Seit Bekanntwerden der überraschend hohen Inflationsraten in den USA stellt sich die Frage, ob die eigenen vier Wände tatsächlich als Inflationsschutz taugen, sollten wider Erwarten auch hierzulande höhere Teuerungsraten aufkommen.

Immobilien bieten als Realwerte einen zuverlässigen Inflationsschutz – so die verbreitete Meinung. Werden Konsumgüter teurer, so steigen bald auch die Löhne. Steigen die Löhne, so haben die Menschen nominal mehr Geld im Sack. Diese höheren Nominallöhne treiben die Preise weiter an. Die klassische Lohnpreisspirale setzt ein.

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Auch die Immobilienpreise werden demnach irgendwann in diese Spirale hineingezogen und steigen mit dem Konsumpreisniveau. Hinzu kommt, dass es sich bei Immobilien um ein natürlicherweise knappes Gut handelt. Dieses steht einer potenziell unbegrenzten Geldmenge gegenüber, und sein nominaler Wert steigt, wenn die Geldmenge zunimmt.

Keine unmittelbare Absicherung

Betrachtet man die Preisentwicklung für selbst genutztes Wohneigentum während der letzten fünfzig Jahre, so stellt man fest, dass die Immobilienpreise bis Mitte der 1980er Jahre in den Perioden mit hohen Teuerungsraten tatsächlich überdurchschnittlich stark gestiegen sind. Seit der Immobilienkrise der 1990er Jahre besteht dieser Zusammenhang jedoch nicht mehr.

 

Francis Schwartz ist Immobilienmarktanalyst für Raiffeisen Schweiz in St. Gallen.

Trotz hohen Teuerungsraten sind die Immobilienpreise in den 1990er Jahren gesunken. Die beiden Jahrzehnte nach der Jahrtausendwende waren von tiefen und zuletzt sogar negativen Teuerungsraten geprägt, und trotzdem stiegen die Immobilienpreise im Rekordtempo. Der eben beschriebene Zusammenhang zwischen Inflationsraten und Immobilienpreisen besteht also seit über dreissig Jahren nicht mehr.

Der Hauptgrund dafür, weshalb dieser Zusammenhang kurz- und mittelfristig nicht mehr besteht, ist in der modernen Geldpolitik zu finden. Um die Preisstabilität zu garantieren, reagieren die Notenbanken heute unmittelbar mit einer restriktiveren Geldpolitik auf höhere Inflationsraten oder auch nur schon auf die Erwartung von solchen.

Ein tieferes Geldmengenwachstum sowie hohe Zinsen haben negative Effekte auf die Immobilienpreise. Entgegen der ersten Intuition können höhere Inflationsraten oder -erwartungen so zu sinkenden Immobilienpreisen führen. Der Realwert Eigenheim sichert somit nicht gegen eine höhere Inflation ab. Im Gegenteil.

Volatilere Vermögenspreise

Umgekehrt begegnen die Notenbanken Deflationsängsten heute entschieden mit Zinssenkungen und einer expansiven Geldpolitik. Die Folge sind steigende Immobilienpreise, wie sie in den letzten 25 Jahren zu beobachten waren.

Weil moderne Notenbanken die Konsumpreisinflation heute zeitnaher und präziser steuern können und bereits schon auf veränderte Inflationserwartungen mittels geldpolitischer Massnahmen reagieren, gehören anhaltende Perioden mit hoher Inflation für viele Ökonomen und Ökonominnen der Vergangenheit an. Für das stabile Preisniveau werden aber volatilere Vermögenspreise als Kollateralschaden hingenommen.

Eine leicht positive Inflationsrate wird jedoch auch in der neuen Welt der Notenbanken als wünschenswert erachtet. Sie schaffe einen Anreiz, Geld nicht zu horten, sondern auszugeben, so die Argumentation. Auch wenn Immobilien heute keinen unmittelbaren kurz- und mittelfristigen Schutz gegen Inflation mehr bieten – in der sehr langen Frist bestehen die eingangs beschriebenen klassischen ökonomischen Zusammenhänge weiterhin und die Immobilienpreise steigen mit dem allgemeinen Preisniveau mit.

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