Das Marketing ist dabei, sich mit Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) eine neue Dimension zu erschliessen: die Emotionen. Zwar werden inzwischen schon via CRM (Customer Relationship Management) Daten des Kundenerlebnisses, der Customer Experience (CX), in den Unternehmen über eine breite Palette betriebsbezogener Daten genutzt. Doch lassen sich damit nur kundenorientierte Interaktionen wie E-Commerce, Sales-Team-Engagement, Marketing, Datenschutz und Services auswerten, um das Verhalten der Kunden zu analysieren, die Mitarbeitenden zu inspirieren oder Lieferketten zu optimieren.
In der Nutzung der Datenmassen fehlte bisher die Erschliessung von Gefühlen, Erfahrungen und Erlebnissen. So blieb bislang unklar, wie ein Einkaufserlebnis empfunden wurde. Ob der Kontakt mit einem Unternehmen gefallen hat oder was angenehm respektive ärgerlich gewesen ist. Die jüngsten Entwicklungen, die genau diesen Bereich adressieren, präsentieren sich als Experience Management (XM). Plattformen also, die die Lücke schliessen zwischen dem Verständnis dessen, wie effektiv ein Unternehmen arbeitet, und der Frage, wie es Kunden und Mitarbeitende erleben.
Konkret werden dazu neu operative oder Betriebsdaten (O-Daten) mit Experience- oder Erfahrungsdaten (X-Daten) erweitert. Das, was im Kundenerlebnis passiert, wird mit dem, warum etwas passiert, kombiniert. Dazu werden die menschliche Stimmung an den entscheidenden Stellen der Customer Journey erfasst und die Qualität des Kundenerlebnisses erschlossen.
Was hinter dem X für die Erweiterung der Wertschöpfungskette steht, wird deutlich, wenn man fragt, warum ein Hotelaufenthalt als schöne Erinnerung oder schlechte Erfahrung im Gedächtnis blieb. Wie hat man den Buchungsprozess in Erinnerung, entsprachen Ort und Unterkunft den gemachten Versprechungen, welchen Eindruck haben Sauberkeit, Ausstattung und die Freundlichkeit des Personals hinterlassen? Es sind solche Eindrücke, die darüber entscheiden, ob man das Hotel erneut besuchen wird oder nicht. Wichtig ist dabei auch, was zusätzlich geboten wurde.
Auch in den sozialen Medien wird solch ein Erlebnispaket in höchsten Tönen gelobt und weiterempfohlen. Es ist ein Hingucker, der vorführt, wie das Produkt zur Nebensache wird, die wachsende Sehnsucht nach einem besonderen Erlebnis dafür in den Mittelpunkt rückt. Die Kombination der authentischen Unterkunft mit der individuellen Aktivität soll Reisen unvergesslich machen.
Hier spiegelt sich ein Trend der Zeit. Die Menschen investieren lieber in etwas, das beglückt und Spass macht, als irgendetwas anzuschaffen, das übermorgen schon wieder überflüssig geworden ist.
Nicht umsonst sprechen Marketingspezialisten wie Martin Schnaack, CEO und Gründer der deutschen Werbeagentur Avantgarde, von den Erlebnissen als neuer Währung. Sie werden zum Bestandteil eines Unternehmens oder einer Marke und erschliessen neue Erlösquellen. Kurz gesagt werden über die gute, alte Experience Economy neue Business-Chancen eröffnet und damit Geschäftsfelder, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden.
Die Werkzeuge zur Umsetzung dafür sind XM-Lösungen, mit denen immer mehr Geschäftssoftware-Hersteller ihre Portfolios erweitern. Über solche Plattformen werden Einsichten zu Geschäft und Kunde so abgebildet, dass die Marketingabteilungen in den Unternehmen personalisierte Inhalte nahezu in Echtzeit über alle möglichen Einkaufskanäle vor, während und nach einem Einkauf erhalten. Doch ist das längst nicht alles. Via XM lassen sich nicht nur Kundenengagements aufbereiten, es lässt sich auch der Umgang mit dem jeweiligen Produkt sowie das Wahrnehmen einer Marke und das Agieren der Mitarbeitenden erfassen. Alle diese Interaktionen, so das Versprechen der XM-Lösungen, tragen dazu bei, Aufschlüsse über das Erlebnis mit einem Unternehmen, seinen Services und Produkten oder der Marke verfügbar zu machen. Um das zu erreichen, ermöglicht unter anderen die SAP-Tochter Qualtrics über ihre XM-Plattform Einblicke in die Kernbereiche Kunden-, Mitarbeiter- und Marktinformationen sowie Marken- und Produktinformationen.
