Wein in der Halbliterflasche? Der Kollege verdreht schon die Augen, wenn der Begriff fällt. Wein im «Halbeli» existiert nicht. Ausser er ist süss, alkoholfrei oder der Festwein vom Magdener Turnverein. Ein Wein, der etwas auf sich hält, wird in 7,5 Dezilitern abgefüllt. Die 75-cl-Flasche gehört zum Wein wie Popcorn zum Kino oder der Blitz zum Donner. Andere Grössen – ausser den Angeber-Übergrössen – sind kaum denkbar. Das ist schade.

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Erklärungen für dieses spezielle Fassungsvermögen gibt es einige: Es liege an der Lungenkapazität der damaligen Glasbläser, es sei besser für die Weinlagerung, die Glasflasche mit Inhalt ergebe ein Totalgewicht von einem Kilogramm. Alles nur Theorien – und erst noch falsche.

Schuld an der Flaschengrösse sind – wie so oft im Weingeschäft – die Briten. Sie waren im 19. Jahrhundert die Hauptabnehmer französischer Weine. Ihre Transportgrösse waren britische Gallonen, also 4,54609 Liter. Der Wein aus Bordeaux wurde der rechnerischen Einfachheit halber in der Folge in 225-Liter-Fässern transportiert, was noch immer der heutigen Barriquegrösse entspricht – denn das sind 50 Gallonen und somit 300 Flaschen à 750 Milliliter. Konsequent weitergerechnet ergeben dann 6 Flaschen 1 Gallone. Wer also heute einen Karton Wein kauft, akquiriert sozusagen eine britische Gallone.

Perfekt wäre ein halber Liter, eben ein Halbeli, wie man es im Offenausschank im Restaurant bestellen kann.

Das ist zwar spannendes Halbwissen, löst aber nicht das Problem einer Flasche Wein am Abend. Denn sind wir ehrlich: Eine normale Weinflasche ist meistens zu viel zum Znacht für zwei Personen, der übrig gebliebene Restschluck macht aber am nächsten Tag keine Freude und landet mit schlechtem Gewissen in der Tomatensauce. Eine kleine Flasche hingegen, also 375 Milliliter, ist wiederum zu wenig für zwei. Perfekt wäre ein halber Liter, eben ein Halbeli, wie man es im Offenausschank im Restaurant bestellen kann. Doch im Handel gibt es das nicht – oder zumindest nicht in akzeptabler Qualität.

Vorläufig sieht es nicht danach aus, dass sich daran etwas ändern würde. Denn Flaschenproduzenten haben ihre Maschinen auf 75 Zentiliter (cl) genormt, der Mensch hat sich daran gewöhnt. Also trinke auch ich weiterhin meinen Wein aus der 75-cl-Flasche – oder aber öffne gleich eine Magnum, die dann einfach drei Halbeli entspricht und einen lustigen Abend garantiert.

Sauternes in der Halbliterflasche
Quelle: ZVG
Typisch: Sauternes

Guter Rotwein und Weisswein existiert hierzulande kaum in der Halbliterflasche, deshalb weichen wir aus auf süssen Wein wie dieser französische Sauternes. Die goldgelbe Farbe, der Geschmack nach kandierten Früchte sowie viel Honig und dazu ein Zusammenspiel aus Süsse und Säure bringen immerhin beim Dessert oder zum Käse alle auf den Geschmack der Halbliterflasche.

Sélection de Tri, Château Dudon, Sauternes Frankreich, 2014, 23 Fr., 13.5% vol. Alk.

In dieser Kolumne schreiben die «Handelszeitung»-Redaktoren Michael Heim und Ben Müller sowie Redaktorin Tina Fischer alternierend über Bier und Wein. Fischers Familie besitzt eine gleichnamige Weinhandlung; sie selbst schreibt aber lieber über Wein, als dass sie ihn verkauft.