Zur Konfirmation Holger Gerrmanns gab es seinerzeit einen Porsche 956. Das Gefährt war vollelektrisch und natürlich das Highlight des Tages. Doch während es sich damals um ein ferngesteuertes Modellauto handelte, bewegt Gerrmann jetzt einen strassentauglichen Porsche Panamera E-Hybrid durch den Verkehr. Der gebürtige Deutsche ist im Herbst 2024 als neuer CEO der Porsche Schweiz AG angetreten, um die Marke im helvetischen Markt weiter zu stärken und die geplante Elektro-Transformation mitzugestalten. Nach Verkündung der globalen Konzernzahlen des Jahres 2024 soll der Umstellung auf die Elektromobilität nun aber mehr Zeit eingeräumt werden. Wohin geht die Reise für Porsche?

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30 Prozent Gewinneinbusse, 1900 Menschen werden in den kommenden Jahren ihre Stelle verlieren, und dass man im Jahr 2030 bereits 80 Prozent Elektroautos bauen will, wurde auch aufgehoben – was Porsche-Chef Oliver Blume auf der Pressekonferenz im März verkündete, liess aufhorchen. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Elektrifizierung der Mobilität mit angezogener Handbremse fährt – und das weltweit. Als Gründe dafür werden gern fehlende Infrastruktur und zu hohe Preise genannt. Aber ist es – bezogen auf einen Anbieter von Sportwagen – wirklich nur das? Oder mag der Porsche-Enthusiast schlichtweg nicht auf Sound, Reichweite und Flexibilität verzichten? «Elektromobilität bleibt bei Porsche gesetzt und ist für uns der Antrieb der Zukunft», stellt Gerrmann klar. «Und wir können sagen, dass auch hartgesottene Fans der Marke umsteigen – beziehungsweise neuen Antrieben gegenüber offen sind.»

Porsche-Chef Holger Gerrmann

<p>Evoto</p> <p>Holger Gerrmann</p>
Quelle: David Kuenzler

Seit dem 1. Oktober 2024 ist er der Geschäftsführer der Porsche Schweiz AG. Zuvor leitete er als CEO fünf Jahre lang Porsche Korea. Vorher war der studierte Jurist Finanzgeschäftsführer bei der Porsche Lizenz- und Handelsgesellschaft sowie bei Porsche Cars Great Britain und der Porsche Retail Group.

Laut dem Experten lässt ein Elektrofahrzeug mit dem tiefen Schwerpunkt und der Porsche-eigenen Dynamik in Sachen Performance und Handling nichts vermissen. Das aber muss buchstäblich erfahren werden. Der Kurswechsel ist also keine 180-Grad-Wende. «Wir halten nun jedoch länger an der Trilogie Verbrenner, Plug-in-Hybride und Elektro fest», fasst Gerrmann zusammen. Dafür wird weiter Modellpflege betrieben. Der Cayenne und Panamera werden noch lange mit verschiedenen Antrieben vom Band rollen. Der Macan und der Taycan bleiben hingegen vollelektrisch. Zudem prüft Porsche einen neuen SUV.

Ausbaupotenzial bei der Infrastruktur

«Die Transformation ist kein Selbstläufer», sagt Gerrmann. «Jetzt geht es darum, den Vorteil von Elektrofahrzeugen für Kunden erlebbar zu machen und weiter an den Rahmenbedingungen zu arbeiten.» In der Schweiz wird man zeitnah eine Porsche Charging Lounge eröffnen, in der ein hochwertiges Ladeerlebnis geboten wird. Die Infrastruktur hat Ausbaupotenzial. Gerrmann sagt dazu: «Schauen wir auf die Statistik, ist das ideale Verhältnis eine öffentliche Ladestation auf zehn Fahrzeuge. In der Schweiz kommen wir bei einer Ladestation auf 19 Fahrzeuge in Summe. Gleichzeitig gibt es immer noch kein Recht auf Laden bei Mietwohnungen.» Auf der anderen Seite nimmt die Reichweite immer weiter zu und am Fahrspass wird nicht gespart. «Das Briefing an unsere Ingenieure ist klar, jedes Modell muss Sportlichkeit widerspiegeln. Wir schauen, wo wir an Gewicht sparen können oder mit neuen Technologien die Wendigkeit der Fahrzeuge verbessern, beispielsweise mit der Hinterachslenkung.»

Und geht es um den 911, bleibt man dem Prinzip treu, so wenig an der markanten Silhouette zu verändern wie nötig. «Sicher ist der 911 gewachsen, seine Formen aber haben sich nur wenig verändert», sagt Gerrmann. Doch mit dem 911 T wurde jetzt vermutlich der letzte Carrera mit Handschaltung lanciert. Ein manuelles Getriebe gibt es sonst nur noch im GT3. «Beim GT3 wählen rund 50 Prozent die Handschaltung», meint er. «Das hat viel mit Emotion und dem Fahrspass zu tun. Dennoch ist es für uns als Unternehmen wichtig, möglichst viele Kundenbedürfnisse abzudecken.» Hierbei gewinnt die Individualisierung immer weiter an Bedeutung. Die Schweiz ist der einzige -Porsche-Markt, in dem es die Jobrolle des «Exclusive Consultant» gibt, der die Kunden der -Porsche Exclusive Manufaktur betreut.

Rückblickend ist das Jahr 2024 in der Schweiz gut gelaufen. Im Gegensatz zum globalen Absatz, der 3 Prozent abnahm, konnte man um 10 Prozent zulegen. Mehr als 5000 Neuzulassungen sind dabei das beste Ergebnis, das es hierzulande je gab. Die globalen Verluste basieren vor allem auf der fehlenden Nachfrage in China. Gerrmann, der vor seinem Wechsel in die Schweiz fünf Jahre CEO der Marke in Korea war, sagt: «In China herrscht eine andere Dynamik. Themen wie Heritage und Motorsport stehen nicht im Vordergrund.» Ganz im Unterschied zur Schweiz. «Bereits 1948 wurde der Porsche 356 Nr. 1 in Bern vorgestellt. Das war vor dem Grossen Preis der Schweiz. Das Land und Porsche verbindet dadurch eine lange Historie. Und einen unserer Wagen auf den Bergstrecken zu fahren, ist ein tolles Erlebnis.» Ein Porsche in der Schweiz ist daher ein anderes Statement.

Dieses soll die Kundschaft im Jahr 2025 noch persönlicher erleben können, auch mit der E-Variante. «2025 wird die Transformation weiter vorangetrieben. Heritage und Erinnerungen spielen in der Schweiz aber weiterhin eine wichtige Rolle. So werden wir den 911 in einer limitierten Kleinserie im Stil der 1970er-Jahre wiederaufleben lassen» Und Gerrmann selbst? Er wird zeitnah auf den Taycan wechseln. Nachdem er nach seinem Einstieg bei Porsche einen 911 fahren durfte, ist die Marke für ihn gesetzt. Dann also: Gute Fahrt!