Der Anteil von Frauen in Kaderpositionen in Schweizer Unternehmen liegt seit fast 25 Jahren unverändert zwischen 30 und 40 Prozent. Obwohl viele Unternehmen die Vorteile gemischter Führungsteams erkannt und Massnahmen zur Förderung von Frauen ergriffen haben, sind die Effekte überschaubar. Woran das liegen könnte, haben Führungskräfte im Rahmen des Projektes Leaders for Equality der Uni St. Gallen (HSG) in Gruppendiskussionen diskutiert.

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Vorurteile als Grundproblem

Eine immer wiederkehrende Erklärung der Manager, die in der Gruppendiskussion befragt wurden, ist das «Wollen». Die befragten Führungskräfte erzählen, dass Frauen zu ihnen sagen: «Nein, das will ich gar nicht! Ich will diese Verantwortung gar nicht auf mich nehmen, diese Extrameile gehen, so lange im Büro sein.»

Für Frauen wirke die Vorstellung, abends nach der Arbeit noch stundenlang über die Arbeit nachzudenken, abschreckend. Auch dass die Vorgesetzten «gestresst herumhuschen und Überstunden machen» führe dazu, dass Frauen sagen: «Ich bin glücklich mit dem, wie ich es mache. Ich will mir das gar nicht antun müssen.»

Die Manager bleiben hier jedoch nicht stehen und hinterfragen das «Nichtwollen». Neben den sehr gewichtigen mangelnden Möglichkeiten, Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren, werden vor allem problematisierende Aspekte «männlicher» Kultur diskutiert. Aus Sicht eines im Rahmen des HSG-Forschungsprojekts befragten Managers müsse überlegt werden, «ob wir eine männliche Kultur haben, wo du als Frau nicht so brillieren und wirken kannst, sodass du dich vielleicht nicht wohlfühlst.»

Vorurteile gegenüber Frauen

Die männliche Kultur äussere sich unter anderem in Vorurteilen gegenüber den Fähigkeiten von Frauen. So werde bei einer Frau schnell gefragt: «Kann die das überhaupt? Was sucht sie hier überhaupt?» Auch gegenüber Kunden müssten Frauen «zehnmal mehr geben, weil der Kunde verlangt: ‹Ja, gib mir einen der drauskommt!›», so ein Zitat aus der Gruppendiskussion.

Diese Vorurteile seien ein Grundsatzproblem: Spürt eine neu ins Unternehmen kommende Person, dass sie nicht vorurteilsfrei akzeptiert wird, und bekommt zudem das Gefühl, doppelten Effort bringen zu müssen, um als kompetent angesehen zu werden oder überhaupt eine Chance zu bekommen, dann ist es für diese Person ungleich schwieriger, zu sagen: «Ich will diese Position haben!»

Gegen die Vor­urteile anzugehen, sei ein «Kampf gegen Windmühlen».

Gegen die Vorurteile anzugehen, sei nicht nur für Frauen, sondern auch für die Manager ein «Kampf gegen Windmühlen». Die befragten Manager fühlen sich «wie ein Forscher oder Entwickler, der dabei ist, eine Firma mitzuentwickeln oder eine Kultur zu ändern», wenn eine Frau Verantwortung übernimmt.

Männer prägen die Firmenkultur

«50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen funktioniert im Betrieb – und dann ist alles geklärt», äussert eine Führungskraft in der Gruppendiskussion überzeugt. Da dies aber selten der Fall sei, erschwere die männliche Kultur die notwendigen Veränderungen. So betont ein Manager, dass es «die Lauten» seien, die «am Schluss gehört» würden. «Und die Lauten und Extrovertierten sind dann meistens die Männer.» Frauen würden sich, auch wenn sie einen super Job machen und über Führungskompetenzen verfügen, in der Tendenz unter Wert verkaufen.

Projekt «Leaders for Equality»

► Projekt

Diskutieren Sie auch auf Social Media mit und folgen Sie unserem Projekt auf Linkedin und Twitter. Das Gesamtprojekt Leaders for Equality steht unter der Leitung von Julia Nentwich und Gabriele Schambach von der Uni St. Gallen. Unterstützt wird es vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann. In Partnerschaft mit der Schweizer Kader Organisation (SKO) und der «Handelszeitung» werden sie an dieser Stelle fortan regelmässig über die im Projekt gewonnenen neuen Erkenntnisse und Erfahrungen berichten.

Engagement

Die «Handelszeitung» unterstützt Leaders for Equality im Rahmen ihres Engagements für das Equalvoice-Projekt des Medienkonzerns Ringier. Ziel ist, den Frauen in der Medienberichterstattung die gleiche Stimme zu geben wie Männern. Die Medientitel der Ringier-Gruppe und damit auch die «Handelszeitung» messen daher den Frauenanteil in ihren Artikeln seit einigen Monaten mittels einer KI. Gleichzeitig will die «Handelszeitung» ihren Leserinnen und Lesern praktische Tools für mehr Diversität liefern.

Bisherige Berichte

Wie Chefs und Kollegen Frauen im Job stärken können

Die Gleichstellungsrendite

 

 

Auch sei «die Quote von Männern, die von sich überzeugt sind, dass sie jetzt für die nächste Stufe super geeignet sind, deutlich grösser als bei den Frauen». Eine grössere Visibilität von Frauen sei nur mit einer vermehrten Unterstützung durch die (männlichen) Führungskräfte möglich. Damit mehr Frauen Führungspositionen «wollen», sind kulturelle Veränderungen in den Unternehmen erforderlich.

 

Männliche Chefs müssen eine Kultur wollen, die Frauen aufsteigen lässt.

Dafür wird aber unbedingt das «Wollen» der männlichen Führungskräfte benötigt, denn sie sind nach wie vor in der Mehrheit und prägen die Kultur des Miteinanders. Eine Entwicklung hin zu egalitären Formen der Zusammenarbeit, die schliesslich für Frauen wie Männer gleichermassen ansprechend sind, sowie ein Führungsverständnis, das die Vereinbarkeit von Führung und Familie für Frauen und Männer ermöglicht, ist dann möglich, wenn Frauen und männliche Führungskräfte die aktuell wirksamen kulturellen Hindernisse beseitigen wollen und können.

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