Zentral ist für solche Tools, dass alle Feedbacks und Erfahrungen auf einer Plattform zusammengefasst werden können. Integriert sind dabei alle wichtigen Berührungspunkte eines Unternehmens mit seinen Kunden, Mitarbeitenden oder speziellen Zielgruppen. Kurz gesagt werden die Marketingabteilungen in die Lage versetzt, Antworten etwa aus bestehenden HR-Systemen, dem CRM oder aus Webanalysen und Kiosken zu beobachten, abzubilden, zu verwalten und sie aktuell zu halten. Verdeckte Trends werden schnell aufgespürt und genauso schnell wird eruiert, wie auf sie reagiert werden kann. Was beispielsweise über spezielle Aktionen für treue Kunden geschieht, die viel kaufen und ihre Begeisterung mit Freunden teilen. Oder es werden Initiativen für engagierte, positiv gestimmte Mitarbeitende aufgegleist.
Es geht also primär um Forschungsund Feedback-Tools, die helfen, die harten Fakten aus Kosten, Buchhaltung und Umsatz mit immateriellen Faktoren, also den Erfahrungswerten, aussagekräftiger zu machen. Zum Einsatz kommen dazu Techniken aus dem KI-Bereich wie etwa das maschinelle Lernen. Laut SAP wird damit insbesondere die Diskrepanz aufgelöst, die zwischen der Selbst- und der Fremdwahrnehmung eines Unternehmens besteht. Denn während 80 Prozent der CEO meinen, ihr Unternehmen biete erstklassige Kundenerlebnisse, sehen das nur 8 Prozent der Kunden so.
Interessant scheint dabei, dass die Experience Economy zum Beispiel schon in der Digitalisierung der Lieferketten wie auch im Financial-Sektor hohe Bedeutung erreicht hat. SAP-Kunden wie Migros, Swiss Re und Credit Suisse sind hier bereits erfolgreich und berichten über ihre Erfahrungen am SAP Infoday in Bern und SAP Financial Services Briefing in Rüschlikon (siehe Box).
Konkret versprechen XM-Lösungen, via Online-Umfragen den Menschen eine Stimme zu geben, die Veränderungen in den Unternehmen auslösen können. Abgesehen von diesem Umfragetool, das Daten aggregiert und analysiert, werden über neuronale Netzwerke mit KI weitere Erkenntnisse über die Wahrnehmung eines Unternehmens erschlossen. Zudem lassen sich Feedbackschleifen erstellen, mit denen bei Aktionen eines Unternehmens kontinuierlich die Eindrücke überwacht werden, die sie bei den Menschen auslösen. Allen hier schlummernden Informationen ist zu eigen, dass sie vergleichsweise rasch Konsequenzen nach sich ziehen können. Unternehmen, so versprechen XM-Lösungen, können nun den Kunden und Mitarbeitenden in Echtzeit zuhören und individuell auf sie eingehen.
Erlebniswelten in Rüschlikon und Bern
Thema Mit Veranstaltungen am Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) am 29. August 2019 und im Zentrum Paul Klee in Bern am 3. September 2019 rückt SAP die in der Digitalisierung schlummernden Potenziale der Experience Economy in den Mittelpunkt.
Finance Am SAP Financial Services Briefing am GDI steht der Kampf um Kunden in der Finanzbranche auf der Agenda. Erfahrungsberichte aus dem Handel und der Finanzbranche adressieren das Thema Customer Experience (CX). Ergänzt werden die Cases von einem Vortrag zu technischen Entwicklungen und Strategien. www.sapevent.ch/fs_briefing2019
Supply Chain Der SAP Infoday for Digital Supply Chain in Bern widmet sich der Supply Chain in der Experience Economy. Vorträge zeigen digitale Projekte zu Produktentwicklung, Business-Planning und Herstellung und Logistik. Im Mittelpunkt stehen digitale Supply-Chain-Strategien. www.sapevent.ch/scminfoday