitung»: «Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen noch nicht bereit sind, Frauen das gleiche Vertrauen entgegenzubringen wie Männern.»
Der Grund: «Die Vorwürfe stehen im Raum, dass nicht mehr die Besten eine Position erhalten, sondern die Frauenförderung im Vordergrund steht.» Um diesen Vorwürfen zu begegnen, empfiehlt die Expertin, allen neuen Führungskräften – unabhängig vom Geschlecht – einen Coach zur Seite zu stellen.
Denn Frauen müssen in Führungspositionen – und auch sonst im Berufsalltag – vor allem mit guten Leistungen überzeugen. Nur so werden Vorurteile abgebaut und ihre Fähigkeiten nicht länger angezweifelt.
3 Kommentare
"Frauen sind niemals stärker, als wenn sie sich mit ihrer Schwachheit bewaffnen."
Marie de Vichy-Chamrond, marquise du Deffand (1697 - 1780), in ihrem literarischen Salon verkehrten Voltaire, Montesquieu, Horace Walpole u.a., ihr Briefwechsel mit Voltaire und Walpole ist von bedeutsamem kulturhistorischen Wert
Quelle: Hoddick (Hg.), Aphorismenschatz der Weltliteratur. Weltliche Texte für Rede und Schrift, 1898. An Voltaire
"Nichts zeigt besser den Charakter eines Mannes als die Art und Weise, wie er sich den Frauen gegenüber verhält."
Voltaire (1694 - 1778), eigentlich François-Marie Arouet, französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller
"Die Frauen haben nicht Unrecht, wenn sie sich den Vorschriften nicht fügen wollen, welche in der Welt eingeführt sind: weil die Männer sie verfaßt haben, ohne die Frauen zu fragen."
Michel de Montaigne (1533 - 1592), eigentlich Michel Eyquem, Seigneur de Montaigne, französischer Philosoph und Essayist
Quelle: Montaigne, Essais, Erstdruck 1579, erste Gesamtausgabe 1595 (posthum)