Ja, es ist billig, über die Gastronomie herzuziehen. Aber heute muss es für einmal sein. Und zwar über jene, die sich für die Elite hält: Die Sterne- oder Haubengastronomie. Denn diese Köche, die uns mit Molekularküche gefordert, uns Mosen und Algen vorgesetzt und gezeigt haben, dass man Gerichte immer wieder neu denken muss, bleiben bei den Getränken in den ewig gleichen Mustern hängen. Sie versagen, wenn es um Bier geht. Und das erstaunt.

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Ob mineralischer Riesling, wuchtiger Ripasso oder eleganter Bordeaux: Noch immer prägen Weine als Begleitung die feine Küche. Egal ob beim beim Edel-Italiener oder beim Sterne-Koch. Dabei hat sich im Rest der Gesellschaft längst gezeigt, dass es nicht immer Wein sein muss.

Wo bleibt das Pairing mit einem spritzigen belgischen Lambic-Bier, einem wuchtigen Double IPA oder einem eleganten belgischen Tripel? Wo bleibt der Kellner, der auf die Frage «Was für Bier haben Sie?» nicht einfach bei einer einzelnen Marke landet? Dass es selbst hoch dekorierte Lokale nicht über einzelne Massenmarken hinaus schaffen, ist eine Schande.

Die einfache Erklärung wäre: Wein rentiert halt mehr als Bier. Mit den dicken Margen werden die aufwendigen Menüs quersubventioniert, daher müssen Restaurants Wein verkaufen. Doch dieses Argument verhebt nur halb.

Es gibt es mittlerweile genug aufwendig produzierte und teure Biere, die mehr Marge zulassen als die «Stange» Bier aus der Grossbrauerei. Und die Gastronomie hat bereits vorgemacht, dass sie auch Alternativen zum Wein beherrscht. Nicht wenige Sternelokale offerieren alkoholfreie Begleitungen zu ihren Menüs. Warum das rentabler sein soll als eine Bierbegleitung, erschliesst sich mir nicht.

Das Problem ist wohl weniger ein praktisches als ein mentales. Solange wir Gäste nicht auch bei Grandits, Knogl und Caminada nach Bier fragen, werden dort auch die Keller nicht aufgerüstet. Und solange es Brauereien und Getränkelieferanten nicht schaffen, der Gastronomie aufzuzeigen, welches Potenzial im Bier steckt, wird sich erst recht wenig ändern. Das ist schade.

Dass es eine Nachfrage gibt, zeigt der Blick in den Detailhandel. Dort wurde das Angebot an besonderen Bieren längst ausgebaut. Auch in den Bars und an Firmenaperos hat die Biervielfalt zugenommen. Nun wäre es an der Spitzengastronomie, endlich nachzuziehen. Wir werden es würdigen. Versprochen!

Typisch

Viele würden das nicht mehr als Bier bezeichnen, für andere ist
es die Oberklasse. Das «Saint Bon-Chien» – die Abtei dazu hat die
Brauerei genau so erfunden wie den vermeintlichen Hund – ist
eines der komplexeren Biere aus Schweizer Produktion, das
einst von der «New York Times» mit einer Würdigung geadelt
wurde: stark, im Holzfass ausgebaut und mit einer ausgeprägten
Säure. Tipp an den Sternekoch: Die Brauerei empfiehlt dazu eine
confierte Lammkeule.

L’Abbaye de Saint Bon-Chien, Brasserie des Franches-
Montagnes, fassgelagertes Sour Ale, 11% Alkohol, ca. 24 Franken für
75 cl.

In dieser Kolumne schreiben «Handelszeitung»-Redaktor Michael Heim, «Handelszeitung»-Redaktorin Tina Fischer und Autor Ben Müller alternierend über Bier und Wein. Heim selbst ist an einer Vereinsbrauerei beteiligt.