Die Zeit für einen Eigenheimkauf ist noch immer günstig. Ein anhaltend tiefes Zinsniveau, die relativ hohen Einkommen und die komfortable Vermögenslage der Schweizer Haushalte befeuern den Trend zum Wohneigentum. Doch wo soll das eigene Haus oder die eigene Wohnung dereinst liegen? Nicht jeder Schweizer hat die Qual der Wahl, wie die Immobilienberatung Wüest & Partner (W&P) exklusiv für BILANZ analysiert hat. Generell gilt für den Erwerb eines Eigenheims: Die Höhe des Einkommens ist entscheidend. Mit einem Salär von 120 000 Franken oder tiefer liegt eine Eigentumswohnung in den Hochpreisregionen rund um den Zürichsee, in der Innerschweiz oder am Genfersee schlicht nicht drin. Bei den Einfamilienhäusern, die beim selben Ausbaustandard generell rund 20 Prozent teurer sind, schränken sich die Möglichkeiten nochmals ein (siehe rote Bereiche auf den Karten unter 'Downloads').

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Zeit und Geduld. Urs Hausmann, Präsident von W&P, relativiert die für weniger betuchte Käufer enttäuschende Analyse: «Es gibt überall günstige Objekte.» Die roten Bereiche bezeichnen nur die Tatsache, dass es dort schwierig ist, ein geeignetes Objekt zu finden. Auch im teuren Zollikon vor den Toren Zürichs würden sich Einfamilienhäuser zu einem Preis von einer Million Franken finden lassen. «Man braucht dazu aber Zeit und Geduld, unter Umständen mehrere Jahre», sagt er. Die Datenbank von W&P über die Handänderungen belegt Hausmanns Aussage. In Zollikon lagen die Preise von zehn Prozent der seit dem zweiten Quartal 2009 gehandelten EFH unter 1,3 Millionen Franken. Im Durchschnitt zahlten die Käufer 2,5 Millionen pro Objekt. In der Region Pfannenstiel werden zehn Prozent der EFH unter 880 000 Franken gehandelt.

Eigenheim-Aspiranten, die nicht über ein Einkommen von 250 000 Franken und mehr pro Jahr verfügen, haben zwei Wahlmöglichkeiten. Wenn sie eine Zentrumslage bevorzugen, sollten sie auf eine Wohnung ausweichen. Die beiden Karten für Einkommen von 250 000 Franken zeigen deutlich weniger rote Flecken bei den Wohnungen als bei den EFH. Die andere Variante wäre der Kauf eines Hauses in der Agglomeration – zum Beispiel im Kanton Aargau. In der Region Baden sind die EFH-Preise für diese Einkommenskategorie zumeist noch erschwinglich.

Bei den ganz hohen Einkommen ab 400 000 Franken ist zwar vieles möglich, aber doch nicht alles. Die ganz schönen Lagen am Zürichsee, an den Zentralschweizer Seen und am Genfersee sind auch in dieser Einkommensdimension ausser Reichweite. Erst ab 600 000 Franken werden die teuersten Objekte in den noblen Gemeinden erschwinglich. Fast erschwinglich. Denn auch bei einer Investition von fünf Millionen Franken verschwinden die roten Flecken auf der Karte nicht gänzlich. «Die absolut teuerste Gemeinde in der Schweiz ist St. Moritz», sagt Urs Hausmann. Sie ist die einzige der edlen Schweizer Tourismusdestinationen, die mit Samedan über einen Flughafen mit internationaler Anbindung verfügen.

Bezahlbar. Es muss ja nicht gerade St. Moritz sein. In den meisten Schweizer Regionen sind die Eigenheime durchaus noch bezahlbar. «2011 wird ein unaufgeregtes Immobilienjahr», sagt Hausmann. Nach den Voraussagen der Credit Suisse dürften die Preise, übers Ganze gesehen, um 4 bis 5 Prozent anziehen, was im Trend der letzten Jahre liegt. W&P prognostiziert für die nächsten zwölf Monate ein weniger stürmisches Wachstum von knapp 1 Prozent bei den Eigentumswohnungen und rund 3 Prozent bei den EFH. Bei den Regionen schwingen einmal mehr Genf und Zürich obenaus – mit einer Zunahme der EFH-Preise von über 6 respektive 4 Prozent. Gemäss neustem Immo-Monitoring von W&P holen die EFH derzeit deutlich auf. Das Preiswachstum habe sich überraschend wieder beschleunigt. Bislang waren es die Eigentumswohnungen, die den Preistrend bestimmten.

Trotz Zinswende werden die Preise nicht zurückgehen. Der höhere Hypothekarzins, so die Experten, ist im Immobilienmarkt schon eingepreist. «Es sind keine Rückgänge zu erwarten», sagt auch Urs Hausmann, «es sei denn, es kommt zu Überraschungen.» Etwa dass die Zinsen stärker stiegen als prognostiziert. Oder dass unerwartet Überkapazitäten auftauchten. Oder dass der Markt regional aus dem Ruder laufe und Dominoeffekte auslöse. Aber auch dann seien nur leichte Preisrückgänge zu erwarten. Für Hausmann hat die stabile Preisentwicklung einen ganz einfachen Grund: «Wenn die Zinsen steigen, dann ziehen erfahrungsgemäss auch die Einkommen an.»

