Stärkerer Euro, schwächerer Dollar, steigender Yen – monatelang sorgten sich die Fachleute, dass der eine oder andere Währungsumschwung auf die einsetzende wirtschaftliche Erholung drücken könnte. Nun ist die SNB auf der amerikanischen Liste der «Währungsmanipulatoren» gelandet. Da könnte man meinen, Währungsschwankungen entschieden über Wohl und Weh von Volkswirtschaften und Aktienmärkten.
Aber machen Sie sich keine Sorgen! Die jüngsten Währungsveränderungen waren nichts als kleine Zuckungen. Selbst wenn die Ausschläge kräftiger werden, haben starke oder schwache Währungen weit weniger Auswirkungen auf das Wachstum, als die Experten behaupten.
Ken Fisher ist Chairman der Vermögensverwaltungsfirma Fisher Investments in Camas, Washington. Sein eigenes Anlagevermögen wird auf 4 Milliarden Dollar geschätzt.
Die Ängste der um die Währungen Besorgten beziehen sich in der Regel auf den Export. Eine starke Währung verteuert die Exporte und drückt auf die Verkäufe – so die gängige Logik. Deshalb hat die SNB jahrelang versucht, die Stärke des Frankens zurückzudrängen; bis 2015 mit einer regelrechten Wechselkursuntergrenze gegenüber dem Euro, dann mit Negativzinsen und seither mit umfangreichen Devisenkäufen.
Aus dem gleichen Grund fürchten die Experten weltweit nun die Euro-Stärke. Vor Covid-19 machten Exporte 66 Prozent des schweizerischen und 46 Prozent des europäischen BIP aus – weitaus mehr als die durchschnittlich 31 Prozent global. Zudem sind die Exporte bereits schwach: minus 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr in der Schweiz, minus 9,9 Prozent in der Euro-Zone. Die Bedenkenträger sagen, dies mache die Stärke des Franken und des Euro besonders fatal.
Verängstigte Anleger suchen Sicherheit und Liquidität im Dollar: Das ist immer so
Glauben Sie das ja nicht! Klar, Franken und Euro sind seit dem Tief am 20. März gegenüber dem Dollar um 11,4 Prozent respektive 14,9 Prozent gestiegen. Aber das ist teilweise nur eine Umkehr des kräftigen Rückgangs zwischen dem 9. und 20. März, als der Franken um 5,7 Prozent fiel und der Euro um 6,4 Prozent. Diese Einbrüche waren Teil der typischen, vorübergehenden «Flucht in Qualität», die den Dollar in allen panischen Bärenmärkten erst einmal stärken. Verängstigte Anleger suchen Sicherheit und Liquidität in US-Staatsanleihen und verkaufen andere Währungen, um an Dollars zu kommen.Nehmen wir die globale Finanzkrise. Von Mitte März 2008 bis zum Aktientief im März 2009 stieg der Dollar gegenüber dem Franken um 18 Prozent und gegenüber dem Euro um 25 Prozent. Dann schwand die Panik. Bis zum Jahresende legte der Franken gegenüber dem Dollar um 12,5 Prozent zu – und der Euro um 13,5 Prozent. Das hielt weder die Erholung der europäischen Wirtschaft ab Juni auf, noch hinderte es die schweizerischen und europäischen Aktien daran, seit März bis zum Jahresende um 55,4 Prozent respektive 68,4 Prozent zu steigen. Sie übertrafen damit beide den weltweiten Wert von 53,7 Prozent.
«Die Währungsbedenkenträger übersehen: Nur wenige Produkte werden noch ausschliesslich in einem Land beschafft und hergestellt.»
