Gleiches Geld für gleiche Arbeit klingt einleuchtend, ist aber längst nicht Realität. Auch in Island, das zu den fortschrittlichsten Ländern bei der Gleichbehandlung von Männern und Frauen gehört, klafft eine Lohnlücke. Sie betrug nach nationalen Statistikangaben zuletzt 16,1 Prozent. In Island gilt daher seit Januar ein neues Gesetz, das den Arbeitgebern die Beweislast auferlegt.

Firmen mit mehr als 25 Angestellten müssen schriftlich dokumentieren können, dass Männer und Frauen auf den gleichen Posten mit den gleichen Aufgaben dasselbe Gehalt bekommen. Nicht mehr dem Arbeitnehmer obliegt die Aufgabe, Diskriminierung zu beweisen, sondern den Firmen, sie zu widerlegen.

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Existiert tatsächlich eine unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen, müssen die Arbeitgeber glaubhaft darlegen, dass sie nicht aufgrund des Geschlechts erfolgt.

Dazu müssen die Unternehmen Anforderungen an den Job und Leistung der Arbeitnehmenden transparent offenlegen. In die Einschätzung fliessen unter anderem das Alter der Angestellten, ihre Ausbildung und Erfahrung, ihre Wertschöpfung und ihre Arbeitsbelastung ein.

147'000 Angestellte betroffen

Knapp 1200 isländische Firmen und 147'000 Angestellte sind von dem Gesetz betroffen. Den Firmen drohen bei Nichtbeachtung Geldstrafen von umgerechnet bis zu 400 Franken am Tag.

Die 34-jährige Elisabet Björnsdottir, die bei Islands grösstem Finanzinstitut Landsbankinn arbeitet, hatte eigentlich nie das Gefühl, schlechter bezahlt zu werden als ihre männlichen Kollegen. «Aber die Lohnlücke ist nichts, was Sie einfach fühlen oder sehen können», sagt sie. Ein Gefühl sei schwer zu beweisen, deshalb sei das Gesetz nötig.

Die Landsbankinn, seit der Finanzkrise fast vollständig in staatlicher Hand, wird umgerechnet rund 120'000 Euro in die Hand nehmen müssen, um sich an das neue Gesetz zu halten. Doch der Personalverantwortliche sorgt sich nicht: «Wenn uns das Gesetz nicht zwingen würde, würden wir so weitermachen wie bisher und die Lohnlücke wäre in zehn Jahren noch nicht ausgeglichen», sagt Baldur Jonsson.

Fast 80 Prozent Zustimmung

Verabschiedet wurde das Gesetz Anfang Juni vergangenen Jahres im Parlament mit fast 80 Prozent Zustimmung. Die kleinen Unternehmen des Landes haben eine Übergangsfrist bis Ende 2021, um es umzusetzen.

Eigentlich gibt es in dem Land auf dem Papier schon seit 1961 eine festgeschriebene Lohngleichheit von Frauen und Männern. Nun soll das Gesetz die Lücke endgültig schliessen.

Analyse ab 50 Mitarbeitenden

In der Schweiz plant der Bundesrat im Rahmen der Revision des Gleichstellungsgesetzes eine ähnliche Massnahme. Justizministerin Simonetta Sommaruga will Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden verpflichten, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern transparent zu machen.

Betroffen wären zwar nur 2 Prozent aller Unternehmen – dafür 54 Prozent der Angestellten in der Schweiz. Die Unternehmen sollen alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchführen und von einer unabhängigen Stelle prüfen lassen. Anschliessend müssten sie die Angestellten über das Ergebnis informieren. Über die Vorlage muss nun das Parlament entscheiden.

Auch in Deutschland gilt seit Anfang Januar das sogenannte Entgelttransparenzgesetz. Allerdings können Beschäftigte erst ab einer Firmengrösse von 200 Mitarbeitenden Informationen darüber verlangen, was vergleichbare Kollegen verdienen. Frauen in Deutschland bekommen im Durchschnitt 21 Prozent weniger Gehalt als Männer.

Zu den Kritikern des Gesetzes in Island gehört die dortige Piratenpartei – das Ziel sei lobenswert, die Umsetzung aber zu schwer und zu teuer. «Das löst kein Problem», findet der Pirat Björn Gunnarsson, der gegen die Reform votiert hatte. Die Unternehmen hätten genügend Kriterien und Möglichkeiten, um die Lohnlücke letztlich doch zu rechtfertigen.

Brynhildur Omarsdottir von der isländischen Frauenrechtsvereinigung wiederum ist zwar auch der Meinung, dass das Gesetz die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen nicht gänzlich lösen wird. «Aber es löst einen Teil, und zwar einen ganz entscheidenden.»

(sda/ise/mbü)