Befeuert wird der Markt nicht nur von der Zuversicht der Käufer, dass die Zinsen nur moderat steigen. Verschiedene Faktoren treiben das Marktgeschehen an. Die Konsumenten sind in bester Laune. Der Stimmungsindikator des Seco lag im Januar deutlich über dem Mittelwert. Der Privatkonsum dürfte auch in diesem Jahr stabil wachsen. Auch die Einwanderung hält unvermindert an. 2010 haben sich netto wieder deutlich über 60 000 Ausländer in der Schweiz niedergelassen. In diesem Jahr – bei brummendem Konjunkturmotor – dürften es kaum weniger sein. Erfahrungsgemäss fragen die gut qualifizierten Einwanderer in einer ersten Phase vorwiegend Mietwohnungen nach. Nach einer gewissen Assimilationszeit treten sie als Käufer im Eigenheimmarkt auf. Für Marco Salvi, Immobilienspezialist der ZKB, wirken sich auch die steigenden Einkommen positiv auf den Markt aus. Das hohe Sparvolumen von jährlich 60 Milliarden Franken ist für ihn ein Indikator. «Die Käufer können beim Erwerb eines Eigenheims auf eine gute Eigenkapitalbasis zurückgreifen», sagt Salvi. Auch für ihn ist klar, dass die langfristigen Zinsen stärker steigen müssten, um im Eigenheimmarkt eine Wirkung zu zeigen.

Renditeüberlegungen erhalten beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung zunehmend grössere Bedeutung. «Immobilien sind eine gute Anlageklasse», sagt Claudio Saputelli, Leiter Immobilienanalyse bei der UBS. Alternative Anlagen seien dagegen aktuell weniger attraktiv. Immobilien gelten im Gegensatz zu Aktien als wertbeständig. Sie schützen das Kapital vor Inflation und ermöglichen eine über die Jahre konstante Rendite. Gemäss Berechnungen von W&P beträgt diese fürs Eigenheim im Durchschnitt zwischen 2 und 2,5 Prozent.

Rentabel. Rendite auf die Investition ins Eigenheim ist nicht partout garantiert. Schon die regionalen Unterschiede sind gross. In Genf rentierte eine mittlere Eigentumswohnung zwischen 1985 und 2010 mit knapp vier Prozent pro Jahr am meisten, im Jura mit knapp einem Prozent am wenigsten. «Entscheidend ist die politische Gemeinde, in der das Eigenheim liegt», sagt Hausmann. Die Rendite werde wesentlich von der Makrolage beeinflusst. Deren Faktoren: Erreichbarkeit, Höhe des Steuerfusses, Image der Gemeinde und landschaftliche Attraktivität. Zentral ist, so Hausmann, «wie schnell man die wichtigen Zentren der Schweiz wie Zürich, Basel, Genf oder Luzern erreicht». Ganz wichtig für die Eigenheiminvestoren sei auch der Bekanntheitsgrad der Gemeinde. Ortschaften ohne Ausstrahlung sind bei den Investoren nicht gefragt. «Gemeinden», so Hausmann, «sind wie Uhren.» Niemand gebe 10 000 Franken für eine Uhr aus, die niemand kenne. Es müsse schon eine Rolex oder eine IWC sein.

Der Run auf die renommierten Standorte hat unliebsame Folgen. Nach der Nationalbank (SNB) und der Finanzmarktaufsicht (Finma) hat auch der Internationale Währungsfonds vor den akuten Gefahren einer Immobilienblase gewarnt und einer laxeren Vergabe von Hypothekarkrediten. Für die Schweizer Immoblienexperten sind solche Warnungen in den Wind geredet. «Es gibt keine Blase», sagt ZKB-Mann Salvi, «wir sehen da und dort ein paar Übertreibungen.» Aber im Durchschnitt sei der Markt gesund, ausser bei den Zinsen sehe er keine akuten Risiken.

Diese Auffassung teilt auch Fredy Hasenmaile, Leiter Immobilienanalyse bei der Credit Suisse (CS): «In 75 der 106 Regionen der Schweiz sind keine überhöhten Preise feststellbar.» Dennoch warnt der CS-Experte: «In den anderen 31 Regionen ist die ganze Palette von Übertreibungen vorhanden.» Dabei unterscheidet er drei verschiedene Stufen der Überhitzung: Eine Preisblase besteht in Genf, überhöhte Preise gibt es am Arc Lémanique, im Unterwallis, partiell in Zürich und leicht überhöhte Preise in Zug, in Freiburg und in gewissen Tourismusregionen. Den Grund ortet Hasenmaile darin, dass der Eigenheimmarkt einfach zu günstig sei. In einer Studie haben die CS-Experten berechnet, dass der finanzielle Aufwand für Wohneigentum derzeit gegenüber gleichwertigen Mietobjekten 33 Prozent tiefer ist.
Diese sogenannte Eigentumsprämie birgt Gefahren. Bei steigenden Hypothekarzinsen dürfte es mittelfristig zu Ausfällen kommen. Haushalte, die zu teuer gekauft haben und längerfristig mit den aktuell tiefen Zinsen kalkulieren, sind dann nicht mehr in der Lage, ihr Eigenheim zu finanzieren. Für den Kanton Zug hat die CS errechnet, dass nur noch die hohen Einkommen ihr Wohneigentum zu den gegenwärtigen Immobilienpreisen tragen können.