Die Währungsbedenkenträger ignorieren die Geschichte. Zwischen Ende 2009 und Ende 2014, als die Schuldenängste in Europa zunahmen, stieg der Franken gegenüber dem Euro um 23,4 Prozent. Trotzdem wuchs das schweizerische BIP in diesem Zeitraum um 11,2 Prozent, also mehr als doppelt so stark wie in der Euro-Zone mit 4,2 Prozent. Die Exporte der Schweiz stiegen um insgesamt 29,2 Prozent und übertrafen damit leicht die 28,5 Prozent der Euro-Zone. Die Preise blieben weitgehend gleich, aber die massive Deflation – aufgrund der starken Währung von den Bedenkenträgern befürchtet – blieb aus. Selbst im ersten Quartal 2015, als der Franken um 15,3 Prozent nach oben schnellte – nachdem die SNB die Kursuntergrenze gegenüber dem Euro aufgehoben hatte –, gab das BIP-Wachstum um gerade einmal 0,3 Prozent nach. Nach einem gleichbleibenden zweiten Quartal setzte der Anstieg wieder ein. Der Schluckauf im ersten Quartal 2015 lag jedoch an dem abrupten Ende der unsinnigen, unvertretbaren Kursuntergrenze der SNB und nicht am Kurs selbst.
Linke Tasche, rechte Tasche
Das Gleiche gilt für andere Währungspaarungen. Der aktuelle Euro/Dollar-Wechselkurs ist nahe dem Niveau von 2017. Damals stieg der Euro gegenüber dem Dollar um 13,8 Prozent – und trotzdem nahmen die Exporte um 7,0 Prozent zu. Das Euro-Zonen-BIP nahm um 2,6 Prozent zu, die Aktien stiegen um 22,8 Prozent und übertrafen damit den globalen Wert.
Dasselbe passierte 2013, als der Euro-Kurs das gesamte Jahr über dem des Dollars lag – und zwischen März und Jahresende um 7,2 Prozent zulegte. Nach dem Ende der Schuldenkrise im ersten Quartal nahmen die Exporte und das BIP in der Euro-Zone zu. Mit einem Anstieg von 25,3 Prozent übertrafen europäische die weltweiten Aktien.
Die Währungs-Bedenkenträger übersehen: Nur wenige Produkte werden noch ausschliesslich in einem Land beschafft und hergestellt. Häufig importieren Hersteller Rohstoffe, Maschinen und Komponenten. Nestlé produziert in mehr als 80 Ländern und verkauft Produkte in 187 Ländern. Ein starker Franken senkt die Kosten der eingeführten Vorräte und ausländischen Betriebsstätten. Das macht einen starken Franken nicht nur positiv – nur wenig des Umsatzes stammt aus der Schweiz, über 30 Prozent kommen aus Amerika. Aber Währungen sind viel unbedeutender als gemeinhin angenommen – selbst wenn man die Hedging-Möglichkeiten der Unternehmensleitungen ausser Acht lässt. Die Angst vor starken Währungen ist ein überkommenes Gedankengut.
Betrachten wir es einmal anders: Währungen werden im Paar gehandelt. Franken, Dollar, Euro – alle werden nur gegenüber anderen Währungen schwächer, nicht absolut. Die Währungsbewegung eines Landes nach unten sollte die eines anderen nach oben sein, oder? Falsch. Die Aktienmärkte der Industrieländer korrelieren. Sie weichen nur wenig, selten und nie lange voneinander ab – ein weiterer Beweis dafür, dass die Behauptungen der Währungsuntergangsanhänger unsinnig sind.
Entweder zu stark oder zu schwach
Die Fachleute denken fast immer, dass Währungen zu stark sind und die Exporte gefährden – oder zu schwach, was die Angst vor Inflation und weitere Sorgen befeuert. US-Kommentatoren feiern die jüngste Dollar-Schwäche nicht, sie fürchten sie. Sie behaupten, der Währungsmarkt würde Ungemach erkennen, das die US-geführten Aktienmärkte übersehen. Das ist abwegig. Die doppelseitigen Ängste spiegeln eine Stimmung wider, nicht die wirtschaftliche oder marktbezogene Realität.
Welche Stimmung das ist? Skepsis – und das sind jetzt die guten Nachrichten für Sie. Die amerikanische Investorenlegende Sir John Templeton sagte einmal: «Bullenmärkte werden aus dem Pessimismus geboren, wachsen mit der Skepsis, reifen im Optimismus und sterben durch Euphorie.» Die aktuellen Währungssorgen sollten die nächste Aufwärtsbewegung des Bullenmarktes unterstützen und legen nahe, dass weitere Gewinne zu erwarten sind.