Die Debatte um Gleichstellung am Arbeitsmarkt kennt zwei Begründungen, warum Frauen benachteiligt seien beim Verteilungskampf um Topjobs: Entweder hindern «Männerbünde» oder einzelne «Buddies» sie daran, weil diese sich gegenseitig fördern. Oder die familiären Rahmenbedingungen passen nicht, weil etwa keine Kinderbetreuung zur Verfügung steht.

Die Headhunting-Gruppe H.I. Executive Consulting (HIEC) mit 14 Standorten weltweit, die Grosskunden wie EY oder Accenture betreut, liefert eine dritte Erklärung: Frauen machen es Personalvermittlern oft unnötig schwer. In einer internen Evalution stellte HIEC, die Hunt Scanlon zu den 40 besten Recruitern der Welt rechnet, Erstaunliches fest: Im Schnitt dauere der Prozess, einen Mann in eine Stelle zu vermitteln, 92 Tage, bei einer Frau jedoch 130 Tage – gut 40 Prozent länger. Die Unterschiede zeigten sich schon bei der Kontaktaufnahme: 90 Prozent der Männer, via Mail, Telefon oder LinkedIn angesprochen, reagierten offen und zugänglich, selbst im Fall von Desinteresse an dem Job, empfählen oft sogar ersatzweise eine andere Person – bei den Frauen seien es hingegen nur 30 Prozent, so Lucas Schellenberg, Global Managing Partner bei HIEC mit Sitz in Zürich, die Mehrheit reagiere gar nicht oder genervt.

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Sein Eindruck: «Viele Frauen fühlen sich belästigt, statt dass sie sich freuen, proaktiv durch Executive Searcher angesprochen zu werden.» Weitere Beobachtungen seiner Teams: Frauen sind in jeder Phase des Prozesses eher bereit, abzuspringen, verlangen teils enorm detaillierte Angaben zu den einzelnen Aspekten des ausgeschriebenen Jobs, sind wesentlich selbstkritischer und deshalb viel vorsichtiger im Eigenmarketing. Schellenbergs Fazit: «Viele bringen sich selbst um ihre Chancen.»
Verblüffend sei: Trotz der längeren Abwägungsphase blieben Frauen, die dann einen neuen Job annehmen, im Schnitt dennoch nicht länger als Männer in dieser Position.

Laut Schellenberg sind die zögerlichen Frauen für Headhunter ein Dilemma, weil viele Kunden gezielt Frauen suchen. Wie HIEC auch selbst: Die Hälfte der Partner, betont Schellenberg, seien Frauen. Und weil sich alle inzwischen auf die andere Herangehensweise weiblicher Kandidaten eingestellt hätten, gelinge es HIEC, rund 30 Prozent Frauen in Boards und Konzernleitungen zu platzieren.