Umso wichtiger ist für Neuerwerber die Einhaltung der goldenen Finanzierungsregeln, die 20 Prozent Eigenmittel, die Tragbarkeit bei einem Zins von 5 Prozent und eine Belastung von höchstens einem Drittel des Bruttoeinkommens verlangen. Lorenz Heim vom VZ HypothekenZentrum weist noch auf weitere Gefahren hin: «Das grösste Übel ist derzeit, dass die Banken auf die Amortisation der 2. Hypotheken verzichten.» Bei einem Preisrückgang würden viel mehr Haushalte von Überschuldung betroffen. Eine weitere Gefahr ortet er im Verdrängungseffekt, den er etwa in der Region Zürich festgestellt hat. Im Seefeld und am unteren Zürcher Seebecken haben potente Käufer die anderen Interessenten in schlechtere Lagen abgedrängt. Dies habe zu einem allgemeinen Preisdruck in allen Segmenten geführt. Wenn der Markt kehre, seien die schlechteren Lagen als Erste vom Preisrückgang betroffen.

Preisrückgang. VZ-Experte Heim steht mit seinen Prognosen relativ isoliert da. Er wäre nicht überrascht, wenn es im Eigenheimsektor zu einem zumindest vorübergehenden Preisrückgang von 5 bis 10 Prozent käme. «Die steigenden Zinsen führen erfahrungsgemäss zu einem Nachfrageschwund», sagt Heim. Man sehe den Trend schon jetzt bei älteren Liegenschaften, die deutlich länger auf dem Markt sind. Dennoch rät er den Kunden nicht vom Kauf eines Eigenheims ab – ausser man plant, nur wenige Jahre am selben Ort zu bleiben. Er sagt: «Und wenn man die Zinsen für einen Teil der Finanzierung für acht oder mehr Jahre anbindet, bleiben die Wohnkosten langfristig tief.»

UBS-Ökonom Saputelli rechnet nicht mit einem Szenario sinkender Eigenheimpreise. Er meint aber, dass die SNB die Zinsen rasch erhöhen werde – mit einem ersten Schritt im Juni. «Wir rechnen bis Ende Jahr mit drei Zinsschritten von je 0,25 Prozentpunkten», sagt er. Der Leitzins der SNB werde im Dezember bei einem Prozent stehen. Bis im Juni 2012 erwartet Saputelli fünf Leitzinserhöhungen zu je einem viertel Prozentpunkt auf einen Stand von 1,5 Prozent.

Die Zinswende ist nicht neueren Datums. Die langfristigen Zinsen zeigen seit dem letzten August stetig aufwärts. Die Bundesobligationen mit einer Laufzeit von zehn Jahren haben mittlerweile rund 100 Basispunkte zugelegt. Unter Druck kamen auch die Festhypotheken aller Laufzeiten (siehe Grafik «Leichter Trend nach oben» unter 'Downloads'). Schon Ende Jahr überstieg die zehnjährige Festhypothek die Drei-Prozent-Marke. Sie steht derzeit bei 3¼ Prozent – mit ungebrochenem Trend nach oben.

Normalisierung. In der Immobilienbranche gerät darob niemand in Panik. Die Zinsentwicklung hat den Aufwärtstrend der Leitzinsen schon vorweggenommen. Zudem dürften die Zinsen nicht in den Himmel steigen. «Wir werden zu Zinsniveaus zurückkehren, wie sie vor der Finanzkrise bestanden», sagt CS-Ökonom Hasenmaile. Der Satz für die Libor-Hypothek werde auf 3 bis 3,5 Prozent steigen, mithin eine Normalisierung erleben. Der aktuelle Hyposatz sei zu billig. Auch Hasenmaile ist überzeugt, dass ein Anstieg der Zinsen um einen halben Prozentpunkt oder mehr realistisch ist.

Eine neue Hochzinsphase mit variablen Hyposätzen von 6 oder gar 8 Prozent erwartet kein Experte. «Ausser bei den Rohstoffen ist auf den Gütermärkten kein Inflationspotenzial auszumachen», sagt Hasenmaile. Auch droht derzeit keine Lohn-Preis-Spirale. Der Druck der Zuwanderung und der flexible Schweizer Arbeitsmarkt verhindern, dass die Löhne und Preise sich gegenseitig hochschaukeln. Dazu kommt, dass sich die Weltwirtschaft von der Finanzkrise noch nicht vollständig erholt hat. «Diese Phase dauert drei bis vier Jahre», sagt UBS-Ökonom Saputelli. Da bestehe relativ wenig Spielraum für ein Inflationsszenario.