Nichts gegen Fabrice Zumbrunnen, aber der Migros-Chef zeigt in der aktuellen Alkohol-Frage eine Führungsschwäche. Im Juni stimmen die Genossenschafter ab, ob künftig Bier und Wein in den Ladenregalen stehen dürfen. Bei seinem Amtsantritt 2018 sprach Zumbrunnen noch Klartext: «Nein, definitiv nicht», antwortete er auf die Frage, ob die Migros in den Supermärkten Alkohol verkaufen soll. Und nun? Ist er dafür oder dagegen?
Man weiss es nicht, Zumbrunnen hält sich vornehm zurück. Und überlässt das Feld Präsidentin Ursula Nold, die für den Alkoholverkauf weibelt. Zurückhaltung in wesentlichen Fragen steht jedoch einem Konzernleiter nicht gut an, egal ob er ein börsenkotiertes Unternehmen oder eine Genossenschaft mit föderaler Struktur leitet. Zurückhaltung zeugt rasch von Unsicherheit. Dass der Vorsteher des Migros-Genossenschafts-Bunds innert weniger Jahre vom klaren «Nein» zu einem Laissez-faire schwenkte, verstärkt diesen Eindruck.
Der feingeistige und charmante Romand ist kein Leader, der den orangen Riesen souverän gegen aussen verkörpert – und sich intern durchsetzt. Es scheint, als hätten die Regionalfürsten das Zepter übernommen. Die grossen Genossenschaften machen längst vieles auf eigene Faust. Und die kleinen aus der Westschweiz wollen nun mit Alkohol ihre Umsätze aufbessern. Sie drängten schon unter Herbert Bolliger darauf; der Ex-Chef klemmte solche Diskussionen jedoch ab.
Aus Zumbrunnens Perspektive sind indes nicht regionale Befindlichkeiten entscheidend, sondern der Blick auf den Gesamtkonzern. Dürfen nach der Abstimmung manche Genossenschaften Bier und Wein verkaufen und manche nicht, entsteht ein kaum verständlicher Flickenteppich. Obendrein würde Migros’ bisheriger Spirituosenhändler Denner unnötig konkurrenziert. Es wären weitere Handicaps im Konkurrenzkampf mit der wendigeren Erzrivalin Coop. Zumbrunnen müsste lenken, möchte aber die Zügel nicht in die Hand nehmen.